7 Cg 322/32
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An das
Landesgericht für Z.R.S.Wien.
Klagende Partei: Verlag „Die Fackel“ Herausgeber KarlKraus prot. Firma in Wien
III.,Hintere
Zollamtsstrasse 3
durch: Dr. Oskar Samek,
Rechtsanwalt
Wien I., Schottenring 14
Beklagte Partei: Die Stadt Frankfurt a/Main als Konzes
sionärin der Frankfurter städtischenBühnen, zu Händen
des Magistrates Frankfurt
a/Main.
durch: Dr.
Richard Pressburger
Wien I., Kärntnerring 12
wegen
RM 2.000,–
Feststellung
u. Rechnungslegung Mk 1000,–
zus. Mk 3.000,–
Streitwert S 5.000,–
Klagebeantwortung:
2 fach
1 Rubrik
In offener Frist wird hiemit
nachstehende
Klageantwortung
erstattet:
I.
Die bei der ersten
Tagsatzung eingewendete örtliche
Unzuständigkeit ist gegeben,
weil die Parteien des AufführungVertrages vom 23.V.29 Mitglieder der Vertragsorganisation,
Deutscher Bühnen Verein einerseits und Vereinigung deutscherBühnenverleger
andererseits sind und daher der Tarifvertrag
gilt, der zwischen dem Deutschen Bühnen Verein, dem Verbander der
deutschen Bühnenschriftsteller und Bühnen Komponisten
und der Vereinigung der Bühnenverleger
abgeschlossen wurde.
In diesem Tarifvertrag
heisst es: im § 9, Ziffer 1:
„Alle Streitigkeiten
aus Ausführungsverträgen und über
Aufführungsverträge
zwischen Mitgliedern der vertragschlies
senden
Verbände entscheiden unter Ausschluss des ordentli
chen
Rechtsweges die von den vertragsschliessenden Verbän
den
eingesetzten Schiedsgerichte in Berlin
und Wien.
Zuständig ist das
Schiedsgericht des Landes, in welchem der
Beklagte zur Zeit der
Klageerhebung seinen Wohnsitz oder
seine Betriebsstätte
oder in Ermanglung dieser, seinen Auf
enthalt
hat“.
Ist die Bestimmung dieses
Tarifvertrages, der am
12.11.30 zwischen den bereits erwähnten Vertragspartnern ab
geschlossen
wurde, sind also beide Teile, sowohl Kläger als auch
Beklagter als Mitglieder der
beiden Vertragsorganisationen
gebunden, sodass der klägerische Verlag
in Berlin hätte klagen
müssen.
Dies hat der klägerische Verlag auch getan und die
Zuständigkeit des Berliner Schiedsgerichtes wortwörtlich in
der
Klage an dieses Gericht wie folgt begründet:
„Der Verlag ‚Die Fackel‘ ist Mitglied
der Vereinigungder Bühnenverleger
E.V. Der zwischen den Parteien abge
schlossene
Aufführungsvertrag unterliegt den Bestimmungen
des Tarifvertrages
zwischen dem Deutschen Bühnenverein
dem Verbande Deutscher Bühnenschriftsteller
etc. vom 12.II.
30.
Hieraus folgte Zuständigkeit des angerufenen
Gerichtes (Bühnen Schiedsgericht Berlin)“
Beweis: Der Tarifvertrag vom 12.II.30.
Die vom klägerischen Verlag beim Bühnenschiedsgericht
in Berlin vorzulegende Klage.
Parteienvernehmung.
Der klägerische Verlag hat über Einwendung der beklagten Bühnenleitung die Klage beim Bühnenschiedsgerichtin Berlin
zurückgenommen, wobei jedoch diese Rücknahme
der Klage nicht wegen Unzuständigkeit des Gerichtes erfolgt
ist, sondern hauptsächlich wegen absoluter Nichtigkeit des
Aufführungsvertrages.
Jedenfalls ist die
Zurücknahme der Klage seitens
des
klägerischen Verlages noch kein
Präjudiz für die effek
tive Unzuständigkeit des Berliner Bühnen-Schiedsgerichtes, da
der Tarifvertrag vom
12.II.30 die Zuständigkeit des BühnenSchiedsgerichtes in Berlin ausdrücklich normiert.
Die örtliche Unzuständigkeit
des Landesgerichtesfür Z.R.S. in Wien
erscheint damit voll und ganz bewiesen.
I. b)
Ganz abgesehen jedoch von
der örtlichen Unzuständig
keit liegt auch die sachliche Unzuständigkeit oder richtig aus
gedrückt
Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, weil laut dem
zwischen der Klägerin und der beklagten Bühnenleitung abgeschlos
senen Aufführungsvertrage vom 23.V.29 es im Punkt VIII.)
2. Absatz heisst:
„Die zwischen den Mitgliedern des Bühnen
Vereins, dem
Verbande Deutscher Bühnenschriftsteller und
Bühnen Komponisten E.V. und der Vereinigung der Bühnenverleger verein
barten
‚allgemeinen Bestimmungen für den Geschäftsverkehr‘
bilden einen
wesentlichen Bestandteil dieses Vertrages.“
Wenn aber die allgemeinen
Bestimmungen für den Ge
schäftsverkehr als wesentliche Bestandteile des Aufführungsvertrages gelten, so gilt auch der § 10 dieser
Bestimmungen.
Dortselbst
heisst es:
„§
10 Aenderungen, Gerichtsstand.
Abänderungen des
Vertrages und Nebenabreden haben nur Gül
tigkeit, wenn
sie schriftlich vereinbart sind. Als Gericht
stand gilt
das zwischen den vertragsschliessenden Parteien
vereinbarte
Schiedsgericht.“
Wenn also schon auf Grund
der urkundlichen
Vereinbarung
des Erfüllungsortes Wien als Gerichtsstand gilt,
was, wie noch näher
ausgeführt werden wird, begründeter
Massen ganz entschieden
bestritten wird, wäre lediglich
das Bühnenschiedsgericht in Wien für diesen Rechtsstreit zu
ständig. Das
ordentliche Gericht ist eben durch den unter
Punkt I a) erwähnten
Tarifvertrag laut Punkt IX., Ziffer 1.
jedenfalls; ausgeschlossen, weil sowohl die Klägerin wie die
beklagte Bühnenleitung in diesem Tarifvertrage gebunden
sind.
Wenn also schon die
Vereinbarung des Erfüllungsortes Wien im
Sinne des § 10 I. Absatz der
allgemeinen Geschäftsbedingungen
erlaubt ist, so nur in der
Richtung, dass eben statt des
Schiedsgerichtes Berlin das Bühnenschiedsgericht in Wien
zuständig ist.
Beweis: Die allgemeinen Bestimmungen für den
Geschäftsverkehr zwischen
den Mitglie
dern
des Deutschen Bühnen Vereins etc.
vom 31.XII.24, Tarifvertrag
vom 12.III.
30;
Parteienvernehmung.
Ueberdies ist die Klausel
des § 9 Aufführungsvertrages vom
23.V.29: Erfüllungsort Wien ein Unding,
weil
nach der Absicht der
Parteien und nach den Bestimmungen des
Vertrages der Vertrag gemäss
§ 2 seitens der Beklagten in
Frankfurt a/Main zu erfüllen war.
Das was der klägerische Verlag offenkundig mit
diesen § 9 des Vertrages erreichen wollte, war die Vereinba
rung des
Gerichtsstandes Wien gemäss § 104 J.N. aber nicht
die Vereinbarung des Gerichtsstandes des Erfüllungsortes
gemäss § 88 J.N., denn nach Uebereinkunft der Parteien war
der Vertrag von der beklagten Bühnenleitung nicht in Wien,
sondern in Frankfurt a/Main zu erfüllen.
Die beklagte Partei ist auch ihrer Aufführungs
pflicht als
essentielle Vertragsverpflichtung und Hauptver-
bindlichkeit voll und ganz
nachgekommen. Es ist also ganz
abgesehen von der Unzulässigkeit des Rechtsweges, der
Gerichtsstand gemäss § 88 J.N. nicht gegeben und in Ermanglung
einer
Gerichtsstands-Klausel gemäss § 104 J.N. Jedenfalls
der Wohnsitz der Beklagten für die Bestimmung des
Gerichts
standes massgebend .
Beweis: Der Vertrag vom 23.V.29
Parteienvernehmung.
II.
In der Sache selbst werden
sämtliche Klagsangaben
soweit
sie im Nachfolgenden nicht ausdrücklich zugegeben
werden, bestritten
Zwecks übersichtlicher
Lösung der einzelnen stritti
gen Fragen, sei folgende Unterteilung vorgenommen:
1.) Mit welchen Abänderungen
ist der Aufführungsvertrag vom
23.V.29 endgültig in Kraft getreten?
2.) Ist das klägerische
Begehren auf eine Konventional
strafe von Mk 2.000.– berechtigt?
3.) Ist Punkt II. des
Klagebegehrens formell und ma
teriell begründet?
4.) Ist Rechnungslegung
seitens der Beklagten erfolgt?
Richtig ist, dass die Beklagte mit dem klägerischenVerlage den Vertrag vom 23.V.29 abgeschlossen hat, der dann
durch das Schreiben des Anwaltes der klagenden Partei vom30.I., 3.II. und 3.III.31 und die Antwortschreiben des TheaterDirektors der
beklagten Bühnenleitung, Dr. Kronacher vom
9.II.,
25.II. und 12.III.31 eine Abänderung erfahren hat.
Hier sei nur auf die
naturgemässe wichtigste Abän
derung des Vertrages vom 23.V.29 eingegangen, und zwar auf
die beiderseitigen Schreiben vom 3.III.31 des Anwaltes der
klagenden Partei und auf das Schreiben vom 12.III.31 seitens der beklagten Bühnenleitung, weil mit
diesen beiden Schrei
ben die Vertragsabänderungsverhandlungen beendet wurden.
Das Schreiben des Anwaltes der klagenden Partei
vom 3.III.31 stellt
sich juristisch als eine Offerte dar.
Die beklagte Bühnenleitung hat dieses Vertragsanbot innerhalb
der Erklärungsfrist nicht
mit einem vorbehaltlosen „einver
standen“, sondern
mit einer neuen Offerte beantwortet.
Dies geht aus dem Schreiben der beklagten
Bühnenleitung vom12.III.31 einwandfrei hervor. Der Inhalt des Briefes des Anwaltes
der klagenden Partei vom
3.III.31 wurde von der beklagten Bühnenleitung
nicht zustimmend zur Kenntnis genommen, sondern die
beklagte Partei erklärt in diesem Sinne
expressis verbis,
womit
sie einverstanden ist.
Insoweit sich also der
Inhalt des Briefes derbeklagten Bühnenleitung mit dem Inhalte
des Schreibens desKlagsanwaltes vom
3.III.31
nicht deckt, stellt sich das
Schreiben der beklagten Partei
als neues Vertragsanbot dar.
Insbesondere gilt dies vom
Termine zur Aufführungsverpflich
tung, den die beklagte Partei ausdrücklich in die
nächste
Spielzeit
verlegt.
Dass aber unter „nächste Spielzeit“ nicht der
Herbsttermin bis Weihnachten
zu verstehen ist, bedarf keiner
weiteren Erklärung.
Beweis: Die Briefe des Anwaltes der klagendenPartei
von 3.III. und die Antwort derbeklagten Bühnenleitung vom
12.III.31.
Direktor
Dr. Kronacher, Direktor des
Frankfurter Schauspielhauses, Frankfurt a/M
als Zeuge.
Die klagende Partei hat auf das Schreiben derbeklagten Bühnenleitung vom 12.III.31
nicht mehr geantwortet.
Gemäss § 863 abGB konnte also die beklagte
Bühnenleitung
das Einverständnis der
klagenden Partei mit dem Schreibender Beklagten vom 12.III.31 annehmen.
Es ergibt sich also, dass
der Vertrag vom 23.V.29 mit der
Abänderung in Wirksamkeit getreten ist, – von dem
formellen Mangel der
Wirksamkeit dieses Vertrages war bereits
eingangs die Rede – dass
„Die Unüberwindlichen“ in der
näch
sten
Spielzeit 1931/32 zur Aufführung gelangen.
Die beklagte Partei hat sich verpflichtet, den
definitiven Termin 2 Monate
vorher bekanntzugeben, wobei
gleich hier der Sinn dieser Bestimmung erklärt werden muss.
Sinn und Zweck der
vorherigen Bekanntgabe der Aufführung mit
einem Zeitraume von 2
Monaten vor derselben, war die Voraus
setzung, dass dem
Autor die Möglichkeit der Teilnahme an
der
Probenarbeit geboten
werden sollte. Nur für diesen Fall war
nach den selbstverständlich
geltenden Bühnengewohnheiten die
se 2 monatige
Frist vereinbart worden und
für die Nichteinhaltung dieser Bestimmung die Konventional
strafe von Mk
2.000,– bedungen. De facto war aber an
eine Aufführung durch das
Ensemble der Stadt Frankfurt nicht
zu denken, wie noch
ausgeführt werden wird, und musste daher
die Aufführung durch ein
Ensemble des Leipziger Komödienhauses
bestritten werden.
Hier sei unter Beweis
gestellt, dass der Autor
Karl Kraus selbst die
Proben des Leipziger Komödienhauses
hinsichtlich des Stückes „Die
Unüberwindlichen“ geleitet
hatte, sodass es geradezu
sinnlos gewesen wäre, schon 2 Mo
nate vor der
Frankfurter Aufführung durch das Leipziger
Komödienhaus den Autor zu verständigen.
Das Ensemble des Leipziger Kömödienhauses
führte dann auch „Die Unüberwindlichen“ nach den
genauen
Verfügungen des
Autors auf, sodass die Voraussetzung für
die
Verständigung des Autors 2 Monate vor der Aufführung umso
weniger gegeben war, als der
Autor selbst das Ensemble des
Leipziger Komödienhauses einstudierte und die Spielart
dieses
Ensemble vor der
faktischen Aufführung in Frankfurt am
10.II.32 genau kannte.
Beweis:
Paul Verhöven, Frankfurt a/MGrüner Burgweg 39
Dr. Kronacher, Direktor des
Frankfurter Schauspielhauses,
Sachverständige
ad 2.)
Schon aus den Ausführungen
unter 1.) ergibt sich,
dass
das Begehren der Konventionalstrafe wegen nicht fristge
rechter
Aufführung überhaupt ins Leere fällt. Hatte doch
die beklagte Bühnenleitung gemäss § 2 des Aufführungsvertra
ges lediglich die
Verpflichtung das Werk
„Die Unüberwindlichen“ im städtischen Schauspielhaus in Frankfurt a/M
in der nächsten Spielzeit zur Aufführung zu bringen.
Dies ist auch geschehen.
Das Begehren auf Zahlung der
Mk 2.000.– wegen
nicht
fristgerechter Verständigung, 2 Monate vor der Auffüh
rung ist aber
unbegründet, was im Vorstehenden bereits
erörtert wurde.
Zum Beweis über den Zweck
und die Notwendig
keit der vorherigen Verständigung des Autors
im Allgemeinen
und die
Ueberflüssigkeit der Verständigung 2 Monate vor
der Aufführung im Besonderen
gegebenen Falle wird
beantragt,
Sachverständige aus der
Branche der Bühnen Direktoren zu ver
nehmen, insb.
über die Tatsache, dass der Autor über die
Aufführung des Leipziger Komödienhauses völlig im Bilde
und
mit dieser Aufführung
im Grossen und Ganzen einverstanden war,
wird
beantragt
den Direktor Dr. Kronacher, Frankfurter Schauspielhaus
und den Regisseur Paul Verhöven als Zeugen
zu ver
nehmen.
Beweis: Direktor Dr. Kronacher, Adresse
wie oben
Paul Verhöven, Adresse wie oben
Sachverständige.
Ganz abgesehen jedoch davon,
dass die Beklagte
angesichts der Aufführung
durch ein Ensemble des LeipzigerSchauspielhauses
nach den Bühnengewohnheiten gar nicht ver
pflichtet war,
den Kläger schon 2 Monate vor der Aufführung
zu verständigen, erscheint
die, wenn auch für diesen Fall
(der Aufführung des Stückes durch Gastspiel-Ensemble) nicht
vereinbarte
Konventionalstrafe in der verlangten Höhe von
Mk 2.000.– geradezu horrent,
und im Hinblick auf die Schwie
rigkeiten, mit denen die beklagte
Bühnenleitung tatsächlich
die Aufführung durchsetzen
musste und in Anbetracht des
Schadens, den die beklagte Bühnenleitung
hiedurch erlitten
hat, als übermässig.
Die beklagte Bühnenleitung hat nun ihrer Auf
führungsverpflichtung genügt, sofern eine solche überhaupt
bestanden hat. Das Stück
„Die Unüberwindlichen“ ist am
10.II.
32 – also in der
guten Theaterzeit – mit dem Erfolg aufgeführt
worden, dass die bare
Tageseinnahme den Betrag von Mk 141.65
erbrachte, während allein
für das Gastspiel-Ensemble des
Leipziger Komödienhauses der Betrag
von Mk 1750.– bezahlt
werden
musste.
Dass das Stück im übrigen in der heutigen Zelt
völlig unaufführbar ist,
werden die dem Gerichte vorzulegenden
Ausschnitte aus der
Frankfurter Presse ergeben.
Vor einem Misserfolg wäre
das Stück auch dann
nicht zu bewahren gewesen,
wenn es etwa unter Mitwirkung des
Autors mit den Kräften des Frankfurter Schauspielhauses ein-
studiert worden wäre.
Der Grund hiefür liegt in
der bedauerlichen Tat
sache, dass der Autor in völliger
Verkennung der vielen
Faktoren, von welchen die Führung eines Theaters heute ab
hängig ist, auf
die Aufführung seines Stückes
bestanden hat.
Die beklagte Bühnenleitung war daher gezwungen die Inszenie
rung der
Aufführung einem nach den Weisungen des Autors
einstudierten Ensemble zu übertragen. Dies war das Ensemble
des Leipziger Komödienhauses, das unter persönlicher Mit
Wirkung des Autors „Die Unüberwindlichen“ in Leipzig in
Szene
setzte. Für jede Änderung in der Inszenierung hat
der Autor sich vom Leipziger Komödienhaus eine Vertrag
strafe von Mk 1500.– versprechen
lassen, wobei wohl dahin
gestellt bleiben mag, ob ein solches Verhalten nicht überhaupt
gegen die guten Sitten
verstösst.
Jedenfalls zeigt es davon,
dass der Autor nicht
das geringste
Verständnis für die Möglichkeiten einer bühnen
wirksamen
Aufführung besitzt. Dementsprechend kam es auch
bei der Berliner Aufführung
dazu, dass die Berliner Volks-Bühne, die gewiss
über vorzügliche Kräfte verfügt, mit ihrer
Inszenierung die Ungnade des Autors erregte .
Beweis: Regisseure und Direktoren des LeipzigerSchauspielhauses,
deren Namen wir noch
bekanntgeben werden.
Paul Verhöven, Adresse
wie oben.
Unter diesen Umständen wäre
eine Neueinstudierung
mit den
eigenen Kräften des Frankfurter
Schauspielhauses
sinnlos gewese. Die
reichsdeutschen Bühnen sind nicht bestimmt
Wiener
Skandalaffären des Jahres 1927 wortgetreu ihrem ver
ständnislosen Publikum vorzusetzen. Soweit das Stück „DieUnüberwindlichen“
Allgemeingültiges zun Ausdruck bringt, kann
dies in einer west-deutschen Bühnen wirksam nur in einer frei
1en Inszenierung geschehen. Dieser Gedanke war ausschlagge
bend bei der
Annahme des Stückes im Mai 1929.
Es gründet sich auf § 7, lb
der allgemeinen
Bestimmungen für den
Geschäftsverkehr, wonach die Auffüh
rung berechtigte
Bühnenänderungen vornehmen darf, für wel
che der Autor seine Zustimmung nach Treu und Glauben
nicht
versagen kann.
Ausserdem ist es anerkannter Theaterbrauch,
dies sogar die Verpflichtung
der Bühnenleitung eines Theaters,
für eine bühnenwirksame
Aufführung unter Berücksichtigung
der örtlichen Verhältnisse,
insb. der Einstellung des Publikums
besorgt zu sein.
Da der Autor sich entgegen dem Vertragsinhalt
um dem anerkannten
Theaterbrauch auf den entgegengesetzten
Standpunkt stellte, blieb
dem Frankfurter Schauspielhaus
nur die
Möglichkeit, der etwa bestehenden Aufführungsverpflich
tung durch eine
von Herrn Kraus selbst approbierte Einstudie
rung zu genügen.
Beweis:
Dr. Kronacher, Adresse
wie
oben als Zeuge.
Die beklagte Bühnenleitung
muss aber auch den
Standpunkt
vertreten, dass es nach Treu und Glauben bei den
notorisch völlig veränderten politischen und sonstigen Ver
hältnissen die schliesslich erfolgte Einhaltung des Vertrages
und die Erfüllung der
Aufführungspflicht vor allem von dem
Gesichtspunkte aus beurteilt
werden muss, dass das Stück
„Die Unüberwindlichen“ bei
Vertragsabschluss als tragbar
anzusehen war, jedoch zur Zeit der Aufführung auf die
aller
schärfste
Ablehnung bei weiten Kreisen des Publikums stiess.
Dass Letzteres der Fall war,
geht nicht nur aus
den
Presseauschnitten hervor, sondern auch aus zahllosen
schriftlichen und mündlichen
Protesten, aus angekündigten
Abbonomentbestellungen und dgl., welche die Aufführung „DieUnüberwindlichen“
im Frankfurter Schauspielhaus spontan
ausge
löst
hat.
Beweis:
Dr. Kronacher, Frankfurter Schauspielhaus
Zeitungsausschnitte,
Rezensionen und
schriftliche Proteste, die
vorgelegt werden.
Zusammenfassend kann wohl
gesagt werden, dass der
Anspruch auf eine Konventionalstrafe mit Rücksicht auf diese
veränderte Situation
überhaupt nicht gegeben ist, dass aber,
selbst bei Annahme dieses
Anspruches dem Grunde nach, mit Rück
sicht auf das
richterliche Mässigungsrecht der Konventional
strafe in allen
Fällen gemäs § 1336 abGB mit Rück
sicht auf diesen speziellen Fall bis auf ein
Minimum des ver
langten Betrages herabgegangen werden muss.
Von einem Verfall der
Vertragsstrafe kann auch
deshalb keine Rede sein, weil sich aus dem Schreiben desIntendanten Dr. Kronacher vom
25.II.31 ergibt, dass das
Frankfurter Schauspielhaus bereit war im Frühjahr 31 das
Stück
aufzuführen.
Nur mit Rücksicht auf den im
Schreiben vom 3.III.31 vom Autor geäusserten Wunsch wurde die Aufführung
in
die Spielzeit
1931/32 verschoben. Im Jahre 1931 hätte das
Stück leichter vor einem Misserfolg bewahrt werden können.
ad 3.)
Aus dem unter 1.) und 2.)
Gesagten geht klar her
vor, dass wir unserer Aufführungspflicht im Rahmen der Möglich
keit voll und
ganz nachgekommen sind.
Wir haben den § 2 des Aufführungsvertrages er
füllt und ist
daher das klägerische Begehren auf Feststellung
laut Punkt 2 des
Klagebegehrens meritorisch abzuweisen. Rein
formell ist aber die Klägerin gar
nicht berechtigt ein Feststel
lungsbegehren zu
stellen, da das alsbaldige Interesse auf
Feststellung ihr ermangelt
und überdies das Feststellungsbege
ren schon deshalb nicht erfolgen kann, weil der Klägerin
die
Leistungsklage ohne weiters möglich ist, wenn sie be
hauptet durch
nicht genaue Erfüllung des Vertrages seitens
der beklagten Bühnenleitung geschädigt zu sein.
Jedenfalls ist das
Klagebegehren ad 2.) rein
prozessual im Sinne des § 228 Z.P.O unzulässig und daher
abzuweisen.
ad 4.)
Was schliesslich das
Begehren auf Rechnungsle
gung anlangt, ist auch dieses abzuweisen, da die beklagteBühnenleitung am 21.V.32 der Stadthaupt-Kassa den Betrag
von RM 95.20 an Tantiemen zur Zahlung an die
Klägerin
aufgegeben hat. Damit war
auch eine ziffermässige
Aufstel
lung der
Einnahmen verbunden .
Beweis: Der Zahlungsbeleg der Stadt-HauptKassa Frankfurt
Dr. Kronacher, Adresse wie oben
Antrag an die klagenden Partei zur
Vorlage dieses
Zahlungsbeleges.
Sohin wird der
Antrag
gestellt, auf
kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens.
Wien, am 20. August 1932