Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Sehr geehrter Herr Doktor!


Auf Ihr Schreiben vom 22. Dez. 1930 und im Anschluss
an die Mitteilung meines Büros an Sie vom 27. Dez. 1930
teile ich Ihnen ergebenst mit, dass wir wegen der veränder
ten wirtschaftlichen und politischen Situation zu unserem
Bedauern im Augenblick nicht in der Lage sind, „DieUnüberwindlichen“ von Karl Kraus zu spie
len. Der Justitiar der Städtischen Bühnen steht auf dem
Standpunkt, dass wir diese veränderte Lage nicht voraus
sehen konnten und sie deshalb auch nicht zu vertreten ha
ben. Wir haben diesen Standpunkt zu unserem ausserordent
lichen Bedauern auch anderen Autoren und Verlegern gegen
über einnehmen müssen, weil wir uns, wie ich Ihnen offen
mitteilen will, während der Etatberatungen ganz ausserstan
de sehen, bestimmte Stücke zu spielen. Wir würden dadurch
die Existenz der Städtischen Bühnen, die von der Bewilli
gung des Etats durch die Stadtverordnetenversammlung ab
hängt, absolut gefährden. Ich muss Sie deshalb bitten, mit
der Aufführung des Werkes sich bis nach Verabschiedung
des Etats zu gedulden. Ich schlage aus diesem Grunde einen
Termin im Laufe des Monats Mai vor. Wie sehr mir daran
gelegen ist Karl Kraus zu fördern, mögen Sie daraus
ersehen, dass ich mich schon jetzt bereit erkläre, nicht nur
dabei mitzuwirken, dass Herrn Kraus die Möglichkeit geschaffen
wird, hier eine Vorlesung zu halten, sondern ich möchte HerrnKraus schon jetzt rechtsverbindlich zu einer seiner berühmten
Vorlesungen im Schauspielhause verpflichten. Diese Vorlesung
könnte kurz vor der Premiere seines Stückes sein, sie könnte
aber auch, womit ich durchaus einverstanden wäre, schon vorher,
etwa in der zweiten Hälfte des Februar, oder März oder April
stattfinden. Vielleicht könnte man sogar eine zweite Vorlesung
im Mai dann wiederholen. Ich bitte Sie ergebenst, mir mittei
len zu lassen, wann Herr Kraus bereit wäre, hier im Schauspielhaus zu sprechen und welches äusserstes Honorar er beanspruchen
würde. Ferner bitte ich Sie, sich in unsere Zwangslage zu ver
setzen, die es uns, ohne unser Verschulden, verbietet, in die
sem Augenblick ein Werk aufzuführen, das bestimmten Parteien
ein willkommener Anlass wäre zur Nichtbewilligung der für das
Theater lebensnotwendigen Mittel.


Mit vorzüglicher Hochachtung
und den besten Empfehlungen für Herrn Karl Kraus
ergebenst
Dr. Kronacher


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