Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Sehr geehrter Herr Intendant!


Ich habe mit Theatern alles mög
liche und unmögliche erlebt, aber noch niemals war ich in einer Situation, die
mit der jetzigen nur annähernd vergleichbar wäre. Sie sagen,
dass Sie darüber erstaunt seien, von mir das Schreiben vom17. November erhalten zu haben. Mit ungleich mehr Recht muss
ich darüber erstaunt sein, dass Sie Ihren Brief vom 12. März 1931
so verstanden wissen wollen, dass Sie die „Unüberwindlichen
„in der nächsten Spielzeit“ offenbar zu einem Ihnen beliebigen
Termine aufführen dürfen. Wenn ich zu Ihrer Entschuldigung
nicht noch annehmen könnte, dass der Verfasser des Briefes vom23. November 1931 nicht Sie sind und ein anderer ohne die vor
herige Korrespondenz zu lesen ihn nur auf Grundlage Ihres Briefes vom12. März verfasst hat, müsste ich daran denken, dass Sie do
loser Weise schon bei der Abfassung des Briefes vom 12. März die
Worte „in der nächsten Spielzeit“ verwendet haben, um gegebenen
falls Ihre Verpflichtungen hinauszuschieben. Nach der ganzen vor
herigen Korrespondenz ist es aber doch klar, dass die Worte „in
der nächsten Spielzeit“ nichts anderes zu bedeuten hatten, als
die Entscheidung, ob die Aufführung noch in der Spielzeit 1930/31
oder zu dem Termin der Spielzeit 1931/32 stattfinden sollte, wo-
rüber in der ganzen früheren Korrespondenz verhandelt wurde.


Nach dem ursprünglichen Vertrag vom 23. Mai 1929
hatten Sie das Werk in der Spielzeit 1929/30 aufzuführen. Nachdem
teilweise vom Verlag „Die Fackel“, teilweise von mir im Jahre
1929 und im Jahre 1930 wiederholt verlangt worden war, dass der
Aufführungstermin bekanntgegeben werde, erhielten wir zuerst
überhaupt keine Antwort und dann endlich am 2. Juni 1930 die Bitte,
das Stück im Winter, in der guten Theaterzeit der Saison 1930/31
herausbringen zu dürfen, mit der Begründung, dass die Spielzeit
bei Ihnen am 17. Juli schliesse, mit einem kleinen Teil des Per
sonals allerdings damals bis Ende Juli weitergespielt werde, mit
diesen wenigen Schauspielern aber das Werk von Karl Kraus nicht
aufzuführen sei. Ueberdies müsse man mit Rücksicht auf die finanzi
ell enorm schwierige Lage des Theaters in der warmen Zeit leichte
Unterhaltungsstücke spielen. Ich beantwortete diesen Brief am
13. Juni 1930 und verlangte zuerst die Aufführung in der Zeit vom
15. September bis Ende November 1930. Als Sie dann mit Brief vom28. Juni 1930 baten, den Endtermin auf spätestens 28. Februar 1931
festzusetzen, wurde Ihnen mit Brief vom 11. Juli 1930 diese Bewil
ligung erteilt. Im Verlaufe dieser Korrespondenz wurde die Kon
ventionalstrafe auf 2.000 Mark erhöht. Am 22. Dezember 1930 nun
bat ich Sie, mir sofort mitzuteilen, für welchen Zeitpunkt bis
zum Ablauf der vertraglichen Frist (28. Februar 1931) Sie die Pre
miere der „Unüberwindlichen“ ansetzen wollten, da Herr Kraus, der
an den letzten Proben teilnehmen müsse, überdies in Verbindung
mit der Aufführung, Vorlesungen in Frankfurt plane. Am 16. Januar1931 beantworteten Sie diesen Brief damit, dass Sie behaupteten,
Sie seien im Augenblicke mit Rücksicht auf die veränderte wirt
schaftliche und politische Situation nicht in der Lage, das Stück
zu spielen. Sie bäten, mit der Aufführung des Werkes bis zum
Abschluss der Etatberatungen zuzuwarten, und schlugen aus die
sem Grunde einen Termin im Laufe des Monates Mai vor. Ich ant
wortete Ihnen darauf mit Schreiben vom 30. Januar 1931, dass
eine Verschiebung bis zum Mai, der schon eine äusserst un
günstige Theaterzeit ist, nicht möglich sei; als letzter Termin
käme Mitte April in Betracht. Ueberdies verlangte ich einen
vollstreckbaren Notariatsakt, wonach das vereinbarte Pönale
von 2.000 Mark am 16. April ohne Rechtsweg zu zahlen gewesen
wäre, wenn die Aufführung bis 15. April nicht stattgefunden
habe; ferner die Erklärung, dass der Aufführungsvertrag unbe
rührt bleibe und dass trotz Zahlung des Pönales die Aufführung
in der Zeit vom 1. Oktober bis 15. Dezember 1931 stattfinden
werde. Diesen Brief vom 30. Januar 1931 ergänzte ich noch vor
Empfang einer Antwort am 3. Februar 1931 dahin, dass die Auf
führung, wenn sie nicht bis 15. April 1931 erfolge, dann trotz
Zahlung des Pönales in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember,
nicht aber in der Zeit zwischen 8. und 21. Dezember 1931, statt
finden müsse. Am 9. Februar 1931 antwortete Ihr Vertreter, dass
der Regisseur des Stückes erkrankt sei und dass Sie deshalb
bitten liessen, sich noch einige Tage zu gedulden. Sie müssten
wegen der genauen Festsetzung des Aufführungstermines mit dem
Regisseur eine Unterredung über die Festlegung der Proben
haben und hofften, mir bald Nachricht zukommenlassen zu können.
Diese Nachricht war vom 25. Februar 1931. Darin erklärten Sie,
dass Sie im Prinzip damit einverstanden seien, das Stück bis
zum 15. April zu spielen, dass Sie aber bäten, nur für den
äussersten Fall, als letzten Termin den 19. April zu gestatten.
Ich erwiderte Ihnen am 3. März 1931, dass der Termin zwischen
15. und 19. April für Herrn Karl Kraus unannehmbar sei, da er über
diese Zeit schon verfügt habe, und teilte Ihnen ferner mit, dass
wir Ihrer Situation Rechnung tragend, zu dem weiteren Entgegen
kommen bereit seien, in eine Verschiebung auf den Herbsttermin
zu willigen, vorausgesetzt, dass Sie die verlangte günstige
Theaterzeit garantieren. Ich verlangte ferner, dass Sie wegen
der vielfachen Vertrags- und Inszenierungsverpflichtungen des
Herrn Kraus unbedingt den definitiven Aufführungstermin spä
testens zwei Monate vorher mitteilen und dass auch diese Ver
pflichtung unter die Sanktion der Konventionalstrafe gestellt
werde. Wenn Sie nun mit Schreiben vom 12. März 1931 den Erhalt
meines Schreibens vom 3. März bestätigen und sagen: „Wir er
klären uns damit einverstanden, Karl Kraus’ ‚Die Unüberwindlichen
in der nächsten Spielzeit herauszubringen. Den definitiven Auf
führungstermin werden wir Ihnen zwei Monate vorher mitteilen.“,
so kann dies unter anständigen Menschen nur so gedeutet werden,
dass nunmehr der Vertrag auf Basis meines Briefes vom 3. März 1931
besteht. Denn die Worte Ihres Briefes „in der nächsten Spielzeit“
waren nur dahin zu verstehen, dass Sie nicht bis zum 15. April
1931, sondern zu dem Termin „der nächsten Spielzeit“, der ja in
meinem Brief angegeben war, die Aufführung veranstalten würden.
Wenn Sie etwas anderes darunter verstanden hätten wissen wollen,
so hätten Sie dies der Sachlage nach wohl mitteilen müssen, wo
durch uns das Recht offen gestanden wäre, die damals bereits ver
fallene Konventionalstrafe geltend zu machen. Nicht unerwähnt
bleiben darf, dass Sie in Ihrem Brief vom 12. März 1931 mitteil
ten, Sie würden im Herbst um freundliche Ueberlassung der Parti
tur nochmals bitten, eine Tatsache, die wohl zur Genüge beweist,
wie sehr Sie sich damals bewusst waren, das Stück im Herbst auf
führen zu müssen. Ich muss also auf der Ansicht bestehen, dass
Sie Ihren Vertrag bereits gebrochen haben, da Sie, selbst wenn
Sie das Stück noch bis 31. Dezember 1931 herausbrächten, das nicht
zwei Monate vorher mitgeteilt haben, und dass daher die verein
barte Konventionalstrafe von 2.000 Mark verfallen ist.


Wenn Sie daher einen Prozess vermeiden wollen,
so ersuche ich Sie, die Vertragsstrafe und die inzwischen auf
50 Rmk. angewachsenen Kosten binnen acht Tagen einzusenden.


Mit vorzüglicher Hochachtung


Rekommandiert.


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