Sehr geehrter Herr!


Da ich die mit Ihrer Sache im Zusammenhang
stehenden Sache des Darlehens an Herrn Berthold Viertel be
handle, hat mich Herr Karl Kraus ersucht, diesen Brief, den
ich nicht als sein Rechtsvertreter sondern als Verwalter sei
ner materiellen Angelegenheiten schreibe, an Sie zu richten.


Sie haben am 10. April 1924 sich ver
pflichtet, das Ihnen gewährte Darlehen von 3.000.–– Mark samt
„bankmässigen Zinsen wie im Frieden“ in der Zeit vom 1.1.1925
bis 1.1.1926 zurückzuzahlen. Diese Frist wurde nicht eingehal
ten, doch wurden im Laufe der Zeit nach unseren Aufzeichnungen
1.510.50 Mark bezahlt, deren Verrechnung als Zinsen- und viel
leicht schon Kapitalszahlung insoferne auf Schwierigkeit
stösst, als dem Verlag der Fackel als Buchhaltung zwar der
Monat, nicht aber der Tag der einzelnen Zahlungen bekannt ist.
Zu einer genauen Zinsenberechnung wäre aber ein solcher Auf
schluss notwendig und ich ersuche Sie, mir aus Ihren etwaigen
Aufzeichnungen den Tag der einzelnen Zahlungen bekanntzugeben.
Sollte Ihnen dies nicht möglich sein, so schlage ich vor, immer
die Monatsmitte als Zahlungstag anzunehmen. Nach meinen Er
hebungen haben die Bankzinsen in Deutschland betragen:


vom 18.3.1924 bis 17.7.1924 8%
vom 14.7.1924 bis 21.1.1925 6%
vom 21.1.1925 bis 4.3.1925 9%
vom 5.3.1925 bis 17.1.1926 8%
vom 18.1.1926 bis 31.3.1926 7%
vom 1.4.1926 bis 8.7.1926 6%
vom 9.7.1926 bis 10.6.1927 5½%
vom 11.6.1926 bis 7.10.1926 6%
vom 8.10.1927 bis 19.1.1928 7%
vom 21.1.1928 bis 11.1.1929 6 1/4%
vom 12.1.1929 bis 24.4.1929 6%
vom 25.4.1929 bis 31.5.1929 7%
vom 1.6.1929 bis 30.6.1929 8%
seit 1.7.1929 7%
und frage nun bei Ihnen an, ob die Annahme eines solchen Zins
fusses dem Sinne der etwas vagen Abmachung „Zinsen wie im
Frieden“ entspricht.


Ich ersuche Sie also, für die Bezahlung
Ihrer Restschuld bis zum 15. Juli 1930 Sorge zu tragen, deren
Berechnung ich nach Empfang Ihrer Antwort vornehmen und Ihnen
bekanntgeben werde.


Mit vorzüglicher Hochachtung


3

4