Auf den Straßen zu singenBerliner Börsen-Zeitung


Beilage


Berlin, am 2. Mai 1931


Erklärung


Wie ich erfahre, wurde in der Berufungsverhandlung des Pro
zesses, den Herr P.A. Pisk gegen Karl Kraus wegen des Vorwurfs von
„Schlieferlpraktiken“ angestrengt hat und in welchem zu deren Beweise
die gleichzeitige und ad hoc veränderte Mitarbeit des Herrn Pisk an der
sozialdemokratischen Wiener Arbeiterzeitung und an der schwerindustriel
len rechtsradikalen Berliner Börsenzeitung herangezogen wurde, der Ver
such gemacht, diese Behauptung durch den Hinweis zu widerlegen, daß die
Ausmerzung des mich betreffenden Lobes des Herrn Pisk (revol. Musik,
„eherner Tritt der Arbeiterbataillone“ u.dgl.) nur deshalb erfolgt sei,
weil in der Berliner Börsenzeitung ohnedies bereits ein Referat über
mein op. 15 erschienen gewesen sei. Diese Behauptung ist wahrheitswidrig.


1.) Es wurde kein Referent dieser rechtsradikalen Haltung zugelassen
und es ist meines Wissens auch kein Refarat erschienen.


2.) Weiter stelle ich fest, daß die Wiener Uraufführung vor der Berliner
stattgefunden hat.


Was den Vorwurf von Schlieferlpraktiken anbelangt, kann ich
über den vorliegenden Sachverhalt hinaus noch anführen, daß Herr Pisk
auch an dem Bundesorgan der Arbeitersänger mitarbeitet, dessen Bestre
bungen gerade von der Berliner Börsenzeitung, die der bürgerlichen Sän
gerbewegung nahesteht, des öfteren angegriffen werden.


Ich kann ferner mitteilen, daß in unseren Kreisen, die von der
oben bezeichneten Vielseitigkeit des Herrn Pisk volle Kenntnis haben,
gerade die Haltung des Herrn Pisk anläßlich der Aufführung meines op. 15
in Wien und die zu erwartende Wendung für Berlin mit verständnisinnigem
Interesse verfolgt und als ein Musterbeispiel für Schlieferlpraktiken
bezeichnet wurde.


Hanns Eisler


N.B. Später, 11. Mai 1931, teilte Eisler mit, daß die Berliner Erstauf
führung am 30. Nov. 1929 stattgefunden hat. Am 27. Juli 1931 hat ein
Berliner Leser das Ergebnis seiner sorgfältigen Nachforschung mitge
teilt, wonach zwischen 30.XI. und 20.XII.1929 in der Berliner Börsenzeitung keine Erwähnung der Eisler-Aufführung zu finden war, diese sei „auch
nicht angekündigt worden, wenigstens nicht nach dem 25.XI.“ Die Wiener
Uraufführung hat am 11. oder 12. Nov. 1929 stattgefunden.