Lieber Georg!
Ich hätte mir meinen Glückwunsch
zu Ihrem
Engagement in Wiesbaden für unser Zusammensein in Wien aufge
hoben, wenn mich nicht eine Bitte veranlasste, Ihnen noch vor
her zu schreiben. So
wünsche ich Ihnen denn viel Glück in
ihrem so heiss angestrebten Beruf
und insbesondere ein Weiter
rücken zum Kapellmeister, welcher Posten Ihnen ja erst die
volle Befriedigung geben kann.
Jedenfalls ist der Anfang ge
macht. Dass Sie Erfolg haben und sich bewähren werden, daran
zweifle ich gar nicht.
Nun zu meiner Bitte. Am 30.
November 1929 sind
in Berlin Arbeiterchöre
von Hanns Eisler
aufgeführt worden.
Das eine davon
hat den Titel „Auf den Strassen zu
singen“,
das andere den
Titel „Naturbetrachtung“. Ich habe mich
wegen
Feststellung des Datums
der Erstaufführung dieser Chorwerke
in Berlin an den
Komponisten Hanns
Eisler
Berlin, Bregenzerstrasse Nr. 9
selbst gewendet, der mir das oben angegebene
Datum mitteilte, aber ein
Programm der Erstaufführung nicht
mehr besitzt, sondern das Datum nur durch Umfrage angeblich
authentisch feststellte. Ich wäre
Ihnen nun sehr verbunden,
wenn Sie Herrn Hanns Eisler unter
der angegebenen Adresse
anriefen
und ihn befragten, in welchem Saale die Erstaufführung
dieser Chorwerke stattgefunden
hat und dann eventuell mir aus
dem „Vorwärts“ oder einem anderen
sozialistischen Blatt eine
Kritik
dieser Chorwerke verschafften, entweder indem Sie das
Blatt, wenn es noch vorhanden
ist, kauften, oder wenn nicht,
die Kritik abschrieben. Vielleicht wäre auch ein Programm der
Erstaufführung noch bei der
Direktion des Saales erhältlich, in
welchem sie stattgefunden hat.
Selbstverständlich will ich nur
dann, dass Sie meine Bitte erfüllen, wenn dadurch Ihre Zeit
nicht allzusehr in Anspruch
genommen wird, insbesondere sich,
da Sie vor Ihrer Abreise nach Wien stehen, nicht
wichtige Ge
schäfte
oder Besorgungen dadurch verzögert oder verhindert
werden. Wenn es Ihnen aber
unmöglich sein sollte der Sache nach
zugehen, so bitte ich
es mir mitzuteilen, damit ich mich an
Herrn Sigismund von
Radecki wende. Oder wenn Ihnen das vielleicht
möglich sein sollte, wäre ich
Ihnen verbunden, wenn Sie dieses
Schreiben gleich an Herrn Sigismund von Radecki, Berlin W 50,Augsburgerstrasse 44, Pension Duncan, weiterleiten.
Mit vielen herzlichen Grüssen
bin ich
Ihr