15.M.1844/31. Beschluß.


In Sachen
des Schriftstellers Karl Kraus, Wien III, HintereZollamtsstr. 3,
Gläubigers,
vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Laserstein, Berlin N.O.18, Landsberger Allee 115/116,


gegen


den Theaterdirektor Ernst Josef Aufricht, Berlin-Wilmersdorf, Landauerstr. 4,
Schuldner,
vertreten durch den Rechtsanwalt Justizrat Dr. GustavSchoeps, Berlin C.25, Alexanderstr. 53,


wird die Erinnerung des Schuldners gegen die
Pfändung des Obergerichtsvollziehers Schultzen vom 28. Mai 1931 (D.R.Nr.604.V.31) zu
rückgewiesen.


Der Schuldner trägt die Kosten der Erinnerung.


Gründe:


Der Schuldner hat geltend gemacht, daß die ge
pfändeten Gegenstände Nr. 1–7 des Pfändungsprotokolls
ihm für seinen Bedarf und zur persönlichen Fortset
zung seiner Erwerbstätigkeit unentbehrlich seien.


Nach den eigenen Ausführungen und nach der eige
nen eidesstattlichen Versicherung des Schuldners
kann die Erinnerung jedoch nicht als begründet an
erkannt werden. Maßgebend für die Frage der Unent
behrlichkeit ist der Zeitpunkt der Pfändung (28. Mai
1931). Zu diesem Zeitpunkt ist aber der Schuldner
(der bis zum 1. Mai 1931 das Theater am Schiffbauerdamm geleitet hat) als Schauspieler nicht tätig gewe
sen. Er kann deshalb den Schutz des § 811 5 ZPO. für
sich nicht in Anspruch nehmen. Wenn der Schuldner
für die Zukunft die Absicht hat, beim Theater oder
Tonfilm eine Beschäftigung als Schauspieler zu suchen
so hat dieser Umstand auf die Wirksamkeit der bereits
am 28. Mai 1931 vorgenommenen Pfändung keinen Ein
fluß. Abgesehen davon muß es unter den heutigen Ver
hältnissen als ganz unsicher angesehen werden, ob
der Schuldner überhaupt in absehbarer Zeit eine Stel
lung als Schauspieler finden wird. Auch läßt sich
nicht ohne weiteres annehmen, daß der Schuldner,
selbst wenn ihm dieses gelingen sollte, in dieser
Stellung gerade die gepfändeten Sachen unbedingt nö
tig hat (vgl. insbesondere Nr. 1).


Eine Unpfändbarkeit auf Grund des § 811 Ziffer 5ZPO. kommt daher nicht in Betracht. Ebensowenig ist
aber eine Unentbehrlichkeit der Pfandstücke nach
§ 811 Ziffer 1 dargelegt und nachgewiesen. Es ist
selbstverständlich, daß der Gerichtsvollzieher dem
Schuldner an Schuhen, Kleidungsstücken und Hüten
dasjenige, war für den Bedarf des Schuldners – für
seine Person – unentbehrlich ist, noch belassen hat.
Tatsächliche Angaben, aus denen das Gegenteil zu ent
nehmen wäre, hat der Schuldner auch nicht gemacht.


Schließlich kann nicht anerkannt werden, daß die
Pfandstücke so geringwertig sind, daß bei ihrer Ver
steigerung ein die Vollstreckungskosten übersteigen
der Erlös nicht zu erwarten ist. Die Taxen sind nicht
sehr hoch, ergeben aber doch einen Gesamtbetrag von
70 RM. Daß die angesetzten Taxen an sich richtig be
messen sind, muß auf Grund der in dieser Beziehung
vorhandenen Erfahrung des Gerichtsvollziehers ohne
weiteres angenommen werden. Die Vernehmung eines Sach
verständigen über die Aussichten einer Versteigerung
kommt daher nicht in Frage.


Hiernach mußte die Erinnerung zurückgewiesen werden.


Ausgefertigt
Charlottenburg, d. 6. Juni 1931
[Unterschrift]
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
des Amtsgerichts, Abt. 15


Charlottenburg, den 5. Juni 1931.
Amtsgericht Abt.15.
gez. Kirchhoff.