Sonderausgabe der Fackel, Nr. 1 (= Schoberlied)Die FackelSonderausgabe der Fackel, Nr. 2. (= Für Sangesbrüder)


Mag. [¿] 55


Z. 628 Pst 118


n 24-5-15-517 Serie


An die
Polizei-Direktion Press-BureauWien.


Robert Schützenhofer,
Wien XII., Singrinergasse Nr. 28, I/6a,
durch:


1 fach
1 Vollmacht


erhebt Berufung gegen das Straferkenntnis vom 19./7.1928, zuge
stellt am 21. Juli 1928.


27. JULI 1928
übernommen
Meining


Mit Straferkenntnis der Polizei-DirektionWien, Press-Bureau vom 11./VIII 1928 Z. 674 Pst. 51 wurde ich wegen
angeblicher unbefugter Kolportage nach § 9/1 Pr.G. gemäss § 13 Pr.G
zu einer Geldstrafe von S 5.– im Falle der Uneinbringlichkeit
zu einer Arreststrafe in der Dauer von 12 Stunden verurteilt. Gegen
dieses Straferkenntnis erhebe ich durch meinen mit beiliegender
Vollmacht ausgewiesenen Anwalt fristgerecht nachfolgende
Berufung.


Das Straferkenntnis wird wegen mangelhaften
Verfahrens und Gesetzwidrigkeit angefochten. Die Mangelhaftigkeit
des Verfahrens erblicke ich darin, dass die Begründung nicht dem
Gesetz entspricht, also weder ich noch mein Anwalt aus dem Straferkentnis ersehen konnten, worin die strafbare Handlung erblickt
würde.


Ich kann mich also nur mit einer vermuteten
falschen Auslegung des § 9/1 des Pr.G. durch die Polizei-Direktion,Press-Bureau, auseinandersetzen, wobei ich die Möglichkeit nicht
ausschliessen kann, dass etwa andere Gründe, die mir jedoch nicht
bekannt sind, das Fehlerkenntnis verursachten. Nach meiner Vermutung
steht das Pressbureau auf dem vollständig unrichtigen Standpunkt,
dass die gegenständliche Broschüre – es handelt sich um die Sonderausgabe Nr. 1 der „Fackel“ – nicht dem Begriff der Zeitung im Sinne
des Pr.G. entspricht. Diese Ansicht ist jedoch vollständig un
richtig. Nach § 2 versteht das Pressgesetz unter Zeitung ein Druck
werk mit einem nicht vorweg begrenzten Inhalte, das unter demselben
Namen und in fortlaufenden Nummern, wenn auch in unregelmässigen
Zeitabständen, erscheint und dessen Einzelnummer, wenn auch jede
ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, durch ihren Inhalt
in einem Zusammenhang steht. Die ‚Fackel‘ ist eine seit 30 Jahren
bestehende Zeitschrift und es steht ihr natürlich frei auch Sonder
ausgaben zu veranstalten, etwa wie die Tageszeitungen aus besonderen
Anlässen Extraausgaben herausgeben und die ‚Arbeiter-Zeitung‘ be
kanntlich in den Tagen des 15. Juli 1927 die sogenannten Mitteilungen
herausgab. Die Sonderausgabe trug die Nummer 1 und es ist seitdem
schon eine zweite Nummer der Sonderausgabe erschienen. Der Zusam
menhang der Sonderausgabe mit dem in der Hauptausgabe der ‚Fackel
geführten Kampf des Herausgebers Karl Kraus gegen die Polizeidirektion ist jedem sofort ersichtlich. Die Verurteilung erfolgte
sohin vollständig zu Unrecht und ich beantrage daher, das Straferkenntnis der Polizeidirektion, sowohl wegen mangelnder Begrün
dung als auch wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.


Robert Schützenhofer


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