26. März 1930.
Sehr geehrte Herren!
In Ihrem Programmheft Nr. 8 veröffentlichen Sie
einen Artikel „Theater in Berlin“ von S.N., in welchem der
Verfasser die Erfolge der Volksbühne aufzählt
und auch
ein Stück erwähnt,
dessen Stoff, der jüngsten Vergangen
heit angehörend, für die
Gegenwart voll aktueller Bezie
hungen sei, aber auch für sich
betrachtet, genügend Reize
aufweise; es könne „nicht wundern“, heißt es,
„daß die
Volksbühne mit diesem Drama einen fast sensationellen
Er
folg
davontrug“. Das so besprochene Drama ist aber „DieAffaire
Dreifus“, nicht etwa „Die
Unüberwindlichen“, die
die Volksbühne trotz dem fast sensationellen
Erfolg, je
doch wegen
der aktuellen Beziehungen nach der Erstauf
führung unterdrückt hat und die
füglich auch in einer
Rückschau
über die Erfolge der Volksbühne keinen Platz
haben können. Dagegen wird des
Autors der „Unüberwindlichen“
in einem anderen Zusammenhang
gedacht, indem es in dem
Artikel
heißt: „Das
Renaissance-Theater
Gustav Hartungs be
mühte sich um eine
Wiedererweckung von Offenbachs Operette
‚Pariser Leben‘, bearbeitet von Karl Kraus und
damit in die
Sphäre des
Literarischen gerückt …“ In diesem Punkt ist
der Verfasser des Artikels weniger gut informiert als be
züglich der Volksbühne. Abgesehen
davon, daß durch die Be
arbeitung von Karl
Kraus „Pariser Leben“ nicht so
sehr ins
Literarische wie ins
Theatralische gerückt wird, aus dem es
die Verschandler entfernt haben,
hat das Renaissance-Theater
Gustav Hartungs, das sich um eine Wiedererweckung von Offenbachs Operette „Pariser Leben“
bemühte, hiebei der Mitwirkung
des Herrn Karl
Kraus entbehren müssen. Er hatte es im Gegen
teil seinerzeit abgelehnt, dem
Renaissance-Theater seine Be
arbeitung zur Verfügung zu
stellen, und ein Zusammenhang wäre
höchstens darin zu erblick, daß die Veranstalter der Auf
führung einem Vortrag von „Pariser Leben“ durch Herrn KarlKraus beigewohnt, jedoch
nur wenig davon profitiert haben.
Wir fordern Sie auf, von diesem Sachverhalt in Ihrem nächsten
Heft Notiz zu nehmen, also die
Behauptung, daß im Renaissance-Theater „Pariser Leben“ in der Bearbeitung von Karl Kraus
aufgeführt wurde, zu berichtigen
und uns ein Belegexemplar
einzusenden. Sollten Sie dies unterlassen, so werden wir
Ihnen eine Berichtigung gemäß dem
Preßgesetz zusenden.
Hochachtungsvoll