Abschrift
Wie wir bereits mitteilten,
hat die Polizei am 14. Juli
als „das Schoberlied“ zum
erstenmal kolportiert wurde, einem unserer
Genossen 90 Exemplare weggenommen, die jedoch auf unsere Intervention
gleich freigegeben wurden.
Wir gestatten uns Ihnen
hiermit einige Mitteilungen über
die gestrige Kolportage zu
machen.
Bei der gestrigen Kolportage
anläßlich des Arbeiter
Sängerfestes, ist die Polizei in ganz unerhörter Weise gegen die
Kolporteure vorgegangen. Wir
hatten an vielen Stellen „das Schoberlied“
kolportiert und zwar hauptsächlich in der Hauptallee
und in
der Nähe der Sängerhalle. Die Ausgabe hatte einen glänzenden Absatz.
Nach einer Stunde Arbeit wurden
jedoch unsere Kolporteure verhaftet.
(bis jetzt haben wir nur von 3
Bezirken Bericht erhalten und auf die
beziehen sich unsere
Mitteilungen.)
Die Exemplare, die die
Polizei vorfand wurden beschlag
nahmt, wobei erklärt wurde,
das Schoberlied sei für die
Straßenkolpor
tage nicht freigegeben worden. Unsere Genossen erklärten, daß dasselbe
schon öfters kolportiert
wurde und daß die Polizei die am 14. Juli
beschlagnahmten Exemplare
gleich wieder frei gab. Doch das nützte nichts.
Der in dem Polizeikommissariat Ausstellungsstraße dienst
habende Wachmann, sein Name konnte bisher nicht
festgestellt werden,
wir
bemühen uns aber diese Feststellung zu machen – sagte einem unserer
Kolporteure, indem er die Hand zum Schlage ausholte,
folgendes: Schon
wieder einer
von ihrer Hass und von ihrem Charakter, denn nur solche
Leute können solche niedrige
Lieder gegen unseren Polizeipräsidenten
verkaufen. Es ist eine
Schande bei einem Sängerfest unseren
Herrn Präsidenten herabzuwürdigen, haben sie so etwas auch
beim deut
schen
Sängerfest gesehen? In diesem Tone wurde die Untersuchung fort
gesetzt und daß der Polizist dem Genossen
keinen Schlag
versetzt hat,
ist nur dem besonnenen und energischen Verhalten unseres
Genossen zu verdanken, der ihm sagte: Es ist keine Kunst als
Schwerbewaffneter gegen
einen wehrlosen Menschen stark zu sein.
Einem anderen Kolporteur sagte derselbe Beamte: Schämt
ihr
euch nicht, gegen
unseren Präsidenten, vor dem jeder den Hut ziehen
muß, solche Lieder zu
verbreiten? Der 15. Juli war für euch zu wenig,
aber wir werden es schon
besser machen. Dabei nannte der Wachmann als
Beispiel einige
Terrorländer, wie Italien, Ungarn und Polen u.s.w.
Die Genossen wurden solange
am Kommissariate behalten, bis über sie
Information eingeholt wurde,
daß sie ordentlich gemeldet und gegen
sie nichts vorliege.
Die Kolportage wäre glatt
vor sich gegangen, wenn es möglich
gewesen wäre, am Festplatz
selbst dieselbe zu vertreiben. Das gestatte
ten jedoch die
sozialdemokratischen Funktionäre nicht und erklärten,
sie hätten den Platz
gemietet und falls die Genossen nicht sofort
weggingen, sie sie verhaften
lassen würden. Die Schwierigkeiten wurden
also nicht nur von der
Polizei, sondern auch von den offiziellen
Veranstaltern des gestrigen
Arbeiter-Sängerfestes gemacht.
Wir senden heute einen
Bericht an die proletarischen
Pressen über die gestrige Verhaftungen und insbesondere über die
Brutalitäten der Polizei
gegenüber den Kolporteuren.
Wir werden trotz dieser
Erfahrungen die Kolportage fort
setzen, zumal das Schoberlied sehr gerne gekauft wird.
Wir werden
über die
Erfahrungen der anderen Bezirkskolporteure berichten,
sobald wir Kenntnis hievon
erhalten.
Mit vorzüglicher
Hochachtung
Österreichische Rote Hilfe
Schorr
P.S.
Bei einem Kolporteur wurden 904 Exemplare,
bei einem anderen 61
beschlagnahmt.