Peter Altenberg. Auswahl aus seinen Büchern von Karl Kraus


Abschrift


Lieber Herr Meyer,


mein anderthalbstündiges Ringen mit Herrn Fischer ist voll
kommen erfolglos verlaufen. Die Erklärung zu Punkt 1 des Vertrages,
den Sie mit Kraus geschlossen haben, genügt ihm nicht. Ich habe darum
dort eingefügt, dass die Uebertragung des Verlagsrechtes der Zustimmung
von Kraus, Rettungsgesellschaft und Verlag S. Fischer bedarf. Diese
Worte habe ich ausserdem am Rande ausdrücklich als meine Ergänzung ge
kennzeichnet mit dem Zusatz Dr. V.F. i.V. Schroll & Co. Leider war
es mit der Beseitigung dieses Hindernisses noch immer nicht getan.


Ich habe keine Abschrift Ihres Vertrages mit Kraus und muss
deshalb aus dem Gedächtnis zitieren: in dem Vertrag Schroll / Kraus steht,
dass im Fall der Auflösung der Fa. Schroll, „die Rechte an dem Auswahlband“ an Kraus zurückfallen. Das will Fischer unter keinen Umständen
gelten lassen. Ich habe vergeblich versucht, ihm klarzumachen, dass
„zurückfallen“ nur solche Rechte können, die der Betreffende vorher
gehabt hat. Da Kraus also nur jenes Urheberrecht hat, das sich auf die
Auswahl und Zusammenstellung gründet, auch nur dieses Recht an ihn
zurückfallen könne, die eigentlichen Verlagsrechte Fischers aber nicht
weiter berührt würden. Fischer besteht darauf, dass die Rechte an ihn (S.F.)
fallen müssten, wenn der Verlag Schroll aufgelöst würde.


Fischer sagt, er verstehe sehr wohl, dass Herr Kraus einen solchen
Passus in dem Vertrag haben wollte. (Eben ruft mich Fischer wieder aus
seiner Privatwohnung an, um mir nochmals zu erklären, dass es so absolut
nicht gehe. Durch die Formulierung in dem Vertrag Schroll / Kraus prätendiere
Kraus ein Recht für die Ewigkeit, das ihm und Ihnen gemeinsam der S. Fischer
Verlag auf eine genau begrenzte Zeit überlassen will.) Das ist alles
etwas wirr und ich habe mich bereits bemüht, es Ihnen wenigstens klar
darzustellen. In der Unterhaltung mit Herrn Fischer ist es noch viel
wirrer. Ich weiss leider gar keinen Ausweg als den, dass Kraus auf diesen
Satz ganz verzichtet. Der Satz ist ja an sich wohl vollkommen überflüs
sig, wenn nicht sinnlos; denn wenn Schroll wirklich Pleite macht, dann
wird die Fa. weiter existieren mit anderen Inhabern. Dass die Fa. Schroll
verschwindet, ist nicht anzunehmen.


Das Traurige ist, dass Fischer, wie ich immer wieder betonen
muss, durch die ganze vorausgegangene Korrespondenz äusserst miss
trauisch ist und überall „Fallen“ wittert. So kommt er heute plötz
lich im Gespräch auf den von ihm selbst stammenden Satz: „Die Verram
schung ist unbedingt verboten“ und fängt mit mir an zu diskutieren,
was unter Verramschung zu verstehen sei. Er selbst würde schon den
Rabatt von 60% als Ramsch ansehen, sagt im nächsten Augenblick aber,
ein Kennzeichen des Verramschens sei es, dass der ganze Restbestand
eines Werkes en bloc abgestossen werde.


Endlich will er noch eine Erklärung haben, dass ausser den ihm
bekanntlich bekannten, keine andern Abmachungen mit Kraus und Rettungsgesellschaft getroffen wurden. Um die Sache abzukürzen, habe ich ihm vor
geschlagen, dass er seiner Unterschrift diesen Zusatz beifügen möchte
und habe ihm den Satz Zusatz genau formuliert: „Unter der Voraussetzung,
dass ausser den in diesem Vertrage und den zwei Nebenverträgen festgeleg
ten, keine anderen Abmachungen getroffen worden sind.“


Vielleicht wäre es mir gelungen, heute noch über die letzten
Schwierigkeiten hinwegzukommen, obzwar der alte Herr, der sonst gegen
mich immer sehr freundlich ist, sehr gereizt schien. In unsere Unter
redung platzte aber die „Unglücksnachricht“ aus Leipzig hinein: die
Generalstäbler des Verlages Fischer rückten mit den telefonischen Be
richten über die gestrigen Leipziger Beschlüsse an, und Sie können
sich denken, dass in diesem Augenblick die Angelegenheit Altenberg für
Fischer ein Staubkorn geworden war, während er das ganze Gebäude seines
in 42 Jahren errichteten Verlags wackeln zu sehen meinte. Es war über
haupt nicht mehr möglich, mit ihm über die Altenberg-Sache weiterzureden.
Ich habe zum Schlusse gesagt: „das Buch ist fertig, und wir wollen es aus
liefern “ – und Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle,
dass mir Fischer geantwortet hat: „es ist ausgeschlossen, dass das Buch
fertig ist, denn woher hätten Sie das Recht, das Buch auch nur setzen zu
lassen, solange Sie keinen Vertrag mit mir geschlossen haben.“ Da nach
deutschem Recht jeder Vertrag, dessen schriftliche Ausfertigung vorgesehen
ist, alle vorausgegangenen mündlichen Abmachungen ungültig erscheinen
lässt, hat sich der Verlag Schroll nach der strengsten Auslegung des Ge
setzes, also wirklich einer Verletzung des Urheberrechts schuldig gemacht,
und ich kann Ihnen nur dringendst raten, das Buch nicht auszugeben, be
vor nicht der schriftliche Vertrag abgeschlossen ist. Ich zweifle nicht
daran, dass Fischer sofort einen Prozess beginnen würde; und dass Sie den
verlieren müssen, halte ich für absolut sicher. Bei der Verwirrung, die
die Leipziger Beschlüsse, resp. die Notverordnung und ihre Auslegung
im Sortiment hervorrufen müssen, scheint es mit auch garnicht wünschens
wert, dass das Buch jetzt noch herausgebracht wird.


Mit herzlichsten Grüssen
Ihr
gez. Fleischer