10.
P.299.29
Im Namen des Volkes!
Privatklagesache
des Schriftstellers Karl Kraus,
Wien, Hintere Zollamtsstraße 3,
Privatklägers,
gegen
den Theodor Wolff, Chefredakteur des Berliner
Tageblatts
Berlin, Hohenzollernstraße
17,
Angeklagten,
wegen Beleidigung.
Auf die Berufung des Privatklägers
gegen das Urteil des
Amtsrichters in Berlin-Mitte, Abt. 149
vom 29. Oktober / 5. No
vember 1929 hat die 10. Kleine Strafkammer des Landgerichts Iin Berlin in der
Sitzung vom 19. Oktober 1931, an der teilge
nommen haben:
Landgerichtsrat Dr. Paulus
als Vorsitzender,
Elise Deskowski, Posamentierhändlerin,
Robert Reigber, Schlächtermeister
als Schöffen,
Justizangestellter Heinel
als Urkundsbeamter der
Geschäftsstelle,
für
Recht erkannt:
Das Vorderurteil wird insoweit aufgehoben, als es den
Privatkläger
auf die Widerklage hin wegen öffentlicher Be
leidigung zu Strafe und
Kosten verurteilt und dem Angeklagten
die Publikation zubilligt.
Der Privatkläger
wird von der Anklage der Beleidigung
des Angeklagten
auf Kosten des Angeklagten freigesprochen.
Im übrigen wird die Berufung
des Privatklägers auf seine
Kosten verworfen, daß der
Angeklagte
in dem einen Falle von
der
Anklage der Beleidigung freisgesprochen, in einem wei
teren Falle der
Beleidigung für schuldig, aber für straffrei
erklärt wird.
Gründe.
Durch das vorbezeichnete Urteil sind der Angeklagte
von
der Anklage der Beleidigung in zwei Fällen aus §§
185, 186,
187, 200, 74 St.G.B.
freigesprochen, auf die Widerklage hin
jedoch der Privatkläger wegen
öffentlicher Beleidigung aus
§§ 185, 200 St.G.B. zu
einer Geldstrafe von 100.– RM ver
urteilt worden.
Gegen das genannte Urteil hat der Privatkläger
form
und
fristgerecht Berufung eingelegt.
Die Hauptverhandlung vor dem
Berufungsgericht hat fol
genden Sachverhalt ergeben:
Der Zeuge Dr. Alfred Kerr
war gegen Ende des Weltkrie
ges für den im Scherlverlag erscheinenden roten „Tag“ haupt
sächlich als Theaterkritiker
tätig. Er verfaßte damals auch
Gedichte, in denen er das deutsche Volk zur Besiegung seiner
Feinde aufforderte. Damals
und schon früher lehnte Kerr
häufig in seinen Kritiken
den bekannten Theaterdirektor
Professor Dr. Max Reinhardt mit scharfen
Worten ab.
Im September 1919 wurde Dr.
Kerr als Nachfolger
Schlenthers als Theaterkritiker für das „Berliner
Tageblatt“,
dessen
Chefredakteur der Angeklagte ist, verpflichtet.
Am 27. November 1927
veröffentlichte der Schriftsteller
Pfemfert in der „Prager
Presse“ einen Aufsatz: „Der
großeGegenspieler
Wilhelms des II.“ „Mit Maximilian Harden wäh-
rend der letzten Tage
seines Lebens.“
Pfemfert berichtet in diesem Artikel, der am 30. Oktober
1927 in Montana Domala in der Schweiz verstorbene Schrift
steller Maximilian
Harden habe sich kurz vor seinem Tode
auch über die Änderung der
Stellung Kerrs nach seinem Über
tritt zum „Berliner
Tageblatt“ gegenüber Reinhardt
geäußert,
über den seine
Kritiken nunmehr günstig geworden seien.
Harden soll
wörtlich gesagt haben: „Tja, dieser Herr AlfredKerr, der mich,
den seit Jahren zum Schweigen Verurteilten,
unlängst wieder in Sami Fischers
Rundschau als die Schau
spielerin Harden
bezeichnete, hats nötig. Wütender Gegner
Reinhardts. Sein Engagement bei Wolff wird
von einer besse
ren Haltung Reinhardt gegenüber abhängig
gemacht. Kerr ist
nun pro. Immer wieder:
Das ist heute Deutschland. Wird als
selbstverständlich
gutgeheißen. Da war ja die Lindauzeit
eine engelsreine
Epoche.“
Diese angebliche Äußerung
Hardens
zitierte der Privatkläger, der der heftigste Gegner Dr. Kerr’s ist, wörtlich
in seiner in Wien erscheinenden Zeitschrift „Die Fackel“,
und zwar auf Seite
204 in der Nummer vom Anfang September1928, die unter dem
Titel erschien „Der größte Schuft imganzen Land“ „(Die
Akten zum Fall Kerr)“.
Der Privatkläger
fügte dem Zitat der Hardenschen Äuße
rung hinzu:
„Wiewohl sich das bestimmt auf
kein Land, sondern auf
eine Zeitung und ihren Kritiker bezieht, hat dieser bis heute
geschwiegen. Ich könnte
nicht beweisen, daß es wahr ist;
aber ich kann beweisen,
daß es einer gesagt und einer dazu
geschwiegen
hat“.
Diese Nummer
„Der Fackel“ sowie die folgenden kündete
der Privatkläger
in Berlin dadurch an, daß er große Plakate
mit den auffallenden Titeln
an die Litfaßsäulen heften und
durch die Straßen tragen ließ.
Als Antwort darauf erschien
am 6. September 1928 in der
Abendausgabe des „Berliner
Tageblatts“ ein „Verleumdungsparadies“ überschriebener Artikel des Zeugen Dr. Kerr, in dem
dieser u. a. ausführte:
„Gegen
den Satz, ich sei zu irgend einer
Haltung verpflichtet
worden, läßt sich nichts einwenden,
außer etwa, daß er
erstunken und erlogen ist.“ Der Angeklagte
fügte dem Artikel einen kurzen Nachsatz bei, in dem es
heißt:
„Obschon die erwähnte
Mitteilung der zwei Herren kein ern
ster Anlaß zur
Widerlegung sein kann, stellt der Chefredakteur
des Berliner Tageblatts fest, daß die von ihnen vorge
brachte Verdächtigung in
das Reich der einfachen Lüge ge
hört.“
Ferner äußerte sich der
Angeklagte in 3 Briefen vom
14. September 1928 an Leser des Berliner Tageblatts, die sich
erkundigten, weshalb die Redaktion
sich nur in dieser Form
verteidigt habe, in ähnlicher Weise. Er spricht in diesen
Briefen von „lügenhafter
Behauptung“ „lügenhafter Geschich
te“,
behauptet, das Verhalten des Privatklägers beruhe auf
„Reklamebedürfnis,“
auch sei dieser nicht die „opferbereite
Kämpferseele“,für die „naive und kenntnislose
Personen“ ihn
hielten.
Der in dem Aufsatz vom 6. September 1928 gemachte Vor
wurf der
einfachen Lüge, sowie der Inhalt der 3 Briefe, bil
den den Gegenstand der Privatklage. Der Strafantrag ist
rechtzeitig.
Obwohl hinsichtlich der in
der Septembernummer 1928der
„Fackel“ gebrauchten Äußerungen Widerklage nicht erhoben
ist, waren diese auf ihre
rechtliche Bedeutung zu untersu
chen, weil hiervon die
Würdigung des den Gegenstand der Klage
bildenden Verhaltens des Angeklagten
mit abhing.
Die angeblichen Worte Hardens, Kerrs Engagement bei
Wolff sei von
einer besseren Haltung Reinhardt gegenüber ab
hängig gemacht
worden, stellen die Behauptung einer Tatsache
dar, die nicht nur Kerr, sondern auch den Angeklagten in
der
öffentlichen Meinung
in bewußt ehrverletzender Weise herab
zuwürdigen geeignet ist.
Denn vom Angeklagten wird damit
behauptet, daß er zugunsten
seiner persönlichen Freundschaft
mit Reinhardt die Freiheit der Kunstkritik vergewaltigt habe.
Ob der Privatkläger
diese Behauptung Hardens sich zu eigen
gemacht und damit ebenfalls
behauptet hat, kann dahingestellt
bleiben, da er sie durch
Aufnahme in die „Fackel“ zum
minde
sten
verbreitet und dadurch den Tatbestand des § 186 StGBs
erfüllt hat. Die vom Privatkläger
verbreitete Tatsache ist
aber
nicht erweislich wahr, da das Gericht auf
Grund der
Beweisaufnahme
nicht die Überzeugung erlangt hat, daß eine
derartige unsittliche
Vereinbarung zwischen dem Angeklagten
und Kerr zustandegekommen ist.
Fest steht allerdings, daß
Harden die
von Pfemfert be
richtete Äußerung gemacht
hat; dies bekundet nicht nur der
Zeuge Pfemfert in der Vorinstanz unter seinem Eide, sondern
auch die mit Harden eng
befreundete Zeugin Schmaltz. Diese
hat sogar ausgesagt, Harden habe
ihr weiter erzählt, Reinhardt
habe ihr mitgeteilt, daß Wolff ihm
selbst von der mit Kerr
abgeschlossenen Vereinbarung
berichtet habe. Mit dem Beweis
der Äußerung Hardens ist jedoch keineswegs erwiesen, daß die
behauptete Vereinbarung in
der Tat geschlossen worden ist;
denn Harden war mit
Kerr verfeindet; auch war er eine poli
tische
Kämpfernatur, die die Dinge wohl oftmals sehr subjek
tiv sah. Gegen die
Richtigkeit der Behauptung Hardens
spricht, daß Kerr unter seinem Eide jede Bindung seitens
des
Angeklagten
bestreitet und behauptet, er habe Reinhardt,
den
er bei seinem ersten
Auftreten lebhaft begrüßt habe, je nach
seinen Leistungen
verschieden, aber stets gerecht und völlig
unbeeinflußt beurteilt. Auch
der Zeuge Reinhardt stellt die
Richtigkeit der Behauptung
Hardens
über die Äußerung des
Angeklagten
ihm – dem Zeugen – gegenüber entschieden in Ab
rede. Schließlich leugnet
der Angeklagte
selbst mit Bestimmt
heit jede derartige Vereinbarung mit Dr. Kerr.
Der Privatkläger
hat zum Beweise noch eine Anzahl Indi
zien vorgebracht. Kerr habe, wenn er nach seinem Engagement
am „Berliner
Tageblatt“ einmal in seinen Kritiken eine un
günstige Äußerung über Reinhardt „Theateraufführungen“ ge
bracht habe, diese stets mit
Floskeln wie „man müßte ein
Schubiak sein, wenn man dies nicht sagte“ und dergl. ein
geleitet. Dies lasse darauf
schließen, daß er mit solchen
Bemerkungen an sich gegen eine Vertragspflicht verstoße.
Dieser Auffassung kann
mangels weiterer Anhaltspunkte je
doch nicht gefolgt werden.
Der Privatkläger
hat ferner behauptet, es sei bei dem
Verlage Mosse, in dem das „Berliner Tageblatt“ erscheint,
stets eine derartige
Beeinflussung üblich gewesen. In der
Tat hat der Zeuge Dr. Lapp, der in den Jahren 1917–1919 The
aterkritiker des
„Berliner
Tageblatts“ war, bekundet, es sei
ihm von dem Zeugen Block in versteckter Form nahegelegt
worden, in seinen Kritiken
den Freund des Angeklagten,
Reinhardt, zu schonen. Demgegenüber hat jedoch
der Zeuge
Dr. Block, der Chefkorrespondent des „Berliner
Tageblatts“,
erklärt, daß ihm derartige Beeinflußungen unbekannt seien.
Es kann aber der Widerspruch
in den Zeugenaussagen auf sich
beruhen bleiben, da ein Beweis, daß der Angeklagte irgend
wie einen Kritiker,
insbesondere Dr. Kerr beeinflußt hätte,
jedenfalls nicht erbracht
ist. Es muß vielmehr angenommen
werden, daß die jetzige
günstigere Einstellung Dr. Kerr’s
den Aufführungen Dr. Reinhardt’s gegenüber nicht auf unlau
teren
Beweggründen beruht.
Die vom Privatkläger
verbreitete Tatsache ist daher
nicht erweislich wahr.
Da der
Strafausschließungsgrund des § 193 St.G.B. nicht
gegeben ist, so hat der Privatkläger
durch den Artikel im
Heft vom
September 1928 seiner Fackel eine strafbare üble
Nachrede im Sinne des § 186 StGB gegenüber dem Angeklagten
begangen.
Der Angeklagte hat
in seiner Erwiderung im „BerlinerTageblatt“ vom 6.
September 1928 sich nun zunächst dahin
geäußert, daß die „Mitteilung …
kein ernster Anlaß zur
Widerlegung sein kann“. Mit Recht hat der Vorderrichter
hierin weder eine formale
Beleidigung, noch eine üble Nach
rede erblickt.
Anders verhält es sich
jedoch mit dem weiter im „Berliner
Tageblatt“ gemachten Vorwurf der „einfachen Lüge“.
Da
mit wirft
der Angeklagte
dem Privatkläger vor, bewußt eine
Unwahrheit gesagt zu haben;
er behauptet damit eine bewußt
ehrenkränkende Tatsache im Sinne des § 186 St.G.B.
Erweis
lich
wahr wäre der Vorwurf der Lüge nur dann, wenn der Angeklagte die
Behauptung Hardens sich zu eigen gemacht und in
Kenntnis ihrer Unwahrheit
verbreitet hätte. Mindestens daß
das letztere der Fall ist,
steht nicht fest. Es ist im
Gegenteil wahrscheinlicher, daß der Privatkläger
die Be
hauptung
Hardens
für richtig hielt und wohl noch hält.
Der von dem Angeklagten
dem Privatkläger gegenüber er
hobene Vorwurf der „einfachen
Lüge“ erfüllt daher den Tat
bestand des § 186 St.G.B. Dem Angeklagten
steht jedoch der
Schutz des
§ 193 StGB zur Seite. Gegenüber dem schweren
und unberechtigten Angriff
auf seine Ehre mußte er Worte
der Abwehr gebrauchen, aus denen hervorging, daß er den Vor
wurf ernstlich und mit
Empörung zurückwies. Eine Beleidi
gungsabsicht geht weder aus
der gewählten Form noch den
sonstigen Umständen bei dieser Sachlage hervor.
Wegen des im „Berliner Tageblatt“ vom 6.9.1928
erschie
nenen
Aufsatzes war daher der Angeklagte
freizusprechen.
Teilweis anders verhält es
sich mit den in den 3 Brie
fen vom 14. September 1928
gebrauchten Wendungen. Die Worte:
„lügenhafte
Geschichte“ und „lügenhafte
Behauptung“ sind
inhaltlich gleich bedeutend mit den Worten: „einfache Lüge“.
Für sie gilt daher das
Obengesagte.
Der Vorwurf, daß der Privatkläger
die Äußerung Harden’s
nur aus
„Reklamebedürfnis“ d.h. wesentlich auch aus ge
schäftlichen Gründen
weiterverbreitet habe, ist eine die
Ehre des Privatklägers
als Publizisten herabsetzende Behaup
tung. Den Wahrheitsbeweis
sieht das Gericht nicht als er
bracht an. Der
Privatkläger hat, wie der Zeuge Fischer be
kundet, in weit geringerem
Maße Reklame gemacht als üblich.
Daß der Privatkläger
in vielleicht etwas auffallender Weise
seine Zeitschrift „Die Fackel“ ankündigte, ist darauf
zurück
zuführen, daß ihm daran lag, seinen Kampf gegen Kerr in mög-
lichst breitester
Öffentlichkeit zu führen.
Ebenso verhält es sich mit
der Bemerkung, der Privatkläger sei nicht die opferbereite Kämpferseele, für die ihn
naive Seelen hielten, durch
die dem Privatkläger in belei
digender Form der Vorwurf
der inneren Unwahrhaftigkeit ge
macht wird. Auch hier ist
die Wahrheit der behaupteten Tat
sache nicht erwiesen. Der
Schutz des § 193 St.G.B. konnte
dem Angeklagten
wohl
nicht
zugebilligt werden, da der Angeklagte
seine diesbezüglichen
Behauptungen ohne hinreichende Unter
lagen, mithin fahrlässig
aufgestellt hat.
Hat sich mithin der Angeklagte in
den drei Briefen vom
14.
September
1931
1928
der Beleidigung des Privatklägers schuldig
gemacht, so war jedoch zu
berücksichtigen, daß diese Belei
digungen durch die bereits
festgestellte üble Nachrede des
Privatklägers
ausgelöst und in Erregung und berechtigter
Empörung erfolgt sind. Das
Gericht hat daher den Angeklagten
insoweit unter Anwendung des
§ 199 St.G.B. für straffrei er
klärt.
Der Angeklagte hat
seinerseits Widerklage erhoben. Die
ser liegt folgender
Sachverhalt zugrunde.
Nachdem die Artikel Kerrs und des Angeklagten im
„Berliner Tageblatt“ vom 6.
November
1931
1928
erschienen waren, ver
öffentlichte wiederum der
Privatkläger in seiner „Fackel“
und zwar in
der Nummer vom Anfang Dezember 1928, einen Auf
satz: „Der
größte Schriftsteller im ganzen Land.“ In diesem
heißt es auf S. 81: „ Ich weiß, daß es ein frecher
Schwindel
ist, wenn
vor den Lesern des Berliner
Tageblatts so getan
wird, als ob ich mir
diese Worte eines Sterbenden, das von
ihm behauptete Faktum,
unmittelbar zu eigen gemacht hätte.
Denn ich habe bloß darin
die Schande erblickt, daß die in
der ‚Prager Presse‘ enthaltene Beschuldigung
unwidersprochen
geblieben ist.“ Weiter unten heißt es dann: „Was aber den
Herrn Theodor
Wolff anbelangt, so werde ich ihm geeigneten
Orts Gelegenheit bieten,
zu beweisen, daß sie unwahr sind.“
Der Angeklagte
fühlt sich durch den Vorwurf „ frechen
Schwindel“
beleidigt.
Das Gericht hatte zunächst die prozessuale Frage zu
prüfen, ob die Widerklage
gemäß § 391 StPO als zurückgenom
men zu gelten habe, weil der
Angeklagte
in dem Verkündungs
termin vom 5. November 1929 weder erschienen, noch vertreten
war. Das Gericht hat sich dieser in der Literatur und Recht
sprechung
teilweise vertretenen Ansicht nicht angeschlossen.
Denn aus der
Nichtanwesenheit im Verkündungstermin kann ohne
weiteres nicht geschlossen
werden, daß die betreffende Par
tei kein Interesse mehr am
Verfahren habe und durch ihr
Ausbleiben erklären wolle, daß sie die Privatklage, bezw.
die Widerklage zurücknehme.
Auf die Widerklage hin mußte jedoch der Privatkläger
freigesprochen werden.
Das Wort „frecher Schwindel“
bezieht sich nach der
Überzeugung des Berufungsgerichts nicht
auf den Angeklagten,
sondern nur auf Dr. Kerr. Das ergibt sich
daraus, daß die
dieser
Äußerung vorhergehenden Sätze des Absatzes sich le
diglich mit Kerr befassen, und daß erst mehrere Sätze nach
dem inkriminierten Ausdruck
durch die Wendung „Was aber den
Herrn Theodor
Wolff anbelangt“ die Rede wieder auf den Angeklagten gebracht
wird. Für die Richtigkeit dieser Ansicht
spricht auch, daß der Privatkläger
seinen Haß in weit höhe
rem Maße auf Kerr gerichtet hat, als auf den Angeklagten.
Durch
die von dem Privatkläger gebrauchte Wendung ist daher
der Angeklagte
nicht beleidigt.
Die Kostenentscheidung
beruht auf §§ 465, 473, 471 StPO.
gez. Paulus.
Ausgefertigt:
Berlin NW. 40, den 19. Januar 1932
Alt Moabit 11.
[Unterschrift]
Justizangestellter
als
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.