Abschrift
Lieber Herr Meyer,
mein anderthalbstündiges
Ringen mit Herrn Fischer ist voll
kommen erfolglos verlaufen.
Die Erklärung zu Punkt 1 des Vertrages,
den Sie mit Kraus
geschlossen haben, genügt ihm nicht. Ich habe darum
dort eingefügt, dass die
Uebertragung des Verlagsrechtes der Zustimmung
von Kraus, Rettungsgesellschaft
und Verlag S.
Fischer bedarf. Diese
Worte habe ich ausserdem am
Rande ausdrücklich als meine Ergänzung ge
kennzeichnet mit dem Zusatz
Dr. V.F. i.V. Schroll & Co. Leider war
es mit der Beseitigung
dieses Hindernisses noch immer nicht getan.
Ich habe keine Abschrift
Ihres Vertrages mit Kraus und
muss
deshalb aus dem
Gedächtnis zitieren: in dem Vertrag
Schroll / Kraus
steht,
dass im Fall der
Auflösung der Fa. Schroll, „die Rechte an dem Auswahlband“ an Kraus zurückfallen. Das will Fischer unter keinen Umständen
gelten lassen. Ich habe
vergeblich versucht, ihm klarzumachen, dass
„zurückfallen“ nur solche Rechte können, die der Betreffende vorher
gehabt hat. Da Kraus also nur
jenes Urheberrecht hat, das sich auf die
Auswahl und Zusammenstellung
gründet, auch nur dieses Recht an ihn
zurückfallen könne, die
eigentlichen Verlagsrechte Fischers aber
nicht
weiter berührt
würden. Fischer besteht darauf, dass die Rechte
an ihn (S.F.)
fallen müssten, wenn der Verlag Schroll aufgelöst würde.
Fischer sagt, er verstehe sehr wohl, dass Herr Kraus einen
solchen
Passus in dem Vertrag haben wollte. (Eben ruft mich Fischer wieder aus
seiner Privatwohnung an, um
mir nochmals zu erklären, dass es so absolut
nicht gehe. Durch die
Formulierung in dem Vertrag
Schroll / Kraus
prätendiere
Kraus ein
Recht für die Ewigkeit, das ihm und Ihnen gemeinsam der S. Fischer
Verlag auf eine genau begrenzte Zeit überlassen will.) Das ist alles
etwas wirr und ich habe mich
bereits bemüht, es Ihnen wenigstens klar
darzustellen. In der
Unterhaltung mit Herrn Fischer ist es noch
viel
wirrer. Ich weiss
leider gar keinen Ausweg als den, dass Kraus auf
diesen
Satz ganz
verzichtet. Der Satz ist ja an sich wohl vollkommen überflüs
sig, wenn nicht sinnlos;
denn wenn Schroll wirklich Pleite macht,
dann
wird die Fa. weiter
existieren mit anderen Inhabern. Dass die Fa.
Schroll
verschwindet, ist nicht
anzunehmen.
Das Traurige ist, dass Fischer, wie ich immer wieder betonen
muss, durch die ganze
vorausgegangene Korrespondenz äusserst miss
trauisch ist und überall
„Fallen“ wittert. So kommt er heute plötz
lich im Gespräch auf den von
ihm selbst stammenden Satz: „Die Verram
schung ist unbedingt
verboten“ und fängt mit mir an zu diskutieren,
was unter Verramschung zu
verstehen sei. Er selbst würde schon den
Rabatt von 60% als Ramsch
ansehen, sagt im nächsten Augenblick aber,
ein Kennzeichen des
Verramschens sei es, dass der ganze Restbestand
eines Werkes en bloc
abgestossen werde.
Endlich will er noch eine
Erklärung haben, dass ausser den ihmbekanntlich
bekannten, keine andern Abmachungen mit Kraus und Rettungsgesellschaft
getroffen wurden. Um die Sache abzukürzen, habe ich ihm vor
geschlagen, dass er seiner
Unterschrift diesen Zusatz beifügen möchte
und habe ihm den
Satz Zusatz genau formuliert: „Unter der Voraussetzung,
dass ausser den in diesem
Vertrage und den zwei Nebenverträgen festgeleg
ten, keine
anderen Abmachungen getroffen worden sind.“
Vielleicht wäre es mir
gelungen, heute noch über die letzten
Schwierigkeiten
hinwegzukommen, obzwar der alte Herr, der sonst
gegen
mich immer sehr
freundlich ist, sehr gereizt schien. In unsere Unter
redung platzte aber die
„Unglücksnachricht“ aus Leipzig hinein: die
Generalstäbler des Verlages Fischer rückten mit den
telefonischen Be
richten über die gestrigen Leipziger Beschlüsse an, und Sie können
sich denken, dass in diesem
Augenblick die Angelegenheit Altenberg für
Fischer ein Staubkorn geworden war, während er das ganze
Gebäude seines
in 42 Jahren
errichteten Verlags wackeln zu sehen
meinte. Es war über
haupt nicht mehr möglich, mit ihm über die Altenberg-Sache weiterzureden.
Ich habe zum Schlusse
gesagt: „das Buch ist fertig, und wir wollen es aus
liefern “
– und Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle,
dass mir Fischer geantwortet hat: „es
ist ausgeschlossen, dass das Buch
fertig ist, denn woher
hätten Sie das Recht, das Buch auch nur setzen zu
lassen, solange Sie
keinen Vertrag mit mir geschlossen haben.“ Da nach
deutschem Recht jeder
Vertrag, dessen schriftliche Ausfertigung vorgesehen
ist, alle vorausgegangenen
mündlichen Abmachungen ungültig erscheinen
lässt, hat sich der Verlag Schroll nach der strengsten
Auslegung des Ge
setzes, also wirklich einer Verletzung des Urheberrechts schuldig gemacht,
und ich kann Ihnen nur
dringendst raten, das Buch nicht
auszugeben, be
vor
nicht der schriftliche Vertrag abgeschlossen ist. Ich zweifle nicht
daran, dass Fischer sofort einen Prozess beginnen würde; und dass Sie
den
verlieren müssen,
halte ich für absolut sicher. Bei der Verwirrung, die
die Leipziger Beschlüsse,
resp. die Notverordnung und ihre Auslegung
im Sortiment hervorrufen
müssen, scheint es mit auch garnicht wünschens
wert, dass das Buch jetzt noch herausgebracht
wird.
Mit herzlichsten Grüssen
Ihr
gez. Fleischer