Die Angriffe auf Präsidenten SchoberDie Fackel


Geschäftszahl Bl XV 965/27
U I 405/27/7


Vor dem Landes-Gericht in Strafsachen Wien I als
Berufungsgericht hat gemäß der die Verhandlung anordnenden Verfügung
vom 2.11.1927 am 6. Dezember 1927 unter
dem Vorsitz des Hofrates Gottfried
im Beisein des Hofrates Dr. Blaschke,
des Hofrates Heidrich und
des Hofrates Neuwirth als Richter
und des J.A. Hanak als Schriftführers
in Abwesenheit
des Privatanklägers Karl Kraus,
in Gegenwart
dessen Vertreters Dr. Oskar Samek,
des Angeklagten Karl Schiffleitner und
des Verteidigers Dr. Foglar-Deinhardtstein
die Verhandlung über die Berufung des Privatanklägers wegen Nichtigkeit
und im Punkte der Schuld
gegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes I in Wien
vom 28. September 1927 Geschäftszahl U I 405/27/3
stattgefunden. Das Gericht hat über den Antrag des Klagevertreters,
der Berufung des Privatanklägers stattzugeben, und den des Verteidigers, sie zurückzuweisen,
am 6. Dezember 1927 zu Recht erkannt:


Die Berufung des Privatanklägers wird als unbegründet zurück
gewiesen und hat derselbe gemäß des § 390 a St.P.O. die Kosten des
Berufungsvorfahrens zu ersetzen.


Gründe.


Die Berufung war zurückzuweisen, da die Stelle der Berichtigung:
„Wahr ist, daß er in einem Hefte der Fackel Nr. 343, 344 vom 29.
2. 1912“ bis „in der Kleinen Bühne stattgefunden hat“ wie der Erstrichter richtig ausgeführt hat, eine klar zu tage tretende Ver
spottung des Preisrichterkollegiums für den Bauernfeldpreis beinhal
tet, wie sich schon aus dem Wortlaute und der Veröffentlichung in
der Leitung ergibt, weshalb der Angeklagte gemäß § 23 / 2,4 Pressgesetz zur Verweigerung der Aufnahme der Berichtigung berechtigt
war. Der Anschauung des Berufungswerbers, daß sich der Angeklagte
auf den Verweigerungsgrund des § 23 / 2,4 Pressgesetz berufen
müsse, findet im Gesetz keine Stütze und sind alle zur Entlastung
des Angeklagten geeigneten Umstände von amtswegen zu berücksichtigen,
umsomehr als der Angeklagte bei der Hauptverhandlung in ersterInstanz nicht erschienen war. Ob die Beleidigung bereits im Jahre
1912 erfolgt war, ist unentscheidend, da die Mitglieder des Preisrichterkollegiums, welche durch auf sie passende Kennzeichen, ins
besondere durch die Zitierung der Nummern der Fackel, in welchen
Karl Kraus einen Angriff gegen sie gerichtet hatte, deutlich bezeich
net erscheinen, sich die neuerliche Verspottung in der Oeffent
lichkeit nicht gefallen zu lassen brauchen und deshalb Strafklage
erheben können, wofür der verantwortliche Schriftleiter, der durch
die Aufnahme des Artikels zur Weiterverbreitung der Verspottung
beitragen würde, gemäß § 493 St.G. strafrechtlich verantwortlich
gemacht werden könnte, wobei darauf hingewiesen wird, daß in dem
Artikel selbst ein Angriff auf das Preisrichterkollegium gar nicht
enthalten war und die Verspottung erst in der Berichtigung selbst
erfolgt ist. Da aber schon aus diesem Grunde die Verweigerung der
Aufnahme der Berichtigung gerechtfertigt war, braucht in die weiteren
Einwendungen nicht eingegangen zu werden, zumal die Ausnahmsbestim
mung des § 24 / 2,3 Pressgesetz auf die Bestimmungen des § 23 Absatz 2Pkt. 1 bis 4 Pressges. nicht anwendbar erscheint. Der Ausspruch über
die Kosten stützt sich auf die bezogene Gesetzestelle.


Der Vorsitzende: Wien, am 6. Dezember 1927. Der Schriftführer


[Unterschrift]


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