Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus
ersuche
ich Sie um die
Aufnahme der folgenden Berichtigung der in Ihrer
Nummer vom 12. Dezember 1925, Seite 5 unter dem Titel „Tumultszenenbei
einer Karl
Kraus-Vorlesung in Wien“
veröffentlichten Notiz:
„Es ist unrichtig, dass, als Karl Kraus in
sei
nen
Ausführungen die sozialdemokratische
Kunststelle
angriff,
diese Kritik von zahlreichen Anwesenden als
unberechtigt befunden wurde, was
zu heftigen Zwischen
rufen und Tumulten führte, sodass der Vorhang herunter
gelassen werden
musste. Richtig ist vielmehr, dass der
Vortrag
des Herrn Karl
Kraus, welcher unter dem Titel
‚Nachträgliche
Republikfeier‘ gehalten wurde, inhaltlich
in zwei Teile zerfällt, deren
erster sich mit der Kunststelle, deren
zweiter sich mit der Wiener Presskorruption
beschäftigt. Der erste Teil des
Vortrages wurde immer
aufs Neue durch einhelligen stürmischen Beifall unter
brochen, erst am Ende
dieses Teiles fiel der Zwischen
ruf eines einzelnen Angestellten des Favoritner Arbeitertheaters, in
welchem der Vortrag gehalten wurde: ‚Müssen
wir uns das in unserem eigenen
Heim sagen lassen?‘ der
von der Zuhörerschaft mit dem einhelligen Rufe ‚Ja‘ be
antwortet wurde,
worauf frenetischer Applaus für den Vor-
tragenden erfolgte. Erst
als Herr Karl
Kraus gegen Schluss
des
zweiten Teiles des Vortrages von dem Eigentümer der
‚Stunde‘ sprach, ‚der es wagen darf, um sein
Handwerk, das
einen goldenen
Boden hat, auch von aussen zu verzieren,
sich an die Sozialdemokratie
anzuschmarotzen‘, kam es zu dem
berichteten Zwischenfall, der
offenbar seine Ursache darin
hatte, dass einige wenige das Wort ‚Anzuschmarotzen‘ statt
auf den Eigentümer der ‚Stunde‘
auf Parteiführer bezogen.
Als der Vortrag
nach der durch die Ruhestörer
verursachten Unterbrechung beendet war, dankte das ge
samte Auditorium dem
Vortragenden
durch ungeheure Bei
fallskundgebungen und Absingen der ‚Internationale‘.“
Hochachtungsvoll