„Der Fackelkraus“ gegen den „Völkischen Beobachter“. Ein BeleidigungsprozessVölkischer Beobachter, 9.6.1928


Sehr geehrter Herr Kollege!


In Sachen Kraus ./. Völkischer Beobachter teile ich ergebenst
mit, dass das Urteil rechtskräftig geworden ist, weil die Gegenpartei keine Berufung eingelegt hat.


Ich habe Berichtigung der Urteilsausfertigung bezüglich des
Vornamens des Herrn Kraus beantragt und werde nach Empfang der
berichtigten Ausfertigung die Veröffentlichung durch die Gegenpartei in der im Urteil vorgesehenen Form betreiben. Eine Be
richtigung der Citate dürfte überflüssig sein, weil ja nur der
Tenor veröffentlicht wird.


Die Kosten habe ich dem Gegner bekanntgegeben und nach
Fristablauf Kostenfestsetzung angedroht.


Die Nummer des Völkischen Beobachters vom 9.6. habe ich
vom Gericht zurückverlangt; ich hatte sie in der Sitzung über
geben. Ich bin ganz entschieden dagegen, wegen dieses Artikels,
der formale Beleidigungen nicht enthält, neuerdings Klage zu
stellen. Ebenso sind in dem gegnerischen Schriftsatz im Prozess
keine formalen Beleidigungen enthalten, die mit Aussicht auf
Erfolg eine neue Klage ermöglichen würden. Ich habe im Haupt-
Verhandlungstermin zwar beide Urkunden verwertet, um die Hartnäckigkeit
der gegnerischen Behauptungen darzutun; ich würde es aber für ganz
verfehlt halten, nach dem glatten Erfolg der durchgeführten Klage
nun eine neue Klage zu stellen, die aller Voraussicht nach wegen
Wahrnehmung berechtigter Interessen abgewiesen würde; wir würden
dadurch nur den erreichten Erfolg wieder aufs Spiel setzen. Anders
wäre es, wenn die beiden Urkunden formale Beleidigungen enthalten
würden; das ist aber nicht der Fall. Uebrigens ist der Verantwortliche
für die Nummer vom 9.6.28 nicht Herr Weiss. Es müssten also 2 ver
schiedene Klagen gestellt werden. Ich empfehle daher sich mit dem
Erreichten zu begnügen; der Völkische Beobachter wird in Zukunft vor
sichtiger sein, wenn er gegen Herrn Kraus schreibt und das ist ja
der Zweck der erreicht werden sollte. Ich werde Ihnen den Artikelvom 9.6. nach Empfang einsenden. Ich wäre Ihnen ausserordentlich
verbunden, wenn Sie mir die Zeitungsberichte die Ihnen vorliegen
mit Ausnahme der Münchener Zeitungen, die ich natürlich gesammelt
habe, auf einige Tage zur Durchsicht einsenden würden.


Herrn Kraus bitte ich meine verbindlichsten Grüsse zu
übermitteln.


Hochachtungsvoll
ergebener Kollege
[Unterschrift]
Rechtsanwalt.


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