Hamburger Nachrichten, 8.5.1929Juristische Wochenschrift


Die Vertretung Ihrer Interessen gegen die
Hamburger Nachrichten will ich sehr gern übernehmen. Ohne Frage
liest sich der von Ihnen hervorgehobene Satz der Zeitung so,
dass Herrn Karl Kraus mit einer gewissen Berechtigung ein Pla
giat zum Vorwurf gemacht worden sei. Die Leichtfertigkeit, mit
der hier der Sachverhalt verdreht wird, ist erstaunlich.


Eine Berichtigung nach § 11 PG. kann ohne
weiteres verlangt werden. Nach einer Auffassung, der sich neu
erdings leider auch das Kammergericht in Berlin angeschlossen
hat, soll der Berichtigungstext von dem Beteiligten, hier also
Herrn Karl Kraus, persönlich zu unterzeichnen und die Unter
zeichnung durch seinen bevollmächtigten Anwalt nicht zulässig
sein. Ich habe gerade jetzt gegen diese falsche Auffassung eine
Erwiderung in der Juristischen Wochenschrift in Druck gegeben;
wir müssen uns aber der Sachlage anpassen und Herr Karl Kraus
wird daher den Berichtigungstext, den er vermutlich ja selbst
abzufassen wünschen wird, auch eigenhändig unterzeichnen müs
sen. Das Begleitschreiben kann dann von mir unterzeichnet werden.


Eine Strafklage wegen übler Nachrede ist
ebenfalls möglich, daneben auch eine Zivilklage auf Rücknahme
der beleidigenden Äusserung. Ich sehe keinen Grund, aus dem diese


Klagen keinen Erfolg sollten haben können. Es ist nur eine Frage
des persönlichen Ermessens, wieweit man die gegebenen Rechtsbe
helfe anwenden will. Vielleicht genügt es, Herrn Karl Kraus, wenn
wir erstens die Berichtigung fordern und zweitens verlangen, dass
die beanstandete Äusserung mit dem Ausdruck des Bedauerns brief
lich zurückgenommen wird und, dass wir andernfalls Zivilklage und
Strafklage einleiten würden. Ich glaube, dass die Zeitung dann
klein beigibt.


Um mich gegenüber den Hamburger Nachrichten aus
weisen zu können, erbitte ich von Herrn Karl Kraus Unterzeichnung
und Rücksendung der anliegenden Vollmacht.


Hochachtungvoll
Dr. Lion


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