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Dr. Alfred Kerr
Grunewald Höhmannstr. 6.


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Auf Anordnung
Stfanwalt[?]
[¿¿¿gl] Sekr.

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Es geht eine Schlacht …
(Erschien am 12. September 1914)


Es geht eine Schlacht … mit schwerem Gang.
Am Weichselfluß? Am Wasgenjoch?
Die Stille redet. Tagelang.
Wir wissen’s nicht. Und wissen’s doch.


Es rinnt ein Ruf. Durch Frühlichtgrau’n.
Durch alle Nächte. Heimatwärts.
Es schwillt ein flüsterndes Geraun
Von Eurem Blut in unser Herz.


Es schallt ein Schrei. Es hallt ein Schuss.
Er trifft uns in die eigne Stirn.
Es zieht ein heimlich steter Fluss
Von Eurem Hirn in unser Hirn.


Es weht der Allerseelenwind.
Wir schreiten alle Einen Schritt.
Und die wir fern vom Felde sind,
Wir kämpfen mit; wir sterben mit.


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fehlerhafte Abschrift
(Satz mit Original vergleichen!)


Abschrift.


links oben


petit
An das
AmtsgerichtCharlottenburg


Amtsgericht Charlottenburg
Auf Anordnung:
unles. Unterschrift
Kanzl. Sekr.


Schriftsatz
in Sachen
Kraus ./. Kerr
44 B. 222/27


Anm. f. d. Setzer:
(Die unterstrichenen Stellen
immer spationiert!)


petit d
(ganze Zeile,
nicht eingezogen!)


Die Darlegungen der früheren
Schriftsätze will ich durch die fol
genden Einzelheiten, auch vom Stand
punkte des Schriftstellers, er
gänzen.


Herr Karl Kraus in Wien, Be
sitzer der Zeitschrift „Die Fackel
ist (nach mehrfachen Verleumdungs-
und Beleidigungsversuchen wider mich)
gelegentlich ein „kleiner miesser
Verleumder mit moraligem Kitschton“
von mir genannt worden.


Darauf hat Herr Kraus, obschon
er Schriftsteller ist (und obgleich
beleidigende Angriffe das sind, wes
halb sein Blatt vorwiegend gelesen
wird) die Beleidigungsklage wider
mich erhoben. Ich muss ihm auf diesem
nicht literarischen Wege folgen.


Es ist bereits erwähnt, dass
ich den inkriminierten Satz am selben
Tage schrieb, an dem ich das in Berlin selten zu sehende Blatt des Herrn
Kraus zu Gesicht bekam. Die (un-


regelmässig erscheinende) „Fackel“ kommt ungefähr
alle Vierteljahr einmal heraus. Als Beweis für das selte
ne Vorkommen der „Fackel“ in Berlin diene folgende
Bekundung der „Neuen Zürcher Zeitung“ (März 1924):
„Von tausend Menschen an der Spree dürfte kaum einer
die ‚Fackel‘ auch nur dem Namen nach kennen, geschweige
denn, dass er sie je in der Hand gehalten hat.“ Das
Gericht wird mir glauben, dass unter solchen Umständen
sehr verspätet ein reiner Zufall mir das (im Selbst
verlag des Herrn Kraus erscheinende) Blättchen zu Ge
sicht brachte.


I.


Zur Sache. Nach meiner festen Überzeugung ist Herr
Kraus ein Verleumder. Ich habe nicht sowohl den juri
stischen Begriff der Verleumdung im Auge; sondern vor
nehmlich den Laienbegriff: dass ein Verleumder ist, wer
Unwahres gewissenlos zum Zweck der Herabsetzung ver
breitet. Aber auch der streng juristische Begriff der
Verleumdung (die wider besseres Wissen verbreitete
herabsetzende Unwahrheit) ist in dem Tun des Herrn
Kraus erfüllt.


Ich sehe mich genötigt, zu meiner Verteidigung das
Treiben des Herrn Kraus und seine Persönlichkeit einer
kritischen Prüfung zu unterziehen – und hierbei zur
Wahrung meiner Interessen nicht zu verschweigen, was und
wie er nach meiner Meinung ist.


II.


1) Kraus behauptet (und das bildet für mich den
Kernpunkt), dass ich während des Weltkriegs „ in Grau-
samkeit versiert war, in jener scheusslich gewitzten
Grausamkeit, die das eigne Leibeswohl hinter der
Schanze eines Schreibtisches deckt“. Wahr ist jedoch,
dass ich mich als Sechsundvierzigjähriger freiwillig
zum Heeresdienst nach Kriegsausbruch gemeldet habe.
Kraus hat von dieser Tatsache Kenntnis, er verleumdet
wider besseres Wissen. Belege für die Meldung (als
Soldat, nicht als Dolmetscher) werden überreicht.


2) Herr Kraus zitiert Gedichte, die ich in
der Monatsschrift „Neue Rundschau“ 1914 veröffentlicht
habe, zwar wörtlich, indem er jedoch als Routinier durch
die Bemäntelung des Zusammenhangs den Eindruck hervorzu
rufen weiss, als ob ich diese Gedichte nicht selber miss
billigt hätte. Er zitiert später einiges davon ausdrück
lich so, als ob ich den Inhalt billigte. Er verleumdet
auch hier wider besseres Wissen.


3) Er verleumdet, indem er behauptet, dass
ich im Kriege „die Scherlsche Livree“ trug. Er will mit
der Bezeichnung „Scherlsche Livree“ den Eindruck wecken,
als ob ich im Frondienst einer Firma auf deren Wunsch
(weil die Leser es zum Frühstück verlangten, sagt er;
Fackel“, Okt. 1926, S. 87) als „Kriegshetzer“ gewirkt
hätte. Er sucht also meine Beweggründe zu verleumden.
Wahr ist jedoch, dass ich dieselben vaterländischen Ge
dichte, so das von ihm getadelte Ostpreussengedicht, in
der (demokratischen!) „Frankfurter Zeitung“, andere in
meiner politisch vollkommen selbständigen Zeitschrift
Pan“ veröffentlicht habe. Er betont selber, dass ich
sog. Kriegsgedichte (d.h. Gedichte, die im Krieg entstanden)
in der gar nicht Scherlschen, sondern fast zwischen
staatlichen Monatsschrift „Neue Rundschau“ veröffentlicht
habe, – er verleumdet mich aber durch die Behauptung,
dass ich „im Kriege die Scherlsche Livree trug“ und
meine Haltung nach den Wünschen Scherlscher Frühstücks
leser gerichtet habe. Er verleumdet abermals wider besse
res Wissen.


4) Als ich im „Berliner Tageblatt“ (in
einer durchaus glimpflichen Besprechung seines Berliner
Auftretens als Rezitator) seine früheren Besuche bei
mir gestreift hatte, schrieb Kraus („Fackel“, Juni 1924,
S. 80), er wisse, „dass ich mit ihm (Anm.: nämlich Kerr)
nie, auch nicht 1897, in einer anderen persönlichen Ver
bindung gestanden bin, als dass ich ihn einmal, vor der
scheusslichen Gerichtsverhandlung, durch die er den
greisen Musikschriftsteller Tappert um sein Brot brachte,
einen Moment sah und dann angewidert nicht mehr kannte.“
(Nebensächlich ist, dass der Musikschriftsteller WilhelmTappert, dessen Bestechlichkeit damals durch das Gericht
festgestellt wurde, garnicht um sein Brot kam, da seine
Zeitung, das „Kleine Journal“, es bei einer öffentlichen
Abbitte des durch Geld bestochenen Musikkritikers bewen
den liess).


Aber kennzeichnend für das Verleumdertum
des Kraus ist die unwahre Behauptung, dass er mich nur
1897 „einen Moment sah und dann angewidert nicht mehr
kannte“, womit er eine gewisse Verächtlichkeit mir anzu
hängen meint oder versucht. Er spricht bewusst auch hier
die Unwahrheit. Wahr ist: a) Kraus hat mich nach 1897
durch „freundschaftliche“ Besuche behelligt; er schreibt
mir (drei Monate nach dem Prozess): „Die Ehrlichkeit,
mit der Sie den frechen Schund annageln, hat mich wirk
lich gefreut“. (30.IX.97) Er bittet mich * col „Der Thaler is von mir, daß keine Irrung g’schieht“ (Knieriem in „Lumpazivagabundus“). Anm. d. Herausgebers. später „herz-
lichst“ mit ihm zusammenzukommen usw. c) Kraus hat mich
auch 1907 „lobend“ in der „Fackel“ erwähnt; d) Kraus hat
1908 sogar mein Gedicht über den herrlichen Darsteller
Girardi in der „Fackel“ mit rühmenden Worten abgedruckt –
ohne mein Zutun; er hat also wiederholte Näherungen ver
sucht gegen einen verleumderisch als verachtenswert Hin
gestellten, den er „angewidert nicht mehr kannte“.
Auch hier versucht er wider besseres Wissen mich verächt
lich zu machen.


5) Viktor Adler, der hervorragende öster
reichische Sozialistenführer, dessen unantastbar recht
schaffener Charakter von allen Parteien anerkannt wurde,
den Kraus selber hochschätzt, sah sich gezwungen, Kraus
öffentlich in einem Aufsatz Verleumder zu nennen.


6) Kraus ist in Österreich bereits im Beginn
seiner Laufbahn wegen Verleumdung bestraft. –
Als er einen literarischen Gegner, den Schrift
steller Hermann Bahr, unlauterer Handlungen be
zichtigte, (er behauptete, Bahr habe sich auf dem
Wege der Korruption ein Grundstück schenken las
sen, woran kein wahres Wort gewesen ist), wurde
Kraus vom österreichischen Gericht wegen Verleum
dung verurteilt.


III.


Soviel über die nachweislich bewussten
Verleumdungen; also Verleumdungen im Sinne des
Gesetzes.


Zur allgemeinen Kennzeichnung des Kraus und
seiner verleumderischen Manöver, verleumderisch in der
Auffassung des Laien, dienen fernerhin folgende Punkte.


Kraus hat die Verfasserschaft eines Gedichtes, welches die in den Masurischen Seen Sterbenden ver-


spottet, wahrheitswidrig mir nachgesagt – und hieran
die Schmähung geknüpft: „Vor dieser Scheusslichkeit
bleibt wohl alles im Hintertreffen …“ usw. („Fackel
April 1926, S. 55) Ich habe dieses Gedicht niemals ver
fasst. Ich habe niemals Grausamkeiten geäussert, wie die
ses Gedicht sie enthält, das qualvoll in den Tod Sinkende
verhöhnt. Ich lege Wert auf die Feststellung, dass ein
solches Verspotten Hinscheidender mir unendlich wider
strebt hätte. Herr Kraus hat bedenkenlos und prüfungslos
die Unwahrheit gesagt. Die wirklich im Krieg von mir
verfaßten Gedichte hatten immer nur die Tendenz dem ei
genen bedrängten Lande zu helfen; sie waren oft satirisch
derb – aber wesensverschieden von diesem (willkürlich und
auf gut Glück mir unter Schmähungen zugeschriebenen)
Gedicht. Meine Verse waren oft derbste Abwehr und Auf
forderung zur Abwehr: aber nicht Sadismus gegen Sterben
de.


Ein grosser Teil meiner Gedichte war zuerst
in der Zeitung „Der Tag“, mit der Unterschrift „Gottlieb“,
einem Sammelnamen der Redaktion, erschienen. Begründer
des Sammelnamens „Gottlieb“ war Professor Dr. Franz Oppenheimer; (Ordinarius für Volkswirtschaft an der Universität Frankfurt). „Gottlieb“ bildete damals das Gemeinschafts
wort, unter dem Viele, fast immer in Versform, die Stimmung
Aufrichtendes rasch in die furchtbare Zeit riefen – natür
lich zu Gunsten Deutschlands. Fast jeden Tag flog ein
„Gottlieb“ hinaus. Die ästhetische Form konnte nicht immer
ersten Ranges sein.


Ich wies auf die Berechtigung dieser sozusagen
fliegenden Verse noch während des Krieges offen in meinem
Hauptwerk „Die Welt im Drama“; dort hiess es im Hinblick
auf besinnungslose Nurpazifisten (1917):


51„Ich stehe bei diesem Schwarm in keinem
guten Geruch, weil ich, als die überrumpelten
Geister sich schieden, in dubio die Partei
Deutschlands nahm. Deutschlands, das, von
allen Botokuden geächtet, von allen Busch
männern sittlich verdammt, von Tibetanern
verworfen, von Feuerländern abgelehnt, von Eski
mos verklagt, von Boliviern bemängelt, von
Portugiserichen mißbilligt, von Alaskanern
geschnitten, – – das in solcher Lage, wenn es,
wie Karl Moor, mit ein paar Genossen in die
böhmischen Wälder zieht, zu schützen eine
Wonne bleibt. Mit tausend Liedchen … oder
was der Einzelne sonst kann“.


Die Welt im Drama“, Bd. III, S. 160.
(S. Fischer, Berlin, 1917).


Viele Gottlieb-Gedichte wurden von andren deutschen Zei
tungen nachgedruckt, nicht nur die Redaktionen wussten,
dass unter den Gottlieb-Gedichten zahlreiche von mir
stammten. Die Tatsache war allgemein bekannt. Auch Herr
Kraus bekennt, gewusst zu haben, dass durchaus nicht alle
Gottlieb-Gedichte von mir waren; er hat jedoch, ohne sich
zu vergewissern, mir ein bestimmtes willkürlich in die
Schuhe geschoben – mit jener Bemerkung: „Vor dieser
Scheusslichkeit bleibt wohl alles im Hintertreffen …“ usw.


Herr Kraus nennt mich in diesem Zusammenhang
einen „Kriegshetzer“. Er gibt zwar nach seiner rabbuli
stischen Gewohnheit zu, dass ich vielmehr „zum Siege
gehetzt“ habe. Doch er nennt das (S. 86) eine „Ordinärheit“;
mich einen „Vorkämpfer des Bestialischen und der überal
terten Schmierigkeit“. (S. 73) Ich glaube: wer im Krieg
(in der Überzeugung, dass sein Land überfallen ist) gegen
diese Überfallenden auf- und für das eigne Land eintritt,
den verleumdet man, wenn man ihn Kriegshetzer nennt.


Herr Kraus verleumdet fast jeden meiner Be
wegründe. Etwa so: Weil ich der Gast des deutschen
Botschafters in Paris, Herrn von Hoesch, war, erklärt Herr
Kraus, ich habe den deutschen Gesandten um seiner Weine
willen zu den Wertvollen gezählt (S. 77). Oder: weil ich,
zu zwei Vorträgen nach Paris eingeladen, nach dem Ge
spräch mit ausgeprägt deutschfreundlichen Staatsmännern
Frankreichs (Painlevé, Daladier, de Monzie) schrieb,
dass man mit diesen wohl auskommen könnte, sagt Herr
Kraus verleumderisch, dass ich „ihnen hineinkrieche“.


Ich war von der Pariser Universität und von
deutschfreundlichen, friedensfreundlichen Franzosen zu
zwei Vorträgen eingeladen worden. Thema: 1) „Das deutsche
Drama der Gegenwart“; 2) „Dramenkunst als völkerverbin
dendes Mittel“. Der Universitätsrektor, Professor Lapie,
hatte mich amtlich auf dem Bahnhof durch den offiziellen
Vertreter der Sorbonne empfangen lassen und erschien zur
feierlichen Begrüssung mit den Dekanen der Fakultät bei
Beginn meines Vortrags. Herr Kraus behauptet, um diese
zwei Pariser Vorträge herabzusetzen – er saugt es sich
aus den Fingern – ich sei von der „Firma Mosse“ hingesandt
worden. Kein Wort ist hiervon wahr. Ich folgte der Ein
ladung auf eignen Wunsch und selbstverständlich auf
eigene Kosten. Herr Kraus fabelt verleumderisch drauf los.
(Er will eine Handlung, die eignen sachlichen Wünschen
entsprang, als journalistische Geschäftsangelegenheit hin
stellen – indem er bedenkenlos Unwahres behauptet).


Dass er von dem Pariser Besuch auch sonst einen
spaßhaft unwahren Bericht gab, sei nebenher bemerkt.


Wann erfolgten die hauptsächlicheren Verleum
dungen? Ich hatte die journalistischen Gewohnheiten des
Kraus im Lauf der Zeit gelegentlich belichtet. Ich hatte
zuletzt eine seiner Vorlesungen in Berlin durchaus mass
voll, aber nicht zustimmend im „Berliner Tageblatt“ kri-
tisiert. Von da ab setzten seine Angriffsversuche wider
mich intensiv und systematisch ein.


IV.


Ich habe Frankreich schon deshalb im Kriege
niemals in Versen oder Prosa angegriffen, weil ich in
seiner Zusammenarbeit mit Deutschland ja den politischen
Ausweg sehe. Ich hatte vielmehr („Neue Rundschau“,
September 1914) ausdrücklich betont, das „edle Frankreich“
sei von Russland überstimmt, ins Schlepptau genommen wor
den. Ich habe den „Führern“, wie es in dem, von mir übri
gens missbilligten, Gedicht hiess (nicht den Völkern,
wie Kraus es hinstellt) – ich habe den „Führern bei der
Deutschlandhetze“ jene humoristischen Krankheiten
(„Rheumatismus im Popo“ usw.) gewünscht. Ich hatte sogar
mitten im Krieg jenes (hier beigefügte) Versöhnungs
gedicht, das besänftigend für das Verhältnis zwischen
Deutschen und Franzosen sprach, im (Scherlschen(!) „Tag
veröffentlicht:


Begegnung.


52I.


Und als es vier Wochen gedauert hat,
Waren sie krank und hundematt.
Deutsche, Franzosen – im Höhlenhaus
Frierend. Manchmal brachen sie aus,
Zerfleischten einander … mit schwankendem Glück
Dann schleppten sie sich in die Gräben zurück.


Und als es fünf Wochen gedauert hat,
Waren sie still und hundematt.


53II.


Zwischen den Linien lagen die Leichen.
Ein Holste hob die Schaufel, zum Zeichen;
Von drüben kam einer stumm auf ihn los.
Man grüsste sich herzlich. Da hat der Franzos
Ihm leis einen Bruderkuss aufgedrückt.
Der Holste fand: das ist „verrückt“;
Es kam „ein bischen unvermittelt“;
Hat ihm doch stumm die Hände geschüttelt.
Sie schwiegen. Und sannen im Leichengraus.
lachten an Weib und Kinder zu Haus.


III.


Die Schützen haben still verharrt;
Die Toten wurden eingescharrt.
Jeder ging zu seinen Genossen.
In der Nacht ward weitergeschossen.


(16. Dezember 1914)


Der Tag“.


V.


Die ganze verleumderische Tendenz des Kraus’schen Artikels vom Oktober 1926 geht dahin: vorzuspiegeln,
als ob ich erst jetzt, erst hinterdrein mich als einen
Menschen aufspielte, welcher die Kriegsgreuel verwirft.
Das ist wieder bewusst unwahr. Denn ich habe dauernd meinen
Abscheu vor der Institution des Krieges bekundet – dauernd
während des Krieges. Ich lege zum Beweis den Aufsatz aus
der „Neuen Rundschau“, September 1914, vor, (den Kraus
gekannt hat) – der also kurz nach Kriegsausbruch geschrie
ben ist und meinen (im Kriege nie verlassenen) durchaus
konsequenten Gesamtstandpunkt darlegt. Dieser Standpunkt
ist: pazifistisch – aber nicht blöd-unpatriotisch. Kurz
ausgedrückt: gegen den Krieg – aber für Deutschland. Ich
habe niemals aus meiner deutschen Haltung im Krieg (neben
der heftigsten Verdammung des Krieges als Einrichtung) ein
Hehl gemacht. Dieser Dualismus war damals in jedem fühlen
den Menschen. Ich habe die rückständige Sitte des Kriegs
auf das schärfste gekennzeichnet, – im Krieg. Im Krieg
erschien mein fünfbändiges Hauptwerk „Die Welt im Drama“.
Das Vorwort geisselt (noch im Krieg) das viehische
„Begebnis“, „den elendesten Rückfall“. Ich vertrat also
diesen Standpunkt nicht erst 1926 in Paris.


Somit: ich habe dauernd während des Kriegs,
gegen die bestialische Torheit dieses menschlichen Atavis
mus gewettert. Aber es war mir selbstverständlich, dass
man, in dem blutigen Dunkel von damals, ohne Schwanken
die Partei des für bedroht gehaltenen Landes, Deutschlands,
ergriff. Mir schien: der Krieg ist etwas Abscheuliches –
aber da man plötzlich inmitten dieses Wahnsinns lebt, so
will ich wenigstens, dass meine Heimat nicht daran zu
Grunde gehe. Ja, ich habe während des Krieges zwar offen
alles den Krieg Verdammende, Widerlegende, seinen Unsinn
Belichtende nachdrücklicher als Herr Kraus (blos nicht
mit hämischen Worten – und nicht mit Worten gegen Deutsch
land) betont. Aber nachdem der Krieg ein Nichtzuänderndes
geworden war, habe ich nicht als einzige Beschäftigung
das Enttäuschtsein geübt, sondern den Wunsch gehegt: dass
nun, wenn einer in dem elenden Verbeissungsknäuel siegen
soll, es natürlich nicht die Andren sein mögen. Oder, wie
ich es später einmal ausgedrückt: Hätte Shaw damals als
Deutscher in Deutschland gelebt, er würde so getan haben
wie wir: er hätte das Ganze verwünscht – aber sich gewehrt!
Kurz: ich half mit meinen Mitteln: der ernsten Dichtung
und der satirischen – nachdem ich es als Soldat nicht ge
durft.


Ich erinnerte damals (1914) an ein Wort Kleists,
der seinen Hermann sprechen ließ: „Was brauch ich Latier,
die mir Gutes tun?“ Über dieses mir widerstrebende Wort
schrieb ich („Neue Rundschau“ September 1914):


54„Ich kann es, wenn die Welt wahnsinnsfrei und
voll menschenwürdiger Ruhe lebt, nicht unter
schreiben. Denn es ist ja das Ziel unsrer
Entwicklung: zu erkennen. Auch Gutes
im Hass zu erkennen. Aber ich habe doch nicht
Fischblut genug, in der Sekunde, wo mir je
mand den Adamsapfel eindrücken will, seine
vorteilhaften Züge … man soll nicht sagen:
zu bemerken; (denn bemerken tu ich sie):
aber sie zu verkünden. Ich werde meiner Natur
folgen … und ihn benachteiligen. Ich bin auch
nicht Altruist genug (obgleich ein grosser
Tierfreund), um den Bazillen, die an
ihrer Fressgier unschuldig sind, meinen Leib hoch
ethisch darzubieten“. (1914)


Ich kämpfe, seit ich öffentlich eine Feder handhabe, für
die (nach meinem Wort) „Zivilisierung der Menschennatur“.
Ich erwarte noch heut das künftige Heil von der Wirksamkeit
geistig heller und tatentschlossner Gruppen in allen
Völkern. Ich bin und war also Pazifist; aber nicht senti
mentaler Pazifist – ich halte keineswegs die rechte Backe
hin, wenn mich einer auf die linke schlägt. In summa: ich
vertrat möglichst einen antikriegerischen Standpunkt, aber
nicht einen nurpazifistischen Idiotenstandpunkt.


Wie kommt ein Herr Kraus dazu, sich überhaupt
um meinen Standpunkt im Krieg zu kümmern? Ich glaube ge
zeigt zu haben, aus welchen Ursachen.


VI.


Folgende, für mich bindend gebliebene Leitsätze
schrieb ich (im ersten Kriegsmonat), eingedenk aller jäh
über den Haufen geworfenen heilig-menschlichen Ethik:


55„Wir wollen helfen bis zum letzten Hemde; bis
zum letzten Fingernagel; bis zum letzten Wurf
Speichel: aber nicht vergessen, was uns angeht –
inmitten dieser Welträude“.


Ich fügte zu:


56„Der Satz ist auch umzudrehen. Wir wollen er
worben Heiliges nicht in die Binsen tun …
aber wir wollen helfen bis zum letzten Hemde; bis
zum letzten Knochen; bis zum letzten Hohnwort.
Die Seelen zittern. Es gibt nur einen Herzschlag
in dieser Stunde: Deutschland, Deutschland über
alles.“


(September, 1914„Neue Rundschau“).


Der Schriftsteller wagt es, Dinge von säkularem
Ernst: den drohenden Untergang des Geburtlandes, die Ver
zwergung seiner Möglichkeiten, den einsamsten Kampf eines
überraschten Volks und die seelische Teilnahme daran aus
zunutzen für Schmähungen und Verdrehungen, Verdächtigungen
und Verleumdungen.


Ich habe dies alles nicht für seine unwesent
liche Person gesagt: sondern für das von ihm bemühte Gericht.


VII.


Herr Kraus ist zwar kein grosser Geist (sondern
ein fingerfertiger Journalist mit sicherer Beherrschung von
Kleinmitteln) – doch er hat bestimmt genügend Einsicht, um
seine Verleumdungen als solche zu erkennen; er verleumdet
wider besseres Wissen. Er verleumdet mit einer kalten hand
werklichen Routine. Seine Verleumdung liegt manchmal nicht
darin, dass er Tatsachen erfände, sondern darin, dass er
Scheinbar-Wahres hinsetzt und ihm durch einen Kniff in der
Gruppierung schillernd-verleumderischen Inhalt gibt. Er kann
sich im Wortsinn darauf berufen, „die Wahrheit“ gesagt zu
haben. Wenigstens manchmal. Es ist die weniger offene, weniger
fassbare, weniger mutige Art der Verleumdung.


Kraus lebt von der Methode: gedruckte Stellen
auszuschneiden, einen so wiedergegebenen Text des Kerns zu
entkleiden; zu entstellen. Es sind langjährig geübte Manöver
– indem er ein Gewirr von verstümmelten Zitaten, Irreführungen,
Wortklaubereien tätigt, bis ein verleumderisches Bild ent
steht.


Er spielt hierbei die entsetzlich triviale
Rolle des edlen Tugendbolds, der alle untugendhaften voll
Empörung tadelt. (Was ich „moraligen Kitschton“ nannte).
Um die Geschmähten herab- und sich in ein Licht zu setzen,
verwendet Kraus Mittel, die man im abfälligen Sinn jour
nalistisch nennen muss – er betont aber dabei stets die
Verwerflichkeit des Journalismus. (Er „bekämpft“ übrigens
die Presse so – wie jemand wegen der Unfälle die Eisen
bahn „bekämpft“ …)


Kraus arbeitet – und das ist Kitsch – mit der
billigen Fiktion, als ob fast alle Menschen Affen und
Schwindler seien, er beinah der einzige Nichtaffe, und
beinah der einzige Wahrheitssager … während er seine
Unwahrheiten sagt. Ja, er wirtschaftet fast mit jedem
„journalistischen“ Dreh. Seine Zeitschrift ist kein Revol
verblatt, das etwa Gold erzwänge; sondern sie sucht sozu
sagen mit dem Moralrevolver Geltung zu erzwingen. Für
seine eigene Moral ist er milder. Er hat österreichische
Schriftsteller des Plagiats beschuldigt, während er selbst
Plagiate beging. Er „enthüllt“ beständig „Korruption“,
die er breit erörtert und die ihm „Stoff“ für seine Zeitschrift liefert. Er hat eine wohlfeile Methode, bei deren
Anwendung es leicht wäre, noch die Bibel als ein lächer
liches Schundwerk hinzustellen.


VIII.


Wie verhielt sich Herr Kraus zum Krieg? – Auch
er (nachdem er das Kriegsmanifest Franz Josephs anfangs
panegyrisch gelobt und „erhaben“ genannt hatte) – auch er
hat den Krieg verdammt, selbstverständlich; doch zunächst
mit Spott gegen die eigne Umgebung und gegen die Schick-
salsgefährten. Kraus erblickt im Kriege das, worüber man
witzeln kann, – und sucht manchmal durch billiges Pathos
der „ethischen“ Seite gerecht zu werden: in einem, älte
ren Vorbildern schlecht nachgemachten Stil. Das deutsche
Bedrohtsein war ihm weniger aufregend.


Er zitiert (im Kriege) solche Dichtungen
Goethes, die gegen die Deutschen zu sprechen scheinen. Unter
dem Gesamttitel „Goethe und die Deutschen“ veröffentlicht
er sie. In dreien dieser Gedichte wird Unwahrhaftigkeit
der Deutschen gestreift:


57„Sagt! wie könnten wir das Wahre … Niederlegen
auf die Bahre.“


So beginnt das erste der von Kraus vorgekramten Gedichte.
Das letzte schließt;


58„Deutsch oder teutsch – du wirst nicht klug“.


Was in Augenblicken des Missmuts Goethe wider
seine Landsleute zwischendurch ärgerlich sprach: das hat
Herr Kraus in der Stunde stärkster deutscher Gefährdung
ausgegraben und drucken lassen. („Fackel“, Januar 1917
S. 88).


Kraus spricht von „jener deutschen Taktik der
verfolg t end en Unschuld, die einen Überschuss an Wehrhaftig
keit und ein Defizit an Wahrhaftigkeit zu einem …
Ausgleich bringt“. („Fackel“, Nr. 484/498 S. 13, Okt. 1918).


Kraus druckt zwar (wie oft nun schon!) ein
von mir im Kriege wider Rumäniens Überheblichkeit verfasstes
Spottgedicht ab. Es war immerhin ein Versuch zur Abwehr.
Doch was tat er selbst? Im Dezember 1917 trug er folgendes
„Kuplet“ vor / das nicht gegen Rumänien, sondern gegen
Deutschland gerichtet war!/, in dessen Einleitung er sagt:
„Das Kuplet erschöpft das Problem Deutschlands annähernd
so sehr wie Deutschland die Welt.“ (Er fügt ein Notenbei
spiel zu und sagt: dies musikalische Nachspiel „stellt das
Gelächter des Auslands dar“. Es ist ein Gejuchz in Sechzehn-
telnoten).


Lied des Alldeutschen“ ist es nach dieser Ein
leitung zwar betitelt, jedoch in Wahrheit nicht nur Parodie
eines alldeutschen Gesangs, sondern allgemein ein kläglicher
Hassgesang gegen Deutschland. Künstlerisch ein kümmerliches
Machwerk. Darin heisst es:


59„Im Frieden schon war ich ein Knecht,
Drum bin ich es im Krieg erst recht …
Leicht lebt es sich als Arbeitsvieh
im Dienst der schweren Industrie.


Was sich wohl nicht allein auf die Alldeutschen beziehen
wird – denn die Arbeiter waren ja nicht alldeutsch.


Weiter:


60 Ich geb mein deutsches Ehrenwort:
Wir Deutsche brauchen mehr Export …


Was also wieder kaum Alldeutsche betrifft. Dann:


61 Krieg dient uns, damit Waffen sind,
Wir drehn den Spieß, wer wagt, gewinnt …


Weiter:


62 Nehmt Gift für Brot, gebt Gold für Eisen
und laßt den deutschen Gott uns preisen!
Gebt Blut – habt ihr das nicht gewusst? –
für Mark: das ist kein Kursverlust!
Darum erhofft Profit der Deutsche!


Das ist nicht nur „alldeutsch“. Kraus sagt ja auch einlei
tend: „Das Kuplet erschöpft das Problem Deutschlands an
nähernd so sehr, wie Deutschland die Welt“. Weiter:


63 Das wahre Glück bringt Schiessen nur,
drum gaudeamus igitur.
Ein muntrer Bursche bleibt der Deutsche!


Ein muntrer Bursche bleibt Herr Kraus, der es wagt, nach
einem solchen im Krieg öffentlich vorgetragenen Kuplet mir
anzukreiden, dass ich satirische Verse gegen die damaligen
Feinde Deutschlands schrieb. Wenn schon im Krieg volkstüm
liche Verse gemacht werden, hab ich sie wenigstens nicht ge
gen die Nächsten und Bedrohtesten gemacht. Der Verfasser
dieses Krams rächt sich darum an mir, indem er jene paar
gegen den Überfall Rumäniens gerichtete satirische Strophen
wohl ein halbes Dutzend mal in seinem Blättchen abdruckt.
Von den Deutschen sagt er, im Krieg:


64 Der Endsieg unser Recht beweist:
Die Welt wird von uns eingekreist!
So muss und wird es uns gelingen,
die Pofelware anzubringen.
Ja, made in Germany ist doch der Deutsche!


(„Fackel“, 484–498, S. 13ff.)


Als Herr Kraus dies mitten im Kriege gesungen,
später im Druck veröffentlicht hatte, folgten die nachste
henden „Verse“ des Kraus (aus einem anderen „Gedicht“):


65 Von den deutschen Chemikalien
scheint das Gas allein gediegen,
während durch die Viktualien
der, den’s trifft, sofort bleibt liegen.


Daran sieht man: Heine und die schrecklichsten Folgen. Er
fährt gediegen fort: (was ich da zitiere, sind nicht Druck
fehler):


66 ’s ist wie einmal, da der Prahlhans
war der deutsche Küchenmeister;
doch das Mahl nicht mal vom Schmalhans,
denn die Sosz nicht mal ein Kleister.


Garantiert ohne Druckfehler. Die Gesinnung des Herrn Kraus
erklärt zwar seinen Zorn über ein Rumänengedicht, aber doch
nicht die Qualität seiner Verse. („Fackel“, S. 21, Nov. 1918).


Kraus behauptet, das „einzig wahre Wort“, das in
diesen Zeitläuften gesprochen wurde, sei folgendes, das „ein
russischer Minister am Kriegsbeginn gesprochen hat: dass
dieser Krieg Österreichseine Keckheit ist“ – und er, Kraus,
habe es


67„nur durch die Feststellung ergänzt, dass dieser
Krieg Deutschlands eine Frechheit ist, damit das
bundesbrüderliche Verhältnis zwischen Räuber
und Dieb, Gehasstem und Verachtetem auch im
Punkt der Kriegsschuld zur vollen Anschauung
komme“. („Fackel“, wie oben, S. 33).


Trotz alledem hat 1919, als diese Haltung des Kraus in Ver
gessenheit geraten (und Kraus in die Nähe politischer Links
parteien gerückt) war, der zeitweilige Vorsitzende der öster-
reichischen Nationalversammlung, Herr Bürgermeister
Seitz, ihm zum zwanzigjährigen Erscheinen der „Fackel
gratuliert und geäussert, Kraus habe zur Reinigung, Ver
sittlichung des öffentlichen Lebens in Wien beigetragen
usw. Besonders der Kampf gegen den Krieg sei verdienst
lich gewesen … Nun, den haben Viele gekämpft, ohne ihr
Land zu beschimpfen.


Herr Seitz hat dem Herrn Kraus nachher auch
zum Geburtstag gratuliert (in Österreich schicken Be
hörden zum „Jubiläum“ einer Zeitung Glückwünsche). Der
selbe Bürgermeister Herr Seitz spricht sogar mit offi
zieller Überschwänglichkeit von einem Drama des Kraus,
das er „unsterblich“ nennt usw. Es ist ein Glück für
Herrn Kraus, dass jemand, der ein schiefes Urteil über
die Dinge hat, zufällig Bürgermeister ist. In jedem
Fall wurde Herr Seitz nie von Herrn Kraus verleumdet;
er hatte niemals einen Anlass, sich gegen ehrabschneide
rische Verdächtigungen zu wehren. Das Gesamturteil des
guten Bürgermeisters fiele sachlich anders aus, wenn er
genauer unterrichtet; im Ton anders, wenn er unwahrhaftige
Manöver des Kraus an sich selbst erfahren hätte.


Die besseren Kenner des Herrn Kraus haben das
Recht, als mindestens gleichwertig neben diesem freundli
chen Beamten zu stehn. Zumal wenn es die berechtigte
Wahrnehmung ihrer eignen Ehre gilt.


IX.


Die Gesinnung des immer moralisierenden
Herrn Kraus: verletzte Eitelkeit in Verbindung mit Hass,
zeigt sich in der folgenden Tatsache. Einer seiner Vor
träge in Berlin war von der „Deutschen Tageszeitung
abfällig glossiert worden. Da schreibt Kraus aus diesem,
diesem, diesem Anlass wörtlich („Fackel“, Juli 1920,
S. 19):


68„Wie der deutsche Gott Bomben auf Nürnberg
regnen liess, so lügen und fälschen sie
wie eh und je. Wie ihre Generalstabsberichte
so ihre Darstellungen von einem Vortrag …“


„Alles in allem geht meine Ansicht dahin, dass
die Entente halbe Arbeit geleistet hat“ –


– sagt er wörtlich wegen einer abfälligen Besprechung
seines rezitatorischen Auftretens. Ein sympatischer
Moralist.


X.


Da Herr Kraus von meinen im Krieg verfassten
Gedichten eine tendenziöse Auswahl gibt, scheint es mir
nötig, einige, die zum Teil schon in die Schulbücher
übergegangen sind, hier beizufügen – mit der wieder
holten Versicherung, dass ich sie niemals um des Herrn
Kraus willen hergesetzt hätte, sondern dass es für
die Richter geschieht.


Mobilmachung.
69(Erschien am 2. August 1914)


Wir wollen in den Tagen
Der steilsten Lebensfahrt
Nicht säumen – und nicht fragen,
Wie alles ward.


Wenn auf des Hauses Pfosten
Die Sonne morgens scheint,
Schaut sie in West und Osten
Den Feind.


Sie spürt ein Wipfelbeben
Und hört ein Flügelwehn.
Deutschland kämpft um sein Leben.
Es wird nicht untergehn.


70 Es geht eine Schlacht …
(Erschien am 12. September 1914)


Es geht eine Schlacht … mit schwerem Gang.
Am Weichselfluß? Am Wasgenjoch?
Die Stille redet. Tagelang.
Wir wissen’s nicht. Und wissen’s doch.


Es rinnt ein Ruf. Durch Frühlichtgrau’n.
Durch alle Nächte. Heimatwärts.
Es schwillt ein flüsterndes Geraun
Von Eurem Blut in unser Herz.


Es schallt ein Schrei. Es hallt ein Schuss.
Er trifft uns in die eigne Stirn.
Es zieht ein heimlich steter Fluss
Von Eurem Hirn in unser Hirn.


Es weht der Allerseelenwind.
Wir schreiten alle Einen Schritt.
Und die wir fern vom Felde sind,
Wir kämpfen mit; wir sterben mit.


71 Er schleppte sich …
(Erschien am 23. Oktober 1914)


Er schleppte sich an ein Gehölz.
Nacht war’s, und ferne Stimmen schrien.
Zwölf Stunden streuten die Schrappnelle.
Erst nach zwei Tagen fand man ihn.


+ + +


Er isst und trinkt im Lazarett,
Gesund ist das durchschossne Bein,
Nur sitzt er nachts auf seinem Bett
Und glaubt in einer Schlacht zu sein.


Die Wärter kommen leis daher …
Dann schläft er bis zum Tageslicht,
Erwacht in Frieden still und schwer –
Und weiss es nicht. Und weiss es nicht.


Im frischgerollten Linnenhemd
Liegt er, das Aug ins Licht gewandt.
Der Blick ist froh – nur etwas fremd.
Die Mutter hält des Jungen Hand.


+ + +


Oft schläft er ein. Er schläft sich satt.
Sie hört ein Lallen schlummerfern …
Und was er je gelitten hat,
Erscheint in ihrem Augenstern.


72 1918.


Die Wende hat begonnen.
Deutschland in Not und Drang?
Es leuchten tausend Sonnen
Auf Deinen letzten Gang.


Nicht Feindesmacht verderblich,


73Nicht Hasses Kraft bezwingt,
Was durch die Welt unsterblich
In Ewigkeiten klingt.


Das Letzte laßt uns geben!
Ein Wunder muss geschehn!
Deutschland ringt um sein Leben.
ES … DARF … NICHT … UNTERGEHN.


XI.


Ich wiederhole nach alledem: den Kernpunkt
bildet für mich der von Kraus wider besseres Wissen ge
schriebene verleumderische Satz: dass ich während des
Weltkriegs „in Grausamkeit versiert war, in jener
scheusslich gewitzten Grausamkeit, die das eigne Leibes
wohl hinter der Schanze eines Schreibttisches deckt“.


Ich wiederhole zweitens, dass ich meinen
kurzen (inkriminierten) Abwehrsatz am selben Tage drucken
liess, an dem ich von den hanebüchenen Beschimpfungsver
suchen des Kraus Kenntnis bekam.


16.9.1927. Kerr m.p.