Arbeiter-ZeitungDie FackelArbeiter-Zeitung, 11.3.1929


Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus
fordere ich die Aufnahme der Berichtigung der in Ihrer Nr. 70 vom11. März 1929 in dem Artikel „Literatur vor dem Handelsgericht“ mit
geteilten meinen Mandanten betreffenden Tatsachen gemäss § 23 Pr.G.


Sie schreiben: „So hat es wenigstens KarlKraus gesagt, der in dem ‚Rechenschaftsbericht‘, mit dem wir uns
auseinandergesetzt haben, jene ‚Kürzungen‘ in dem Aufsatz des HerrnLeschnitzer auch als ‚Vergewaltigung eines Mitarbeiters‘ bezeichnet
hat, ‚an dessen Manuskript die Tat hinterrücks begangen wurde‘; das
wäre – höchst schauderbar – ‚eine Lumperei gegen den Einsender, dem
ein geistiges Recht verkürzt wird‘. Wohlgemerkt und gegen jeden Ver
such einer Verdrehung gesichert: es geht gar nicht darum, was ge
strichen wurde, ‚Vergewaltigung‘ und ‚Lumperei‘ soll es sein, dass
in einem Manuskript des Herrn Leschnitzer überhaupt gestrichen wor
den ist.“ Die in diesem Satz enthaltenen Behauptungen sind unwahr.
Es ist unwahr, dass Karl Kraus zum Ausdruck gebracht hat, es gehe
nicht darum, was gestrichen wurde. Es ist unwahr, dass Karl Kraus
gesagt hat, es sei Vergewaltigung und Lumperei, dass in einem
Manuskript des Herrn Leschnitzer überhaupt gestrichen wurde. Wahr
ist, dass Karl Kraus in dem „Rechenschaftsbericht“ (S. 40) von der
Vergewaltigung eines Mitarbeiters gesprochen hat, „an dessen
Manuskript hinterrücks die Tat begangen wurde und zwar ausschliess
lich aus dem Grund, weil mein Name im Spiele war“. Es ist unwahr,
dass Karl Kraus gesagt hat, es wäre eine Lumperei gegen den Ein
sender, dem ein geistiges Recht verkürzt wird. Wahr ist, dass er
(S. 42, 43) gesagt hat: „Der Bekannte, dem ich meine Entdeckung mit
teilte, schwor, dass es sich erweisen werde, ich hätte mit meinem
Verdacht der Arbeiter-Zeitung unrecht getan, weil eine solche
Lumperei in solchen publizistischen Kreisen denn doch nicht mög
lich sei, eine Lumperei gegen den Einsender, dem ein geistiges Recht
verkürzt wird, eine Lumperei gegen mich, den er die geistige Ehre
zuerkennen wollte“. Wahr ist, dass er lediglich und ausdrücklich
eine hinterrücks erfolgte Streichung und zwar die einer auf ihn be
züglichen Stelle besprochen hat.


Sie schreiben: „Wir wollen deshalb feststellen, dass
Karl Kraus, wenn es sich nicht um Beiträge für die Arbeiter-Zeitung,
sondern um Beiträge für die ‚Fackel‘ handelt, über das Recht, sie zu
kürzen und abzuändern, ganz anders denkt“. Diese Behauptung ist
unwahr. Wahr ist, dass er, wenn es sich um Beiträge für die Fackel
handelt, keineswegs anders denkt.


Sie schreiben: „Wir können das Datum nicht zitieren,
aber wir irren uns gewiss nicht, dass sich Kraus gar nicht selten
gerühmt hat, den seinem Blatte eingesendeten Manuskripten ‚Lichter
aufgesetzt zu haben‘, was sicherlich viel einschneidendere Aenderun-
gen gewesen sind als die, die wir dem Leschnitzer-Manuskript
widerfahren liessen; wir lesen just in der letzten ‚Fackel‘ die
Bemerkung: ‚Ganz wie der korrigierende Plan es vermöchte, den ich
selbst so oft an fremde Manuskripte gewandt habe‘, und auch die,
‚der schöpferische Anteil des Striches kann grösser sein als der
des Restes‘“. Die hier ausgesprochene und mit dem Zitat ver
knüpfte Behauptung ist unwahr. Es ist unwahr, dass Karl Kraus sich
gar nicht selten gerühmt hat, den seinem Blatt eingesendeten Manu
skripten „Lichter aufgesetzt zu haben“. Es ist unwahr, dass er diese
Worte gebraucht hat. Wahr ist, dass die in den anderen zitierten
Sätzen einbekannte Aenderungen fremden Manuskripten niemals hinter
rücks, sondern stets mit Wissen und Zustimmung der Autoren erfolgt
ist und dass diese Aenderungen oder Streichungen nicht Stellen
betroffen haben, deren Tendenz der Fackel nicht genehm war, viel
mehr stilistische und künstlerische Aenderungen an Versen waren,
sogar, wie es dort ausdrücklich heisst, an berühmten Werken der
Lyrik, „mit dem Nachweis, wie der Organismus eines Verses, der in
seiner Umgebung erstirbt, zu retten gewesen wäre“.


Sie schreiben: „Aber welche Lächerlichkeit, da von
einer ‚Vergewaltigung‘ des Autors zu reden, und wie sinnlos dieser
Anwurf von einem, der es sich als ein wahrhaftiges Verdienst (und
es kann eines gewesen sein!) anrechnet, die Manuskripte, die ihm
zugegangen sind, nach Herzenslust verändert und korrigiert zu
haben!“ Es ist unwahr, dass Karl Kraus es sich als Verdienst an
rechnet, die Manuskripte, die ihm zugegangen sind, nach Herzenslust
verändert und korrigiert zu haben. Wahr ist, dass eine Veränderung
und Korrektur nur dann erfolgt ist, wenn der Autor damit einver
standen und nicht, wenn es ihm gerade um die zu streichende Stelle
zu tun war, in welchem Falle die Ablehnung des Manuskriptes erfolgt
wäre.


Rekommandiert
mit Rückschein.


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