Die Unüberwindlichen. Nachkriegsdrama in vier Akten


Abschrift.


Berlin, den 20. Februar 1932


In Sachen
Fackel./. Städt. Bühnen
– Sch. 23/32 –


An das
Bühnenschiedsgericht
Berlin
z.Hd. von Herrn Landgerichts
direktor Dr. Weigert
Berlin-Grunewald


werde ich meine Klage vom 3. Februar 1932
insofern erweitern, dass ich noch beantra
gen werde:


festzustellen, die Aufführung des
Stückes „Die Unüberwindlichen“ durch
die Beklagte stellt keine Erfüllung
ihrer Aufführungspflicht, gemäss dem
Vertrage vom 23. Mai 1929, vor.


Die Beklagte hat am 10. Februar 1932 das
Werk „Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus
durch ein Ensemble des Leipziger Komödienhauses, gegen den ausdrücklichen Protest
des Autors, einmalig zur Aufführung bringen
lassen. Bereits durch Schreiben vom 15. Dezember 1931, das abschriftlich mit der Klage
überreicht ist, fragte die Beklagte bei
Herrn Rechtsanwalt Dr. Samek, dem Wiener
Vertreter der Klägerin, an, wie sich der
Autor und die Klägerin zu einer
Aufführung des Stückes durch ein Gastspiel des Leipziger Komödienhauses im Frankfurter Schauspielhaus stellen würde. Im ebenfalls
abschriftlich überreichten Schreiben vom 18.12.1931 antwortete
der Rechtsanwalt Dr. Samek für den abwesenden Autor, dass er eine
definitive Antwort erst nach der Rückkehr geben können, aber
schon jetzt bemerken müsse, dass die Aufführung durch ein Gast
spielensemble nicht die Möglichkeit gäbe, das Stück so oft zu
spielen, wie es der eventuelle Erfolg verlange. Am 30. Dezember,
ebenfalls abschriftlich überreicht, erging der Bescheid derKlägerin durch Dr. Samek, sie sei nicht damit ein
verstanden, dass die Beklagte ihrer Aufführungspflicht
durch ein Gastspiel des Leipziger Komödienhauses nach komme. Ob
wohl die Beklagte vorher ausdrücklich ihren Entschluss von der
Zustimmung des Autors abhängig gemacht hatte, setzte sie sich
nun auf einmal über seine Ablehnung hinweg und erklärte in dem
abschriftlich überreichten Schreiben vom 8. Januar 1932, dass
sie ihrer Aufführungspflicht durch jenes Leipziger Gastspiel
nachkommen werde. Sie lud durch Schreiben vom 25. Januar 1932,
trotz des erfolgten Protestes des Autors, diesen zu der bevor
stehenden Aufführung ein, welcher Einladung keine Folge geleistet
wurde; vielmehr wiederholte die Klägerin im Schreiben vom 29. Januar 1932 ihren Protest gegen diese, wie sie sagte, „Methode, eine
Vertragserfüllung zu markieren“ und begründete ihn mit einer Reihe
künstlerischer Momente. Von beiden Schreiben überreiche ich
anliegend Abschriften.


Nach alledem bedarf es kaum noch einer Begründung, warum
die geschehene Aufführung durch die Beklagte vertragswidrig
ist. Die Beklagte war sich, wie aus ihrem Schreiben vom15. Dezember 1931 deutlich hervorgeht, selbst klar darüber, dass
sie zu dieser Aufführung der Zustimmung des Autors bedurfte;
denn sie schreibt „sie würde, wenn Sie sich zustimmend äussern,
mit dem Leipziger Komödienhaus in Verhandlung treten.“ Sie
hat also auf ihre eigene Gefahr gehandelt, wenn sie sich über
die versagte Genehmigung hinwegsetzt. In sachlicher Hinsicht
liegt es so, dass gegenüber dem Frankfurter Schauspielhaus das
Ensemble des kleinen Leipziger Theaters künstlerisch nicht als
gleichwertig erachtet werden kann und erachtet wird. Die Ab
stufung in der künstlerischen Einschätzung der Deutschen Bühnen
unter Berücksichtigung vom Ort ihrer Tätigkeit, Grösse des
Ensembles ectr. sind zu bekannt, um hier eingehend dargelegt
zu werden. Ein Autor, der etwa einen Aufführungsvertrag mit dem
Staatlichen Schauspielhaus zu Berlin abgeschlossen hat, braucht es sich nicht
gefallen zu lassen, dass dieser Aufführungspflicht durch
Heranziehung einer Gastspielaufführung aus Cottbus, Halle oder
Leipzig entsprochen werden sollte. Auch das Frankfurter Schauspielhaus, das Zeiten hindurch in führender Reihe der Deut
schen Bühnen stand, geniesst, gegenüber dem Leipziger Komödienhaus, den Ruf eines überlegenen Ranges. Hiervon ganz abge
sehen vereitelt die Beklagte durch jenes einmalige Gast
spiel die Möglichkeit einer Auswertung des Erfolges, die nach
feststehender Rechtsprechung dem Autor gewahrt werden muss.
Das Stück in den Spielplan zu nehmen und eine Reihe von
Wiederholungen zu veranstalten, war nach der einmaligen Auf
führung durch ein fremdes Ensemble unmöglich. Schliesslich
wurden auch von der Presse Einwendungen gegen die Art und die
künstlerischen Unzulänglichkeiten jenes Gastspiels erhoben.
Belege hierfür werde ich in der mündlichen Verhandlung vor
legen.


Anlage: 2 Abschriften.


gez. Dr. Katz
Rechtsanwalt


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