An das
Strafbezirksgericht IWien.
Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in WienIII., Hintere
Zollamtsstrasse Nr. 3.
durch:
Vollmacht bereits
ausgewiesen
zu 1 U 20/29
Beschuldigter: Dr. Siegfried Klausner, verantwort
licher
Schriftleiter des „Abend“ in WienIX., Universitätsstrasse
Nr. 6–8.
wegen §§ 23, 24 Pr.G.
1 fach
3 Beilagen
Privatanklage.
In der Nr. 285 der Zeitung „Der Abend“ vom12. Dezember 1928
erschien auf Seite 4 eine Notiz: „Karl
Krausund Henri Barbusse an den österreichischen Justizminister“, in
welcher ein von mir und Henri Barbusse an das Bundesministerium
gerichtetes Schreiben in
falschem Wortlaut wiedergegeben war.
Da der Beschuldigte die von mir
eingesendete Berichtigung des
Wortlautes nicht veröffentlicht hatte, habe ich gegen ihn die
Privatanklage erhoben und das Verfahren wurde zur G.Z.
1 U 20/29
geführt. Bei der
Hauptverhandlung vom 22. Jänner 1929 wurde diese
Strafsache damit erledigt,
dass der Beschuldigte, vertreten durch
Dr. Felix Kardegg, die
Verpflichtung auf sich nahm, die Berichtigung zu veröffentlichen und die Kosten zu bezahlen. Die Ver
öffentlichung der
Berichtigung in der Nummer vom 24. Jänner 1929
gab aber nunmehr den
Wortlaut der Berichtigung nicht richtig
wieder. Das Berichtigungsschreiben war mit den Worten einge
leitet: „Sie veröffentlichen, dass Karl Kraus und Henri Barbusse
an das Bundesministerium
folgendes Schreiben gerichtet haben“,
der „Abend“ veröffentlichte
anstatt dieses Satzes lediglich
„Sie schreiben“ und die Worte „dass Karl
Kraus“ bis „gerichtet
haben“ wurden überhaupt nicht veröffentlicht. Mein Anwalt schrieb
daher am 6. Februar 1929 an den Anwalt des Beschuldigten Dr.
Felix Kardegg, er möge
veranlassen, dass die Berichtigung ordnungs
gemäss gebracht
wird, da ansonsten Exekution geführt werden müsste,
weil durch die Aenderung der
Worte „Sie veröffentlichen, dass KarlKraus und Henri Barbusse an das Bundesministerium folgendes
Schreiben gerichtet
haben“ in „Sie schreiben“ der Anschein er
weckt wird, dass
nicht der Wortlaut, sondern der Inhalt des Schrei
bens an das Bundesministerium berichtigt werden sollte.
Der
„Abend“
veröffentlicht auch tatsächlich am 11. Februar 1929 die
Berichtigung nunmehr im genauen Wortlaute, mit
folgender Einlei
tung:
„Am 12. Dezember
v.J. haben wir die Mitteilung einer Korrespon
denz über ein
von Karl
Kraus gemeinsam mit Henri Barbusse
an den Justizminister gerichtetes Schreiben
veröffentlicht.
Was
mit dem armen Teufel geschehen ist, um den
sich damals
Karl Kraus
und Henri Barbusse in dankenswerter Weise
an
nahmen,
darum hat sich Herr Kraus dem Anscheine nach nicht
mehr gekümmert, denn er
hatte sich sehr eingehend mit der
Veröffentlichung dieses
Korrespondenzberichtes zu be
schäftigen.
Es waren in dem Berichte zwei Worte in einer
Weise wiedergegeben die
dem bekannt feinem Sprachgefühl
des Herrn Kraus nicht
passten. Er hat uns darob eine
Berichtigung gesendet, die wir, obwohl es sich
nicht um
den Sinn,
sondern nur um leere Worte handelte, abdrucken
mussten. Der Vertreter des Herrn Kraus hatte die Berichtigung
mit den Worten eingeleitet: ‚Sie veröffentlichen‘.
In der Wiedergabe der
Berichtigung des ‚Abend‘ hiess es
aber: ‚Sie schreiben‘. Da das Pressgesetz sagt,
dass eine
Berichtigung
‚ungekürzt und unverändert‘ abzudrucken ist,
benützt dies Herr Karl
Kraus, um uns durch seinen
Rechtsanwalt zu dem neuerlichen Abdruck der Berichtigung
zu nötigen.“
In dieser Einleitung waren
folgende
mich
betreffenden Tatsachen unrichtig.
a) Dass ich mich nicht mehr
um Mavrak gekümmert habe;
b) dass zwei Worte in einer
Weise wiedergegeben waren, die
meinem bekannt feinen Sprachgefühl nicht passten;
c) dass der Vertreter des Herrn Kraus die Berichtigung
mit den Worten eingeleitet
hat „Sie veröffentlichen“, in der
Wiedergabe es aber geheissen
habe „Sie schreiben“;
d) dass ich die Bestimmung
des Pressgesetzes, „dass eine
Berichtigung ‚ungekürzt
und unverändert‘ abzudrucken ist,
benützt habe, um den
‚Abend‘ durch meinen Rechtsanwalt
zu
dem neuerlichen
Abdruck der Berichtigung zu nötigen.“
Um die Mitteilung dieser
unrichtigen
Tatsachen zu
berichtigen, habe ich durch meinen Anwalt am
15. Februar 1929 das unter
c) beigelegte Berichtigungsschreiben
dem Beschuldigten geschickt, der
es am 19. Februar 1929 er
halten hat. Weder in der Nummer des 20. noch 21. Februar 1929
des „Abend“ ist die Berichtigung
erschienen. Hiedurch hat der
Beschuldigte die Uebertretung nach § 24, Absatz 2, Ziffer 3des Pressgesetzes begangen.
Beweis : Die Nummer des „Abend“ vom 24. Jänner 1929
und 11. Februar 1929, das Berichtigungsschreiben vom 15. Februar 1929, der Akt
1 U 20/29.
Ich stelle durch meinen
bereits ausge-
wiesenen Anwalt folgende
Anträge:
1.) Anberaumung einer
Hauptverhandlung,
2.)
Ladung des Beschuldigten,
3.)
Verlesung des Berichtigungsschreibens und der vorge
legten
Zeitungsnummern,
4.)
Bestrafung des Beschuldigten und Erkenntnis auf Ver
öffentlichung der
Berichtigung,
5.) Verpflichtung des Beschuldigten
und zur ungeteilten
Hand mit
ihm des Herausgebers Karl Colbert, des
Eigentümers
und Verlegers
„Arbeitsgemeinschaft der Schriftleiter,
Verwaltungsbeamten und Hilfskräfte des ‚Abend‘ (Verlag Wiener Zeitungen,Ges.m.b.H.)“
sämtliche in Wien IX.,
Universitätsstrasse Nr. 6–8
zum Ersatz der
Verfahrenskosten.