Die StundeDie Stunde, 28.4.1925War Karl Kraus ein schönes Kind? [28.4.1925]


G.Zl. U I 224/26


An das
Strafbezirksgericht I in Wien.


Privatankläger: Karl Kraus,
durch:


Beschuldigter: Dr. Fritz Kaufmann,


wegen § 30 P.G.
1 fach
2 Beilagen


Antrag auf Ablehnung des verhandelnden Richters.


Ich lehne den Richter Hofrat Christoph Höflmayr, der
die auf den 21.Oktober vor dem Strafbezirksgericht I angesetz
te Verhandlung gegen den verantwortlichen Redakteur der „Stunde“ wegen Uebertretung nach § 30 P.G. leiten soll, wegen Befan
genheit ab und ersuche, einen anderen Richter mit der Durch
führung dieser Verhandlung zu betrauen. Ich begründe diese Ab
lehnung und dieses Ersuchen durch den Hinweis auf die Argu
mente, die ich in der beigelegten Schrift „ Die Stunde des Todes“ („Die Fackel“ Nr. 732–34, August 1926, S. 50 und 51) aus
geführt habe. Ich habe dort die enormen Schwierigkeiten dar
gestellt, die der unerlässliche juristische Kleinkampf inner
halb jener Polemik gegen das Uebel der „Stunde“ mit sich ge
bracht hat, innerhalb des grossen Kampfes, der nunmehr durch
die Verhaftung der Erpresser, die Vertreibung ihres Auftraggebers und die Bändigung der Infamie zu einem siegreichen
Abschluss geführt erscheint. Dieser unerlässliche juristische
Kleinkampf bezog sich auf die vielfachen Gesetzesübertretun
gen der „Stunde“, die in Gestalt der bekannten Vernachlässi
gung der Obsorge wie wegen Nichtaufnahme einer Berichtigung
vor das Bezirksgericht kamen, vor allem aber auf jenen schänd
lichen Bilderunfug, den man infolge der Ausflucht der vor
Gericht leugnenden und hinterher mit der Tat renommierenden
Täter wieder bloss an dem verantwortlichen Redakteur fassen
konnte. Diese Prozesse sind vor dem Strafbezirksgericht I ent
weder schon zur Austragung gelangt oder dortselbst noch anhängig.
In den Fällen nun, wo die Entscheidung in den Händen des Rich
ters Hofrat Höflmayr gelegen war, hat er durch seine Haltung
bis zum Urteil unverkennbar zu verstehen gegeben – wofür Zu
hörer der Verhandlung als Zeugen namhaft gemacht werden kön
nen –, zu welcher Partei hin sich seine Sympathien zuneigten.
Er hat – so absurd angesichts der Gemeinverständlichkeit
des Uebels auch nur der Gedanke an eine Voreingenommenheit
zu dessen Gunsten berühren musste – unverkennbar dargetan,
dass er diese Klagen als Querelen, diese Prozesse nicht als
den kärglichsten Ausdruck der Notwehr gegen eine Kulturpest,
nicht als Verdienst in einer wahrhaft patriotischen Aktion
zur Befreiung Wiens, sondern einfach als Behelligung der Justiz
empfand. Er hat dies nicht nur durch seine Haltung während
der Verhandlung dargetan: durch völlige Indulgenz gegenüber
den in der Verhandlung fortgesetzten bübischen Attaken, durch
eine Art sichtlich schonungsvoller Vermahnung, die eher ein
Gewährenlassen des Angriffes bei gelindem Tadel der Form zu
bekunden schien und die im Bericht des Revolverblattes als
richterliche Zustimmung verzeichnet werden konnte, ohne dass
sich der Richter zu einer amtlichen Richtigstellung bewogen
gefühlt hätte. Dieser Haltung entsprach auch ganz und gar
das Urteil, das innerhalb der leider so dürftigen Sanktionen
des Pressgesetzes oft noch unter das Minimum einer Strafbe
messung hinabging, deren Maximum doch als die mässige Remedur
für die Verleugnung der Tat und für den Mutwillen der Vertei
digung erschienen wäre. In einem Falle, wo der beeidete Sach
verständige die dolose Entstellung von urteilsmässig zu ver
öffentlichenden Photographien klipp und klar bestätigt und
die windigen Ausreden auf Zufälle des Rotationsdrucks glatt
zurückgewiesen hatte, ging Herr Hofrat Höflmayr unter das ge
setzliche Minimum auf eine Strafe von sage 3 Schilling her
unter, wofür er „als erschwerend nichts“, „als mildernd das
Geständnis“ annahm, wiewohl das diametrale Gegenteil eines
solchen vorlag und als erschwerend alles anzurechnen gewesen
wäre. Denn „gestanden“ hatte der Angeklagte lediglich, was nicht
zu leugnen war, weil es der Augenschein ergab: dass die Bil
der entstellt erschienen waren. Nicht gestanden, ja geleugnet
hat er, dass die Entstellung planmässig herbeigeführt war.
Somit hat Herr Hofrat Höflmayr in diesem Falle eine Ableug
nung als Geständnis gewertet. Dass diese Verhandlungen den
Eindruck machten,als wäre die Justiz den Schlichen und Finten
des Presswesens wehrlos ausgeliefert und der Spielball einer
neuen Spezies, für die keine der vorhandenen Normen zulangt:
das mag auf die richterliche Individualität zurückzuführen
sein und auf die oft bemerkte Fremdheit, mit der dieser Richter einem grossstädtischen und mit allen Schikanen arbeitenden
Gewerbe gegenübersteht und die ihm menschlich gewiss nicht
zum Tadel gereichen soll. Dass er aber auch – so unvorstell
bar diese Erscheinung ist – von einer sichtlichen Befangenheit
in allem geleitet war, was die Leute der „Stunde“ betraf, ist
keinem Zuhörer der Verhandlungen verborgen geblieben. Diese
Erscheinung musste umsomehr auffallen und umso sonderbarer
berühren, als damals die Haltung des ganzen offiziellen Wien
zwar von der Furcht vor der „Stunde“ und deren unberechen
barer Schurkenhaftigkeit bestimmt wurde, aber diese Empfin
dung doch keineswegs mit Sympathie gepaart war, sondern im
Gegenteil mit unverkennbarer Verachtung. Man hätte sich in
jener Zeit eher nicht gewundert, wenn einem Richter bei aller
Neutralität, die ihm sein Amt zur Pflicht macht, die Geduld
gerissen wäre, und vermutlich hätte ein Mann wie der einstige
Vorstand des Strafbezirksgerichtes I Hofrat Heidt dem mensch
lichen und moralischen Antrieb nicht widerstanden, angesichts
des in die Verhandlung fortgesetzten Treibens, in Führung und
Urteil auch der Empörung einer ganzen Stadt gerecht zu werden.
Der Richter Hofrat Höflmayr hat nie verborgen, dass er im
Gegenteil eben die Journalistik als öffentliche Meinung ernst
nahm, von der kürzlich, wenngleich spät genug, ein bürgerliches
Blatt wie die Neue freie Presse schreiben konnte, sie sei
„die infamste Publizistik, die zu irgend einer Zeit und in
irgend einem Lande jemals am Werke war“. Der Richter HofratHöflmayr hat nicht erkannt, welches System da vor seinen
Richterstuhl gestellt war, dessen Vertreter zwar ihre Taten, so
lange sie ihnen nicht verjährt schienen, in Abrede stellten,
welches aber durch das nachträgliche und stolze Bekenntnis
eines solchen treffend charakterisiert erscheint, er sei „der
Generalissimus der Rotzbüberei“ gewesen. In keinem der Fälle,
wo eben diese vor ihrem Richter stand, hat er sich für befangen
erklärt, wohl aber zuweilen für unzuständig und auf eine Art,
dass der Abbruch der Verhandlung dem Sensationsgeschäft in
heilloser Art Vorschub geleistet hat, bis das Landesgericht
zum Rechten sah und die Rückleitung an das Bezirksgericht
anordnete. Hofrat Höflmayr hat, da seine Instanz fast ausschliess
lich mit den Angelegenheiten des verantwortlichen Redakteurs
der „Stunde“ zu tun hatte – denn ausser den meinigen liefen und
laufen ja noch zahllose andere, auf alle mögliche Weise ver
schleppte Pressprozesse gegen dieses Blatt –, eines Tages den
Beschluss gefasst, diese divergentesten Fälle samt und sonders
an einen laufenden Schwurgerichtsprozess anzuschliessen. Wiewohl
nun die Ratskammer diesem Schritt entgegentrat, hat er bei einer
neuen Gelegenheit ihn wiederholt, der bis zur Wiederholung der
Zurückweisung nichts bewirken kann als den Aufschub des Urteils
spruches über den verantwortlichen Redakteur der „Stunde“. Ich
glaube nicht, dass angesichts der unmissverständlichen Meinung
des Landesgerichtes und des klaren Wortlautes des § 57 StPO.
spezielle juristische Bedenken des Herrn Hofrats Höflmayr
hier in Erscheinung traten, sondern vielmehr die prinzipielle
Abneigung, Richter in so vielen Prozessen gegen die „Stunde
zu sein, was ihm eben, aus welchem Grunde immer, lästig ist. Aus
nahmsweise hat er sich freilich in jenen Fällen, wo die Staatsanwaltschaft nach § 26 wegen Nichtkenntlichmachung bezahlter
redaktioneller Einschaltungen anklagte, für kompetent erklärt,
hier einen Anschluss an das Verfahren beim Landesgerichte
nicht verfügt und jedesmal den verantwortlichen Redakteur der
Stunde“ freigesprochen. Wesentlich anders wieder verhielt sich
Herr Hofrat Höflmayr in einem andern Offizialfall, nämlich
gegen den verantwortlichen Redakteur der „Roten Fahne“. Die
sem hat er wegen Vernachlässigung der pflichtgemässen Obsorge
8 Tage Arrest gegeben, nicht ohne auch während der Verhandlung
gegenüber dem Angeklagten einen Ton privater Ironie anzu
schlagen, die bei Verlesung des inkriminierten Artikels in
Randbemerkungen wie „Sehr geistreich!“ zum Ausdruck kam. Der
Umstand, dass hier ein Offizialdelikt vorlag, war bei der
Strafbemessung gewiss mit Recht erschwerend, wenngleich für
Hofrat Höflmayr nicht bestimmend, der in einem Fall, welcher
die Beleidigung der Regierung und öffentlicher Körperschaften
betraf, einem anderen verantwortlichen Redakteur die wohldo
sierte Strafe von 9 Schilling zuerkannt hat. Ganz gewiss ist
es aber nie vorgekommen, dass er bei Verlesung von inkriminier
ten Artikeln der „Stunde“, die doch das Aeusserste an Unflätig
keit enthielten, wie in jenem Fall der „Roten Fahne“ Stellen,
die ihm wider das persönliche Gefühl gingen, ausgelassen oder
mit geringschätzigen Randbemerkungen versehen hätte.


Ob Herr Hofrat Höflmayr überhaupt die notwendige press
richterliche Energie für eine so grosse Stadt mit so ver
wilderten Presssitten vorstellt, hat in diesem Antrag nicht
erörtert zu werden. Dass er in Verhandlungen gegen den ver
antwortlichen Redakteur der „Stunde“ nicht als der geeignete
Richter erscheint, obwohl er sich bisher zwar für inkompetent,
aber noch nicht für befangen erklärt hat, ist nicht nur mein,
einer Prozesspartei, Eindruck, sondern der Eindruck aller, die
den Verhandlungen und nicht bloss meinen Verhandlungen beige
wohnt haben. Dies habe ich in der beigelegten Schrift auf eine
Art zum Ausdruck gebracht, die an Deutlichkeit nichts zu wün
schen übrig lässt. Der Schlusssatz des Passus, der sich auf die
Rechtsprechung des Hofrats Höflmayr bezieht, spricht die Hoff
nung aus, „dass er nach dieser Klarlegung, für noch ausstehende
Urteile seine Befangenheit erkennen wird“. Herr Hofrat Höflmayr
hat diese Hoffnung bisher nicht erfüllt, sondern abermals die
Leitung eines Prozesses gegen die „Stunde“ übernommen. Wäre
aber selbst alles, was in jener Schrift gesagt ist, unrichtig
und auf meine Befangenheit gegen den Richter zurückzuführen,
so müsste doch die Veröffentlichung den behaupteten Zustand
seiner Befangenheit herstellen. Es ist schlechterdings undenkbar,
dass, wenn Herr Hofrat Höflmayr selbst den ausgesprochenen Wil
len hätte, dem verantwortlichen Redakteur der „Stunde“ mit dem
juristischen und moralischen Mass, das ihm ehrlich angepasst
scheint, zuzumessen, er dem Sprecher jener Worte gegenüber weiter
hin unbefangen sein sollte. Es ist aber auch schlechterdings
undenkbar, dass er nicht selbst die menschliche Unmöglichkeit
erkennt, nach einer solchen Auseinandersetzung und vollends nach
diesem Antrag noch unbefangen zu richten, und nicht die gesell
schaftliche Unmöglichkeit, noch richten zu wollen. Der auf den
21. Oktober angesetzte Prozess betrifft einen Fall, der wie kein
vorhergegangener den moralischen Abgrund dieser „Stunden“-Welt
demonstriert, vollends dadurch, dass die ungeheuerliche Beschul-
digung – meines Versuchs der Beamtenbestechung – von der
Stunde“ wider besseres Wissen und mit vollkommener Plan
haftigkeit aufgestellt, wieder nur auf eine Vernachlässigung
der Obsorge hinausläuft, die niemals weniger vernachlässigt
wurde, und dies nach allen Listen und Hilfen einer Ver
schleppung durch ein volles Jahr. Der Richter Hofrat Höflmayr
hat gegenüber der offenkundigen Verlogenheit einen „Wahr
heitsbeweis“ gegen mich fast angeregt, und in einer Sache,
deren Untersuchung schliesslich ergeben hat, dass die mir
vorgeworfene Tat eben den Kreisen zur Last fällt, die den
Vorwurf in der Absicht der Verdunkelung, der Sensation wie
aus purer Lust an der Büberei gegen mich erhoben hatten. Ich
hege die Befürchtung, dass diese Schandtat, die selbst in der
Geschichte der Revolverjournalistik einzig dasteht und deren
Brandmarkung im Gerichtssaal die Erkenntnis der Sphäre we
sentlich fördern könnte, wieder mit ein paar Schilling davon
kommen werde, ohne dass der Oeffentlichkeit von den Ergebnis
sen des Beweisverfahrens die erwünschte Kenntnis in der Ver
handlung selbst zuteil wird. Ja ich muss befürchten, dass nicht
einmal dieses Resultat erzielt wird, sondern dass Herr HofratHöflmayr dem zu erwartenden Antrag der Verteidigung auf An
schluss an jenes Schwurgerichtsverfahren stattgibt und so
bis zur sicheren Abweisung durch die Ratskammer eine neuer
liche Verschleppung herbeigeführt wird. Ich stelle den Antrag,
den Richter, dessen bisheriges, durch meinen ganzen Kampf hin
durch beobachtetes Verhalten solche Befürchtungen zulässt,
von der Funktion in dieser Sache zu entheben. Ich stelle den
Antrag, sie einem Richter zu übertragen, vor den ich als An
kläger nicht mit der unmöglichen Empfindung treten muss, ihn
durch die Anklage zu verstimmen, sondern in dem Bewusstsein,
dass in der Verfolgung eines sittlichen Zieles die Justiz
eine Hilfe ist und kein Hindernis. Sollte sich durch einen so
natürlichen Wunsch und durch den Antrag, der sich auf ihn
gründet, der Richter Herr Höflmayr zwar nicht in seiner rich
terlichen Unbefangenheit, aber wider Erwarten in seiner per
sönlichen Ehre berührt fühlen, der nahezutreten der wahrhaften
Darstellung einer leider vorhandenen Tatsächlichkeit fernliegt,
so erwarte ich die Erhebung der Anklage, um vor der Oeffent
lichkeit zu beweisen, dass die Annahme seiner Befangenheit
begründet war. Ich werde zu diesem Zweck, mit dessen Erfüllung
ich durchaus in der Linie meines Kampfes gegen die Entartung
des Presswesens bleibe, alle erforderlichen Beweismittel bei
bringen: die Protokolle der Verhandlungen, die Urteile, die Be
richte des Blattes, dessen verantwortlicher Redakteur der Angeklagte ist, die Aussagen von Zeugen über die sichtbare Haltung
des Richters und von solchen, denen Aeusserungen seiner sym
pathischen Gesinnung für die Person dieses Angeklagten bekannt
geworden sind.


Karl Kraus


Als Beweis für die in diesem Antrage behaupteten Tat
sachen führe ich an:


1.) Zum Nachweis der völligen Indulgenz gegenüber
den in der Verhandlung fortgesetzten bübischen Attaken den
Bericht in der „Stunde“ über die Verhandlung vom 26.IV.1925
veröffentlicht in der Nummer vom 28.IV.1925, laut welchem
der Beschuldigte es wagen durfte, die entstellende Retouche
des Bildes als die individuelle Auffassung des Reproduzieren
den darzustellen und zur Vertretung seiner Ansicht, dass es
sich hienach um eine Meinung und nicht um einen Tatsachenbe
richt handle, folgendes zu sagen: „Karl Kraus war schon in
seiner frühesten Jugend ein ausgesprochen miesser Bocher. Er
hatte einen Mund, der schier von einem Ohr zum andern reichte,
eine auffallend hässliche Nase und abnormal grosse Plattfüsse.
Man könnte natürlich das, was das Bild zeigt, noch weiter fort
spinnen …“ Diese Ungeheuerlichkeit, die mit dem Sinn der
Verantwortung gar nichts zu tun hatte, wurde von dem Vorsitzen
den Hofrat Höflmayr nicht etwa disziplinär behandelt, sondern
nur mit der Bemerkung unterbrochen, dass das „bisher vom Ange
klagten Gesagte zur Exemplisierung genügen dürfte“; als der
Angeklagte in demselben Ton weiter fortfuhr, wurde er überhaupt
nicht mehr zurecht gewiesen.


2.) Zum Nachweise des Herabgehens unter das gesetzliche
Strafminimum und die befangene Anwendung von Milderungsgründen
verweise ich auf das Urteil gegen den Angeklagten Ernst Ely,
vertreten durch seinen Machthaber Dr. Fritz Kaufmann vom 7. Ok
tober 1925, G.ZI. U I 223/25 und die vorhergehenden Verhand
lungsprotokolle.


3.) Zum Nachweise des Umstandes, dass Herr Hofrat Höflmayr
trotz einer einmal bereits erfolgten Ausscheidung aus einem
landesgerichtlichen Akt eine bei ihm anhängige Angelegenheit
neuerlich einem landesgerichtlichen Akt anzuschliessen versuch
te, wo es sich um eine für den Beschuldigten Dr. Fritz Kaufmann
voraussichtlich mit einer Verurteilung endende Strafsache
handelte, während er eine nach § 26 P.G. anhängige Angelegenheit
nicht dem Landesgericht abtrat, führe ich die zu beschaffenden
Akten der Abteilung I an, die in den letzten drei Monaten zur
Verhandlung gekommen sind.


4.) Zum Nachweis, dass Hofrat Höflmayr einen mir im übri-
gen äusserst erwünschten „Wahrheitsbeweis“ trotz Fehlen ei
ner klaren Behauptung des Beschuldigten, was er beweisen
wolle, gegen mich fast angeregt hat, verweise ich auf den ge
genständlichen Prozessakt und insbes. auf die Divergenz in
der Haltung des Beschuldigten, der vor dem Landesgerichte
sich damit verantwortete, dass „Herrn Karl Kraus in dem Arti
kel die in der Anzeige beanständete unehrenhafte und angeb
lich unwahre Handlung gar nicht vorgeworfen“ sei. In der Ver
handlung vor Hofrat Höflmayr aber sagte er zuerst, er „könne
wohl nicht beweisen, dass Herr Kraus jenem Dr. Rosenberg eine
Vollmacht gegeben habe, wohl aber wolle er beweisen, dass
sich Dr. Rosenberg auf eine Vollmacht des Herrn Kraus berufen
habe“: – was ja selbst, wenn es wahr gewesen wäre, zum Beweise
der in den inkriminierten Artikeln Herrn Kraus zum Vorwurf
gemachten Handlungen niemals genügen könnte. – Erst als der
Beschuldigte sah, dass eventuell Herrn Hofrat Höflmayr dieser
Antrag zur Zulassung des Wahrheitsbeweises doch nicht genü
gen könnte, was aus der Art seiner Stellungnahme zu dem An
trag ersichtlich war, ergänzte er seine Verantwortung dahin,
dass er mit Hilfe des Dr. Rosenberg einen Zusammenhang mit
Herrn Kraus herstellen wolle, was dem Richter bereits zur
Deckung der inkriminierten Beleidigungen genügt hat.


Karl Kraus
durch Dr. Oskar Samek


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