Sehr geehrter Herr Doctor! Auf
Veranlassung des Herrn Karl Kraus
schicke ich Ihnen für dessen
Prozess gegen Dr. P.A.
Pisk einige Exemplare
der
„Berliner Börsenzeitung“. Weitere
werden noch folgen. Auszunützen wäre
hier die Nachbarschaft der
Berichte Pisk’s
mit den Angriffen der Bztg auf
die Linke, insbesondere auf die
österreichische Sozialdemokratie, die zwar nicht
von Pisk stammen, deren Nähe aber
diesen Sozialdemokraten auch nicht weiter in
teressiert.
Einen wirklichen Fall wahrhafter
geistiger Korruption sehe ich in
dieser Tatsache: In Nr 535 berichtet Pisk über eine Schönberg-Aufführung eines
Jubiläumskonzertes anlässlich der
25-Jahr-Feier der Wiener Arbeiter-Symphonie
Konzerte. Ich schicke
Ihnen auch einen Bericht
Pisk’s der Wiener Arbeiterzeitung
über dasselbe Konzert. In diesem
erklärt Pisk die
„wirklich
revolutionären“
Stücke
für den Höhepunkt des Abends, um sie darauf im Berichte der Bztg völlig
totzuschweigen, weil ja die
Tendenz dieser Stücke gegen die Tendenz der Bztg
steht. Pisk vergewaltigt sich also
selbst gegen ein scheinbar lohnendes Honorar.
Und gerade diese Haltung, die
einerseits ein Entzücken zum Ausdrucke bringt, dann
aber wieder – wenn es sich lohnt
– schweigt, ist die typische eines Schlieferls.
Ich bin weiter an der Arbeit, die
letzten Monatsbände der Btzg durch
zusehen. Die Ihnen
gesandten Exemplare sind aus der Zeit vom 15. Oktober bis 31.
Dezember 1929.
Ergebenst
Mildner