Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
Ihr Schreiben vom 13. Juni ist Ihnen bereits durch mein
Büro bestätigt worden.
Vor allen Dingen bitte ich Sie,
mir zu glauben, dass auf
meiner
Seite nicht die geringste Absicht einer Kränkung vorlag.
Ich würde es lebhaft bedauern,
wenn Sie und Herr Karl Kraus das
so empfänden. Ich habe nach der
Uraufführung der „Unüberwindlichen“, die ich in Dresden sah, in
Begeisterung
für das Werk das Stück sofort erworben, und Sie
dürfen mir glauben,
dass nur die
schwierigsten Umstände und unüberwindlichen Hemmun
gen es waren, die mich dazu
führten, das Stück in dieser Spiel
zeit nicht
aufzuführen. Damit hängt es auch zusammen, dass Sie
eine bestimmte Antwort nicht
früher erhalten haben, weil immer
wieder versucht wurde, das Stück doch
in den Spielplan einzuset
zen, und sich dann immer wieder
von neuem Hindernisse in den Weg
stellten. (Ein städtischer und staatlicher Betrieb ist in dieser
Zeit viel schwerer zu führen als
ein Privattheater.)
Ich bitte Sie nun, überzeugt
zu sein, dass ich das Werk
in der nächsten Spielzeit
bestimmt zur Aufführung bringen werde,
ersuche Sie aber, den
Endtermin auf spätestens 28. Februar 1931
festzusetzen. Der Grund
dieser meiner Bitte ist der, dass ich
einen grösseren Spielraum
habe, und Herr Karl Kraus hat anderer
seits die Gewähr,
in der allerbesten Theaterzeit aufgeführt zu
werden. Ich verpflichte mich
ferner, mindestens 4 Wochen vor der
Aufführung Ihnen den Termin
mitzuteilen und selbst mitzuwirken,
um Herrn Kraus die Möglichkeit von Vorlesungen, die für Frankfurt
nach meiner Ueberzeugung ein
grosses künstlerisches Ereignis
bedeuten werden, zu
verschaffen und zu erleichtern. Ich würde
mich ausserordentlich
freuen, wenn Herr Karl Kraus bereit wäre,
eventuell in einer
Morgen-Veranstaltung an einem Sonntag oder
am Abend nach einer
Vorstellung im Schauspielhaus selbst
eine
Vorlesung zu halten.
Mit der Erhöhung der
Vertragsstrafe auf 2000.– RM erkläre
ich mich ebenfalls
einverstanden.
Indem ich Sie nochmals ganz
ergebenst bitte, mit meinem
Vorschlag des Endtermins einverstanden zu sein, begrüsse ich Sie
in ausgezeichneter
Hochachtung und bitte Sie, Herrn Karl Kraus
meine besten Empfehlungen zu
bestellen.
Ergebenst
Dr. Kronacher