Die StundeDie Stunde, 10.12.1925Das Ende der Herrschaft Doktor ZimmermansDem Kiebitz ist nichts zu teuer oder Karl Kraus denunziert schon wieder die Sozialdemokraten


G.Z. U XII 71/26
5


Zeugenvernehmung
13.II.1926 11h
Dr. Desider Szilagyi.
35 J.
Ungvar, C.Sl.
mos.
ledig
Redakteur der „Stunde
III. Reisnerstrasse 5


Ich weiß nichts drüber, wieso
der gegenständliche Brief in der
Stunde“ publiziert wurde, weiß
nichts über die Personen, die diese
Publikation verfügt oder veranlaßt
haben oder dabei beteiligt waren.
Auch der Verfasser des Artikels ist
mir nicht bekannt.


V.g.g.
Dr. Desider Szilagyi m.p.
Dr. K F


G.Z. U XII 71/26/6


Zeugenvernehmung
13.II.1926 3/4 12h
Ludwig Hoffenreich
23 J.
Wien
r.k.
l.
Redakteur der „Stunde
XVII. Sautergasse 56


Ich bin lediglich Bilderredakteur
der Stunde und habe mit dem redak
tionellen Teil des Blattes nur inso
weit zu tun, als es sich um Beschaffung
von Bildern für Artikel, die im re
daktionellen Teil der Zeitung erscheinen,
handelt.


Da die Bilderredaktion sich
im 5. Stockwerk der Druckerei befindet
und Redaktion des Blattes im
1. Stockwerk untergebracht ist, habe
ich wenig Gelegenheit die Wahr
nehmung zu machen, die jedem andern
Redakteur des Blattes als Selbstver
ständlichkeit vorkommen.


Aus diesem Grunde ist es mir
gänzlich unbekannt, wer der
Verfasser des fraglichen Artikels ist,
insbesonders ist es mir nicht bekannt,
wer den fraglichen Brief über
bracht hat, bezw. wer ihn in der
Redaktion übernommen hat.


Über die Angelegenheit ist
mir weiters nichts bekannt.


Vgg.
Dr. K F
Ludwig Hoffenreich m.p.


U XII 71/26
7.


Zeugenvernehmung
13.II.1926 1220
Michael Biro
39 J.
Budapest
konf.los
verh.
akad. Maler, künstl. Leiter
der Bühne
Hotel Müller I. Graben 19.


Da ich mit dem redaktionellen
Teil der „Stunde“ nichts zu tun
habe, ist mir über die Täter
schaft resp. Mittäterschaft derjenigen
Personen, die den betreffenden Artikel verfaßt und zum Druck
befördert haben, absolut nichts
bekannt.


Michael Biro. m.p.
Dr. K
F V.g.g.


G.Z. U XII 71/26
8


Zeugenvernehmung
13./2. 1926 Beginn 1 Uhr
Bela Köhalmi
41 Jahre
Budapest
r.k.
verh.
Redakteur der „Bühne
XVIII. Währingerstrasse 121


Über das gegenständliche
Faktum kann ich nichts angeben,
da ich lediglich Bilderredakteur
der „Bühne“ bin und dem redak
tionellen Teile der „Stunde“ fern
stehe.


Bela Köhalmi m.p.
Dr K F


a tergo:
Ges.
Zeuge Ernst Ely u. Emmerich Bekessy u.u.
(Zu U XII 1902/25 entschuldigt) –


Zeugin Leopoldine Greif u.u.
F


G.Z. U XII 71/26
9


Zeugenvernehmung
16./II 1926 3/4 2 Uhr
Emmerich Bekessy
38 J.
Budapest
evang. A.B.
verh.
Herausgeber der „Stunde
VI. Linke Wienzeile 88


Ich weiß nicht, wer die
Veröffentlichung des gegenständlichen
Bildes verfügt oder veranlaßt
hätte oder wer daran beteiligt war.
Ich weiß auch nicht, wer den Artikel
Dem Kiebitz ich nichts zu teuer“ ver
faßt hat.


V.g.g. Emmerich Bekessy m.p.
F


G.Z. XII 71/26
10


Zeugenvernehmung
18./2. 1926 Beg. 3/4 2 h
Ernst Ely
48 J.
Wien
mos.
ledig
Chefredakteur der „Börse
IV. Kühnplatz 4


Ich lehne es ab, als Zge. in der
vorstehenden Angelegenheit Angaben zu
machen, da ich der Ansicht bin, daß auch
vorliegendenfalls – obwohl es sich um
einen urheberrechtlichen Tatbestand handelt –
die Bestimmung des § 45 Preß.Ges. in An
wandlung kommt. Auf das Entschlagungs
recht nach § 153 Stg berufe ich mich nicht.


Vgg.
Ernst Ely mp.
F


U XII 71/26
11


Zeugenvernehmung
18./II 1926 2'15h
Leopoldine Greis
30 J.
Wien
rk.
ledig
Redaktionssekretärin
IX. Dietrichsteing. 4


Ich weiß nichts darüber, wer
die Veröffentlichung des gegenständlichen
Briefes verfügt oder veranlaßt hat,
oder wer daran beteiligt war.


Ich glaube überhaupt nicht, daß
ein Originalbrief von Karl Kraus
der Redaktion vorgelegen ist; denn
in diesem Fall wäre er wahrschein
lich im Klischee reproduziert worden.


Vgg.
Leopoldine Greis.
F


G.Z. U XII 71/26
12


Zeugenvernehmung.
16. Juli 1926 Beginn 10h 25'
Richter: Dr. Fuchsig O.L.G.R. Ende 10h 35'
Dr. Paul Stefan
47 J.
Brünn
r.-k.
v.
Redakteur der „Stunde“ und „Bühne
VIII. Hamerlingplatz 7.


Der ganzen Angelegenheit stehe ich fern,
da ich Kunstkritiker insbes. Musik
kritiker, bin. Ich stehe nicht im internen
Redaktionsverhältnis, sondern steuere
nur einzelne Berichte, Kritiken etc.
bei. Ich komme machnmal sogar
tagelang nicht in die Redaktion,
da ich zur Anwesenheit daselbst nicht
verpflichtet bin. Ich weiß nicht wer
den Brief der „Stunde“ übergeben
hat, – ebenso weiß ich nicht, wer
den Artikel schrieb. Ich halte mich
überhaupt von der ganzen An
gelegenheit der „Stunde“ mit KarlKraus aus prinzipiellen Gründen vollkommen
fern.


Dr. Paul Stefan mp.
G


U XII 71/26
13


Zeugenvernehmung
16. Juli 1926 10h 35'
Ende 10h 45'
Hans Liebstöckl
54 J.
Wien
r.k.
v.
Chefredakteur der „Bühne
IV. Mühlgasse 9.


Ich halte mich nur selten in
den Redaktionsräumen der „Stunde
auf u. war mit der rein redak
tionellen Herstellung des Blattes
nie in Berührung. Ich war nur
verpflichtet, ständig im redaktionellen
Teil des Blattes mitzuwirken. Mir
ist nicht bekannt, wer der „Stunde
diesen Brief zur Verfügung stellte,
ebenso wenig weiß ich, wer den
Artikel schrieb. Da ich Theater
kritiker der „Stunde“ bin, sende ich
meine Referate durch einen Diener
in die Redaktion u. komme nur
selten persönlich dorthin.


Hans Liebstöckl m.p.
Dr. [¿]


U XII 71/26
14


Zeugenvernehmung
6. August 1926 Beginn 10 Uhr
Ende 10 Uhr 10 Min.
Dr. Erich Krünes
35 J.
Aussig, Böhmen
r.k.
v.
Journalist, bei Verlag August Scherl
VIII. Wickenburgg. 10


Ich bin im Oktober 1925 aus
dem „Kronos“-Verlag ausgeschieden,
war dann eine Zeitlang in Berlin
u. bin erst seit 1. Dezember 1925 als
Vertreter des Verlages Scherl
wieder in Wien. Ich war also
zur kritischen Zeit nicht mehr in
der Redaktion der „Stunde“ tätig u.
weiß also nicht, wer den Brief
der „Stunde“ übergab, ebenso
nicht, wer den Artikel schrieb.


Aus dem Stil läßt sich der
Verfasser auch nicht schließen.


Dr. Erich Krünes m.p.
[Unterschriften]


G.Z. XII. 71/26
15


Zeugenvernehmung
10. September 1926
Beginn 12h 55'
Ende 1h 20'
Dr. Fritz Kaufmann
16./8. 1896 geb.
Wien,
konf.los
verh.
Redakteur der „Stunde
VIII. Piaristengasse 56.


Bezüglich dieses Artikels „DemKiebitz ist nichts zu teuer“ ist mir
aus dem Grunde nichts bekannt,
da ich zu dem Zeitpunkte seit
einigen Tagen in Genf war, was
auch aus dem Artikel auf Seite 3
Das Ende der Herrschaft Dr Zimmermanns“ zu ersehen ist und Dr.Siegelberg nur dann verantwortl.
Schriftleiter des Blattes war, wenn
ich nicht in Wien war. Mit Rück
sicht auch die lange inzwischen ver
strichene Zeit sind mir Details
nicht mehr in Erinnerung.


Dr Fritz Kaufmann m.p.
[Unterschriften]


U XII 71/26
11


B.
Strafsache 1.) Dr. Marc Siegelberg
2.) U. T.
wegen Übertretung nach § 45 Abs. 4 Urh.Ges.
Über den Zeugen Ernst Ely, Chefredakteur
in Wien, IV. Kühnplatz 4, der sich ohne ge
setzlichen Grund geweigert hat, ein
Zeugnis in der obenbezeichneten Straf
sache abzugeben, wird gem. §§ 166, 88,Stg eine Geldstrafe von 20 (zwanzig) S,
im N.E. Falle 24 St Arrest verhängt.


Begründung.
Der Zeuge Ernst Ely hat die Ablegung
seines Zeugnisses unter Berufung
auf die Bestimmung des § 45 Preß.Ges.
verweigert. Nach dieser Bestimmung
sind alle jene Personen, die bei der
Herstellung einer Zeitung berufsmäßig
mitwirken, in einem Strafverfahren,
das wegen des Inhaltes der Zeitung
eingeleitet worden ist, … von der
Verbindlichkeit zur Ablegung des Zeug
nisses befreit. Vorliegendenfalls handelt
es sich nun um eine Übertretung nach
§ 45 Abs. 4 UrhGes. begangen nach Inhalt der
Anzeige durch unbefugte Veröffentlichung
eines Briefes in Nr. 827 der „Stunde“.
Es kann unbestritten bleiben, daß der
Zeuge Ely dem Redaktionsverbande der
Stunde“ angehört, sonach zu jenen
Personen gehört, die bei der Herstellung
dieser Zeitung berufsmäßig mitwirken.
Denn die zweite, vom Gesetz geforderte
Voraussetzung, es müsse sich um ein
Strafverfahren handeln, das „wegen
des Inhaltes der Zeitung“ eingeleitet
worden sei, trifft hier nicht zu. Die
Wendung „wegen des Inhalts einer
Zeitung“ besagt, daß es sich um ein
Delikt handeln muß, das auch abge
sehen von der Veröffentlichung durch
die Presse einen strafbaren Tatbestand
darstellt, also ein Preßinhaltsdelikt.
Vorliegendenfalls handelt es sich
aber um ein Delikt, dessen Tatbestand
gerade in der Veröffentlichung be
steht u. das ohne Veröffentlichung über
haupt nicht existent ist. Da die Bestim
mung des § 45 Preß.Ges. als Ausnahms
bestimmung strikt auszulegen ist, ist
der vom Zeugen angezogene Ver
weigerungsgrund nicht gegeben.
Daß dem Zeugen durch die Ablegung
der Aussage ein Vermögensnachteil erwüchse
oder diese Ablegung ihm Schande brächte
(§ 153 Stg), hat der Zeuge nicht behauptet.
Die Verweigerung der Aussage ist sonach
gesetzlich nicht gerechtfertigt.


Gegen diesen B. steht die Be
schwerde an das L.G. f. Strfs. I. Wien zu.
Sie wäre innerhalb 3 Tagen nach
Zustellung dieses B. bei dem untenstehendenGericht einzubringen.


10.9.26 [Unterschrift]


B.
I. Über die ausgebliebenen Zeugen:
1.) Ernst Ely
2.) Anton Kuh
wird gem. §§ 159, 447 Stg eine
Ordnungsstrafe von je 20 S, im N.E.F.
je 24 St Arrest verhängt.


Dekret: 1.) Anton Kuh,
2.) Ernst Ely.


II. Laden als Zg. f. 16.X.26 Z. 37.
1/2 10h Anton Kuh, } unter Andrhg.
3/4 10h Ernst Ely } einer weiteren
Geldstrafe von 30 S
– 48 St Arrest – Vorführg.


11.X.26 [Unterschrift]