Sie schicken Herrn Karl Kraus eine dem
Press-Gesetz ent
prechende Berichtigung, der Sie gleichzeitig die „kollegiale Bitte“
beifügen, freundlichst
festzusteilen, dass Sie die in der Berichtigung
bestrittene Aeusserung „niemals nirgends und vor keinerlei
Ohren
getan haben“.
In dem gleichen Schreiben nehmen Sie Gelegenheit, „dem
Unmut Raum zu geben, den Ihre
(des Herrn Karl
Kraus) leichtfertige
und mich herabsetzende Behauptung in mir und bei meinen Freunden
geweckt hat“. So
bedauerlich es nun Herr Karl Kraus findet, dass eine
seiner Behauptungen in Ihnen und
bei Ihren Freunden Unmut geweckt
hat, als so wahrscheinlich geht aus dieser Stelle Ihres Schreibens
hervor, dass Sie auch über die
Reaktion auf Ihren Unmut Ihre Freunde
verständigt und dass also diese
von Ihrem Schreiben Kenntnis bekom
men haben. In diesem Fall würde
Ihr Schreiben, das ohnedies die Per
son, der es in die
Schreibmaschine diktiert ist, zum Mitwisser hat, die
Bedingungen einer gerichtlich zu
überprüfenden Ehrenbeleidigung (be
gangen durch den Vorwurf der
Leichtfertigkeit) durchaus erfüllen,
während es anderenfalls bloss
eine polizeilich zu ahndende Ehren
kränkung darstellen würde, die
eine Erforschung der Wahrheit, wie sie
das gerichtliche Verfahren durch
den Zeugniszwang ermöglicht, nicht
gewährleistet. Ich zweifle nicht, dass Ihnen die Möglichkeit, durch eine
Vernehmung von Zeugen die
Leichtfertigkeit und Unwahrheit der Be
hauptung des Herrn Karl Kraus zu
beweisen, auch sympathischer sein
wird als die rein formale
Berichtigung im Wege des Pressgesetzes,
die mein Mandant seinerseits der von Ihnen kollegial erbetenen
Feststellung, dass Sie die
Aeusserung niemals und nirgends und vor
keinerlei Ohren getan haben
vorziehen würde. Wiewohl ich mir in
jedem Falle vorbehalten möchte,
an Ihrem Schreiben das vom Straf
gesetz erforderte Merkmal der
Oeffentlichkeit darzutun, stelle ich
an Sie das Ersuchen, den Weg zur
richterlichen Entscheidung über
eine Beweismaterie, deren Erörterung Ihnen doch am Herzen liegt,
zu erleichtern und binnen acht
Tagen nach Empfang dieses Briefes
sich zum öffentlichen Charakter
Ihres Schreibens zu bekennen, wenn
Sie nicht innerhalb derselben
Frist lieber die Erklärung abgeben
wollten, dass Sie den gegen Herrn Karl Kraus erhobenen Vorwurf,
eine leichtfertige Behauptung
geschrieben zu haben, zurückzuziehen.
Hochachtungsvoll