An die
Generalprokuratur,
Wien.
Dr. Samek
als Anwalt des
Privatanklägers
Karl
Kraus,
Schriftsteller
in Wien, III. Hintere Zollamtsstrasse 3
1 fach
bittet um Einleitung einer
Nichtigkeitsbeschwerde zur
Wahrung des Gesetzes gemäss
§ 292 St.P.O.
In der Strafsache über Anklage
des
Privatanklägers Karl Kraus gegen
den verantwortlichen
Schriftleiter der „Stunde“ Dr. Fritz Kaufmann G.Z.
U I 237/26 des Strafbezirksgerichtes I in Wien wurde
der Beschuldigte Dr. Fritz Kaufmann schuldig erkannt,
in 30 Fällen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Iin Wien vom 27. April
1926 G.Z. U I 286/25/17 nicht
veröffentlicht zu haben, hiedurch
in 30 Fällen die
Übertretungen
nach § 24 Abs. 6 Press
Ges. begangen zu
haben und wurde nach dieser Gesetzesstelle unter An
wendung des § 267 St.G. zu einer Geldstrafe in der
Höhe von S 60.–, im
Nichteinbringungsfalle zu einer
Arreststrafe in der Dauer von 3 Tagen verurteilt.
In den Urteilsgründen wurde
ausge
führt, dass
bei der Strafbestimmung trotz des Wortlau
tes des § 5 Press Ges. auf § 267 St.G. Bedacht genommen
und auf eine einzige
Kumulativstrafe erkannt wurde,
weil nach der Entscheidung des Obersten
Gerichtshofes
vom 5. Jänner 1925 O.s IV 472/24
die Anwendbarkeit des
§ 5 Press Ges. nur dann gegeben erscheine, wenn es
sich um mehrere von einander
verschiedene Übertretungen
des
Press Gesetzes handle.
Die Berufung des Privatanklägers
punkto Nichtigkeit, gestützt auf
§ 281 Z. 11 St.P.O.
wurde als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Urteilsgründe führen aus,
dass
der geltend gemachte
Nichtigkeitsgrund nach § 281 Z. 11St.P.O.
nicht vorliege, weil es sich lediglich um die
Fortsetzung einer und derselben
strafbaren Unterlassung
handle, welche Gegenstand der
nämlichen Untersuchung und
Aburteilung war, weshalb für die Strafbemessung lediglich
der Erschwerungsgrund nach § 263a St.G. vorliege. Dem
stehe auch die Bestimmung des § 25 des Press Ges. nicht
entgegen, da sich diese Gesetzesstelle nur auf entgelt
liche Ankündigungen
beziehe.
Da nach meinem Dafürhalten die
oberstge
richtliche
Entscheidung hier missverständlich auf einen
Fall angewendet wurde, für den
sie nicht beabsichtigt
war, bitte
ich um Einleitung der Nichtigkeitsbeschwerde
zur Wahrung des Gesetzes.
Ich will es dahingestellt
lassen, ob tat
sächlich durch den § 5 des Press Ges. die Vorschrift des
§ 267 St.G. nur in der Weise abgeändert worden ist, dass
wenn jemand in ein und demselben
Urteil schuldig erkannt
wurde,
sich gegen mehrere unter sich verschiedene Straf
bestimmungen des Press
Ges. vergangen zu haben, von denen
jede für sich mit einer Geldstrafe bedroht ist, die Stra
fe nicht nach
derjenigen verletzten Vorschrift zu bemes
sen ist, welche die
höchste Geldstrafe bestimmt, sondern
mehrere Geldstrafen nebeneinander
zu verhängen sind. Die
Vorschrift
des § 267 St.G. wurde eben nicht nur durch
den § 5 des Press-Ges., sondern auch durch die §§ 24
und 25 des Press Ges. abgeändert. Es wäre sinnlos von
dem Gesetzgeber im § 24 Abs. 6 das Erscheinen jeder
weiteren Nummer der Zeitung vor
Erfüllung der Verpflich
tung zur Veröffentlichung als eine Übertretung zu er
klären, für die der
verantwortliche Schriftleiter zu
bestrafen ist, wenn die Fortsetzung des Deliktes nur
eine Gesamtstrafe zur Folge haben
könnte. Der § 25 Press-
Ges. spricht noch dazu
ausdrücklich davon, dass der ver
antwortliche Schriftleiter für jede vor Er
füllung der
Verpflichtung er
schienene Nummer wegen Übertretung zu
bestrafen ist.
Ich glaube noch darauf hinweisen
zu müssen,
dass durch die von mir
für unrichtig gehaltene Rechts
ansicht dieser Entscheidungen dem Missbrauch durch die
Presse Tür und Tor geöffnet wird
und der verantwortliche
Schriftleiter geradezu ermuntert wird, sich über seine
Verpflichtung zur
Veröffentlichung hinwegzusetzen.
Dr. Oskar Samek
als Anwalt des Herrn Karl Kraus.