Der Affe ZarathustrasDer Affe Zarathustras (Karl Kraus). Eine Stegreifrede.


Dr. Schnepp
Strafbez. Ger. I U IV 570/26/12
14. Dez. 26


An das
Strafbezirkgericht I
Wien


Antragsteller:
Anton Kuh,
Schriftsteller
Wien III., Hotel Beatrix
durch: R.A. Dr. Friedrich Schnepp
IX. Porzellang. 22a
(Vollmacht ausgewiesen)


Berufungsausführung


1 fach


Ich habe gegen umseitig
rubriziertes Urteil
Berufung
pto. Nichtigkeit, Schuld und Strafe an
gemeldet, welche ich in offener Frist
folgendermaßen ausführe:


1) Nichtigkeit und Schuld


Ich mache den Nichtigkeitsgrund
gemäß § 9a, St.P.O. geltend.


Der Herr Erstrichter hat zu
Unrecht angenommen, daß die mir
zur Last fallende Tat eine durch
das Strafgericht verfolgbare Übertretung
begründe.


Die in meinem Vortrage
Der Affe Zarathustra“ vorgebrachten
Äußerungen, durch die sich der Privatankläger beleidigt fühlt, können nicht
als Übertretungen gemäß § 491 St.G.
angesehen werden, da die beleidigende
Absicht vollkommen fehlt.


Wie ich bereits vor dem Herrn Erst-
richter zu meiner Verantwortung
ausgeführt habe, ist zwischen dem
Privatankläger und mir eine li
terarische Fehde entbrannt und sind
die in der Privatanklage inkriminierten
Äußerungen als berechtigte Kritik,
nicht aber als Ehrenbeleidigungen
anzusehen. Es liegt im Wesen eines
literarischen Kampfes die Schwäche
des Gegners und seines Systems
zu brandmarken. Wird dies nach
Ansicht des Erstgerichtes als eine Ehren
beleidigung angesehen, so müßte jeder
literarische Krampf und jede Kritik
ein Ende finden.


Insbesonders ist aber zu unrecht
der Schuldspruch der Äußerungen
„Itzigseuche“
„die besten Witze hat er von mir“
„als Kraus vor ungefähr 30 Jahren –
er sagt vor 48 Jahren – nach Wien kam“
„von reinen Händen allein kann man
nicht leben“
„das nenne ich die Geburt des
Ethos an dem Geiste des Ases“
erfolgt.


Wie aus dem Inhalte der An
klageschrift selbst hervorgeht, habe ich
mit „Itzigseuche“ die Zustände bezeichnet,
die infolge Tätigkeit des Privatanklägers entstanden sind, wobei ich
ausdrücklich hervorgehoben habe, daß
diese möglicherweise sogar ohne Ver
schulden des Privatanklägers ent
standen sind.


Ich wollte daher mit der Be
zeichnung „Itzigseuche“ nicht den
Privatankläger selbst, sondern seine
Anhänger, die auch allein legitimiert
gewesen wären die Anklage zu erheben,
kennzeichnen.


Die Äußerung „als Kraus vor
ungefähr 30 Jahren – er sagt vor 48 Jahren –
nach Wien kam“ beinhaltet auch keine
Ehrenbeleidigung – da, wie ich schon
vor dem Herrn Erstrichter erklärte,
mir nicht darum zu tun ist, den
Privatankläger einer Lüge zu zeihen,
vielmehr wollte ich nur festhalten,
daß Kraus geistig zu den Boden
ständigen zählt, was ja an sich nichts
unehrenhaftes ist.


Die Äußerung „von reinen
Händen allein kann man nicht
leben“ ist ein geflügeltes Wort, welches
der Privatankläger selbst geschaffen
hat und beinhaltet ebenfalls keine Ehren
beleidigung. Ich habe durch dieses Vor
bringen niemals die Absicht gehabt
Behauptung aufzustellen, daß der
Privatankläger keine reinen Hände
habe, wollte vielmehr nur darauf
hinweisen, daß Ehrlichkeit allein keine
besondere Leistung, sondern etwas Selbst
verständliches sei, daher kein besonderer
Grund bestehe irgend jemand wegen
seiner Ehrlichkeit allein zu ver
herrlichen.


Zum Schuldspruche wegen
der Äußerung, „die Geburt des Ethos
aus dem Geiste des Ases“ ist der Herr
Erstrichter dadurch gekommen, daß er
meine Beweisanträge betreffend
die Bedeutung des Wortes „Ases“
abgelehnt hat und dem Worte
„Ases“ die Bedeutung zugrundelegte,
welche ihm der Privatankläger
gab ohne sich von der Richtigkeit
dieser Interpretation zu überzeugen.
Ebenso zu Unrecht ist die Ver
urteilung wegen des Vorwurfes
Kraus habe die besten Witze von mir“
erfolgt, da ich diesbezüglich den Wahr
heitsbeweis anbot, welcher unge
rechtfertigter Weise abgelehnt wurde.


2.) Strafe
Jedoch selbst für den Fall als
der Schuldspruch gerechtfertigt wäre,
erscheint die verhängte Strafe, mit
Rücksicht auch die schwerwiegenden
Milderungsgründe, denen
keine erschwerende Umstände
entgegenstehen, unverhältnismäßig
hoch. Es handelt sich im gegenständ
lichen Fall nicht um eine land
läufige Ehrenbeleidigung. Es war
niemals meine Absicht den Privatankläger persönlich zu verspotten.
Ich habe in Erfüllung meiner Pflicht
im Kampfe gegen eine nach meiner
Überzeugung für die Allgemeinheit
schädlichen Strömung, die Schwächen
dieser Strömung und deren Be
gründers an den Pranger gestellt,
worin nur eine berechtigte Kritik,
die überhaupt nicht strafrechtlich
verfolgbar ist, erblickt werden kann.


Wenn der Herr Erstrichter den
noch, der Ansicht war, daß ich
in der Ergänzung etwas zu weit
gegangen bin und daß daher
der Tatbestand des § 491 St.G.
vorliege, so wäre doch mit Rück
sicht auf diese mildernden Um
stände eine geringe bedingte
Strafe angemessen gewesen.


Ich stelle daher den
Antrag
das erstrichterliche Urteil aufzuheben
und mich von der Übertretung
gemäß § 491 St.G. freizusprechen,
eventuell die Strafe nach Ermessen
des hohen Berufungsgerichtes zu er
mächtigen.


Anton Kuh