Sehr geehrter Herr!
Sie haben auch meine Zuschrift vom 5. Jänner1929 unbeantwortet
gelassen. Dass Sie in dem Artikel „Die
sichselbst
spielen“ Gedanken und Formulierung der „Fackel“ verwendet
haben, darüber könnte es
keinen Zweifel geben. Das Ersuchen um
Feststellung des
Sachverhaltes haben Sie vielleicht mit Rücksicht
auf die Schwierigkeit der
juristischen Materie unbeachtet gelassen.
Diese Schwierigkeit, die
auch ich ohne weiteres zugebe, weil nach dem
Urheberrechtsgesetz Gedanken
und stilistische Wendungen vielleicht
nicht so deutlich geschützt
sind wie ein grösserer Abschnitt wert
loseren Textgutes, wird
Herrn Karl
Kraus nicht abhalten, die unter
allen Umständen erreichbare
Klarstellung vornehmen zu lassen, dass
hier eine Aneignung seines
geistigen Besitzes vorliegt. Ich nehme
an, dass Sie sich
gegebenenfalls, um Ihr Vorgehen unbedenklich er
scheinen zu lassen, darauf
berufen würden, dass es sich hier um die
Zitierung von Worten
handelt, die bereits, sozusagen als „geflügelte
Worte“, in Umlauf gekommen
und zum Gemeingut geworden seien. Herr
Karl Kraus ist
auch ohne weiteres bereit, diese Rechtfertigung anzu
nehmen, wenn Sie sie vor Ihrem Leserkreis zum Ausdruck bringen. Ich
fordere Sie demnach
auf, in der nächsten oder übernächsten Nummer
der „Bühne“ der folgenden Erklärung Raum zu geben:
„Die in der Nr. 213 vom 6. Dezember 1928 im Artikel ‚Die sichselbst spielen‘
enthaltene Wendung, ‚Defektschauspieler‘
im Gegensatz zum
‚Effektschauspieler‘ entstammt einer
theaterkritischen Betrachtung, die seinerzeit in der ‚Fackel‘
von Karl Kraus
erschienen ist. Der Ursprung war als hin
reichend bekannt vorausgesetzt
worden; für diejenigen Leser,
für
die diese Annahme nicht zutrifft, tragen wir die
Quellenangabe nach“.
Mit vorzüglicher
Hochachtung