Vor Eingehen in die heutige
Hauptverhandlung regte
der
Richter den Abschluss eines Vergleiches an,
zu dem es auch
nach der mir
telefonisch erteilten Ermächtigung gekommen ist. Der
Gegner verpflichtete sich, die Berichtigung im Wortlaute längstens
bis 11.ds. in der Rubrik
„Theater“ zu veröffentlichen, einen Sühne
betrag zu Gunsten der Wiener freiwilligen Rettungsgesellschaft
und die Gerichtskosten zu
bezahlen. Die Zahlung des Sühnebetrages
und der Kosten wurde sofort
geleistet; den Sühnebetrag habe ich
bereits an die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft
weiterge
leitet. Auch die Veröffentlichung der
Berichtigung ist in der
Nr. 2470 auf Seite 5 erfolgt.
Nach der Verhandlung blieb ich
noch einen Augen
blick
im Verhandlungssaale zurück, um die Stempelung des Aktes
vorzunehmen. Hiebei teilte mir
der Verhandlungsrichter mit, dass
nach seiner Ansicht die verlangte
Berichtigung nicht
ganz dem
Gesetze entsprochen habe
und er daher wahrscheinlich bei Durch
führung der Rechtssache, gemäss
§ 24, Absatz 3 des Pressgesetzes
festzustellen gehabt hätte, was
von dieser Berichtigung
zu ver
öffentlichen
sei, im Uebrigen er aber den Beschuldigten freige
sprochen hätte, da
nach seiner Ansicht die Worte der Berichtigung,
dass dem Verfasser von einem Zensurverbote nichts bekannt sei,
nicht als Berichtigung einer
Tatsache aufzufassen sei, da der
zu berichtigende Artikel selbst
keine Stelle enthält an der
behauptet werde, dass dem Verfasser ein Zensurverbot
bekannt
sei. Durch das Wort
„bekanntlich“ bringe die Zeitung eine all
gemeine Ansicht zur Kenntnis des
Publikums, es sei daher mög
lich diese Ansicht des Publikums,
soweit sie eine Tatsache ent
hält, zu berichtigen, nicht aber
sei es möglich darauf hinzu
weisen, dass ein Einzelner diese
Ansicht nicht gehabt habe und
die
Berichtigung hätte
daher nur feststellen können, dass das
Zensurverbot nicht erfolgt ist,
nicht aber, dass es dem Verfasser nicht bekannt sei.
Schliesslich könnte sonst jeder berichtigen,
dass ihm von einem Zensurverbote
nichts bekannt sei.
Ich halte diese Meinung für
nicht zutreffendend, da
wenn
ein Zensurverbot „bekanntlich“ erfolgt
ist, dies doch in
erster
Linie dem Verfasser bekannt sein müsste und er daher
ge
wiss
berechtigt sein muss dem Publikum mitzuteilen, dass sogar
ihm nichts bekannt sei. Im
vorliegenden Falle liegt überdies die
Voraussetzung zur Anwendung
des Absatzes 3 des § 24 auch des
halb nicht vor, weil die Berichtigung in der
verlangten Form gar
nicht
abgelehnt wurde, sondern eigenmächtig von Seite der Zeitung ein Satz
weggelassen wurde. Die Zeitung
durfte aber nach
meiner
Meinung die Berichtigung entweder ablehnen oder sie muss
te sie im Wortlaute bringen.
Nur im Falle der Ablehnung hat der
Richter die Möglichkeit den Abs. 3 des § 24 anzuwenden.
Ich bringe Ihnen dieses
Gespräch mit dem Richter
deshalb so ausführlich
zur Kenntnis, weil in dem Prozesse ge
gen die „Reichspost“ derselbe Verhandlungsrichter fungieren
wird, und daher seine
Stellungnahme zu dieser Rechtsfrage für
Herrn Kraus von einigem Interesse sein könnte.
Ich zeichne
hochachtungsvoll