Unter Hinweis auf unsere
telefonische Unterredung
ersuche
ich Sie, Herrn Kraus mitzuteilen, dass die Möglichkeit,
die Angelegenheit vor der Polizei
durchzuführen, auch durch
einen
Misserfolg bei der bezirksgerichtlichen Durchführung
nicht genommen ist, dass aber
nach meiner Ansicht bei dem fast
sicheren Misserfolg im bezirksgerichtlichen Verfahren das
sofortige Vergehen bei der
Polizei zweckmässiger wäre. Es w
i
ü
rde
ja nicht anderes übrig bleiben,
als die gesamte Redaktion und
etwa noch in Betracht kommende Leute als Zeugen abzuhören,
dass ihnen Herr L. den Brief mitgeteilt oder zu lesen gegeben
hat. Von diesen Leuten müssen
mindestens zwei diese Behauptung
bestätigen. Sollten aber diese Zeugen zwar von dem übrigen In
halt des Briefes, nicht aber von dem Vorwürfe der Leichtfertig
keit Kenntnis erhalten
haben, so könnte eine Verurteilung nicht
erfolgen. Da auf die Sache selbst
in diesem Verfahren vorerst
nicht
eingegangen, sondern lediglich der Beweis erhoben würde,
ob der Brief Mitwisser hat oder nicht, so ist für den Beweis
des Auskneifens des Herrn L. nichts Wesentliches getan, da
über die Wahrheit oder Unwahrheit
des Ausspruches des Herrn L.
erst dann ein Beweis zugelassen
würde, wenn die gerichtliche
Strafbarkeit feststeht und Herr L. einen
Wahrheitsbeweis antritt.
Ferner
spricht gegen das gerichtliche Verjähren die mit diesem
verbundene Kostenersatzpflicht im
Falle des Unterliegens. Wie
ich glaube, werden Zeugen der
Qualität, wie im vorliegenden
Falle, auch dann, wenn sie tatsächlich von dem Inhalte des Briefes genaueste Kenntnis
haben, durch alle möglichen Ausflüchte,
ja sogar durch falsche Aussagen
dies zu leugnen versuchen. Einen
Gegenbeweis zu führen wird bei der Sachlage unmöglich sein.
Wenn aber Herr Kraus hofft, dass
unter den in Betracht kommenden
Zeugen mindestens zwei sein werden, die wahrheitsgemäss aussagen
werden, dass sie den Brief gelesen oder dessen Inhalt zur Kennt
nis bekommen haben, so wäre
allerdings der Erfolg beim Bezirks
gericht ein grösserer, schon
dadurch, dass das Verfahren ein
öffentliches ist.
In dem Brief an den Advokaten des
Gegners muss nicht
gesagt sein, welchen Weg man
geht. Die Wahl bleibt einem
innerhalb von 6 Wochen stets offen. Herr Kraus hat mir
vor
seiner Abreise
gesagt, dass er mir seine Wünsche bezüglich
des Inhaltes dieses
Schreibens noch mitteilen wird; ich habe
daher vorläufig dem Advokaten
nicht geschrieben und ich
bitte Sie, Herrn Kraus dies in Erinnerung zu bringen.
Bei dieser Gelegenheit bitte
ich Sie auch, Herrn Kraus
mitzuteilen,
dass in der Sache Weininger die Ladung dem Beschuldigten nicht
zugestellt werden konnte, da er sich nach
der Auskunft des Postorgans
in Berlin befindet; das Verfahren
wird daher, wie mir der Richter, mit dem ich gesprochen habe,
mitgeteilt hat, abgebrochen
und nur auf Antrag wieder aufge
nommen werden, den ich
sofort stellen werde, wenn ich von
dem Aufenthalte des Herrn
Weininger in Wien erfahren werde.
Die Verjährung ist durch die
versuchte Zustellung unter
brochen und es ist nur eine
Frage der Zeit, wann die
Verhandlung durchgeführt werden kann.
Hochachtungsvoll
Samek