An das
Strafbezirksgericht IWien.
Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in WienIII.,
Hintere Zollamtsstrasse Nr. 3,
durch:
Vollmacht zu 1 U 186/29 bereits
ausgewiesen.
Beschuldigter: Dr. Desiderius Papp, verantwortlicher
Schriftleiter des „Neuen Wiener Journals“
Wien I., Biberstrasse Nr. 5,
wegen § 24, Absatz 6 Pr.G.
1 fach
1 Beilage
Privatanklage
Mit Urteil dieses Gerichtes vom 25. Juni
1929 G.Z.
1 U 223/29 wurde auf
Veröffentlichung der diesem Akte angeschlos
senen Berichtigung bis auf den Satz: „Es ist unwahr, dass
KarlKraus die
unentgeltliche Ankündigung meiner Verträge erzwingen
will. Wahr ist, dass Karl Kraus von
der ‚Neuen Freien Presse‘
die Aufnahme einer
Berichtigung erzwingen will.“ erkannt. Die
Veröffentlichung sollte in der
nächsten oder zweitnächsten
Nummer nach Verkündigung des Urteils, sohin in der Nummer vom27. Juni 1929 erfolgen.
Nach § 23 Absatz 1 Pr.G. durften weder
Einschaltungen noch Weglassungen
vorgenommen werden und die Ver
öffentlichung hatte in demselben Teil der Zeitung und in dersel
ben Schrift wie die zu
berichtigende Mitteilung zu geschehen. Ge
gen diese Bestimmungen
hat sich der Beschuldigte in mehrfacher
Richtung vergangen. Er hat die
Berichtigung von dem Teil der
Zeitung, welcher den Gerichtssaal behandelt, durch einen dicken
Strich getrennt. Die Berichtigung wurde durch eine
Ankündigung
über ein „100
Schilling-Preisrätsel“ in zwei Teile geteilt. Ferner
hat der Beschuldigte in den letzten zwei
Sätzen der Berichtigung
eigenmächtig jedesmal das Wort
„Freispruch“ gesperrt. Dadurch
hat er den Sinn der Berichtigung verwischt, indem er das
Augen
merk von dem
in der Berichtigung herausgearbeiteten
Gegensatz
auf das Wort „Freispruch“ ablenkte. Eine solche Veröffentlichung
kann nicht als gesetzmässig
anerkannt werden.
Der Beschuldigte hat dadurch die
Uebertretung des
§ 24 Absatz 6 Pr.G. begangen.
Beweis : Die dem Akt 1 U 223/29 angeschlossene Berichtigung;
die Nummer 12786 des Neuen Wiener Journals vom27. Juni 1929.
Ich stelle durch meinen zur G.Z.
1 U 186/29 ausge
wiesenen Anwalt folgende Anträge:
1.) Anberaumung
einer Hauptverhandlung;
2.)
Ladung des Beschuldigten;
3.)
Vorlesung des Berichtigungsschreibens aus dem Akt 1 U
223/29 und der vorgelegten Zeitungsnummer;
4.) Bestrafung des Beschuldigten;
5.) Verpflichtung des Beschuldigten und
zur ungeteilten
Hand mit ihm, des
Herausgebers und Eigentümers des
„Neuen Wiener Journals“ Lippowitz & Co., vertreten
durch Dr. Karl Reichl, Wien
I., Biberstrasse Nr. 5 zum
Ersatz der Verfahrenskosten.