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IM NAMEN DER REPUBLIK!
Vor dem Strafbezirksgericht I in Wien als Pressegericht ist
heute in Gegenwart des
Privatanklagevertreters Dr. OskarSamek, des Angeklagten Josef Koller
im Nichteinbringungsfalle zu
24 Stunden Arrest und gemäss
§ 389 St.P.O. zum Ersatze der Kosten des Strafver
fahrens
verurteilt.
Josef Koller wird ferner gemäss
§ 24(2)3,
(4) und (6) Pressgesetz verpflichtet, diese
Berichtigung in der nächsten oder zweitnächsten Nummer
der Zeitung „Der Wiener Tag“ die nach Verkündigung dieses
Urteiles erscheinen wird in
der im § 23 Pressgesetz vor
geschriebenen Weise zu veröffentlichen, widrigenfalls die
genannte Zeitung nicht mehr erscheinen dürfte.
Gemäss § 5(2) Pressgesetz haftet „DerTag“ Verlag A.G.
als Eigentümer und als Herausgeber
der genannten Zeitung für die Geldstrafe und die Kosten
des Strafverfahrens zur
ungeteilten Hand mit dem Verurteilten.
Entscheidungsgründe:
Durch das Impressum bezw.
die
Angaben des Verteidigers und des Beschuldigten ist
erwiesen, dass Beschuldigter in der in Betracht kommenden
Zeit der verantwortliche
Schriftleiter der Zeitung „DerWiener Tag“ war,
dass er das Berichtigungsschreiben vom
24. Dezember 1930 erhalten
hat und dass seit Erhalt
des
Berichtigungsschreibens mehr als zwei Nummern der
genannten Zeitung erschienen sind, die verlangte Berichtigung aber nicht veröffentlicht wurde.
Das Gericht hatte zu prüfen, ob
die Weigerung des Beschuldigten, die verlangte Berichtigung
zu
veröffentlichen, eine grundlose war.
Der Beschuldigte hatte eingewendet, die
Berichtigung deshalb nicht veröffentlicht zu haben, da sie
nach seiner Meinung in
mehreren Punkten dem Pressgesetz
nicht entsprochen habe. Die
These des 1. Punktes,
die
lediglich lautet: „Diese Behauptung ist unwahr.“ bringe
in dieser Fassung nicht zum
Ausdruck, welche der vorher
zitierten Stellen des berichtigten Artikels der Berichtigungswerber
als unwahr bezeichnen wolle;
auch sei lediglich die Möglich
keit gewesen zu
berichtigen, dass der Inhalt der Ehrenbeleidigungsklage
Dris. Pisk gegen Karl Kraus ein anderer
gewesen. Die Behauptung der
Antithese des 2. Punktes
sei
kein richtiger Gegensatz zu den Behauptungen des Artikels,
insbesonders deswegen, weil
der Berichtigungswerber das
Gegenteil dieser Antithese
„laut nunmehr
vorliegendem
Protokoll“ behaupte, dieses „Protokoll“ im Artikel
aber nicht erwähnt sei. Es
sei auch überflüssig, in
der
Antithese des 3. Punktes anzuführen, was der Berichtigungswerber in Breslau getan
habe (einen Offenbach-
Vortrag gehalten), da hiemit
kein Gegensatz zu einer Be
hauptung des Artikels aufgestellt wurde.
Das Gericht konnte diesen Einwendungen
des Beschuldigten keine Berechtigung zuerkennen.
Der Berichtigungswerber zitiert
im 1. Punkt eine Stelle des
berichtigten Artikels, in der
behauptet wird, dass der Berichtigungswerber
nach dem
Vortrag einer Zeitstrophe,
die sich „gegen die sozial
demokratische Presse richtete“, einige Worte, die in
dem
Zitat auch angeführt
werden („Aber in einigen Tagen …
sondern Offenbach.“) gesagt habe.
Nach Ansicht des Gerichtes
ist dieser
Berichtigungspunkt, in welchem die eben
zitierte Behauptung des Artikels als unwahr bezeichnet
und
gegenübergestellt
wird, dass der Berichtigungswerber nicht
die im Artikel angeführten, sondern andere Worte
gesprochen und weiters, dass
Karl Kraus
nicht vor,
sondern nach diesen Worten eine Strophe vorgetragen
habe, vollkommen
gesetzgemäss. Dass die angeführten Worte
Karl Kraus lediglich nach
Inhalt der Klage
Dr. Pisk –
Karl Kraus gesprochen hatte,
ist nicht massgebend; da die
beteiligte Person berechtigt ist alles zu
berichtigen was
sie betrifft
und zwar ohne Unterschied, ob eine Tatsache
vom Artikelverfasser oder von jemand anderen behauptet
worden ist.
Im 2. Punkte wird eine
Behauptung
des Artikels, dass der Verteidiger des Prozesses, über den
der Artikelschreiber berichtet, unter Beweis gestellt
habe, dass Pisk „für die Berliner Börsen-Zeitung, eine
bürgerliche, mehr rechts stehende Zeitung schreibe,“ als
unwahr bezeichnet und in der
Antithese demgegenüber be
hauptet, der Beweis des Verteidigers sei dahin gegangen,
dass Pisk „Mitarbeiter der Berliner Börsen-Zeitung sei, die
auf der äussersten Rechten stehe.“ Es ist in diesen
Worten
der Antithese ein
genügender Gegensatz hinsichtlich der
behaupteten Richtung des Blattes aufgestellt. Es ist
allerdings richtig, dass die
Aufnahme der Worte „laut
nunmehr vorliegendem
Protokoll“ in die Antithese nicht
notwendig war; mit Rücksicht
aber auf die geringe Zahl und
den geringen Umfang dieser wenigen Worte konnte der
verantwortliche Schriftleiter aus diesem Grunde die Ver
öffentlichung der
Berichtigung berechtigter Weise nicht
verweigern.
Die These des 3. Punktes
bezeichnet es als
unwahr,
dass der Berichtigungswerber sich an dem
bestimmten
Tage in Berlin befunden habe. Es ist dieser
These eine
entsprechende
Antithese gegenübergestellt, wenn be
hauptet wird,
dass sich der Berichtigungswerber
in Breslau befunden habe. Es war zwar
nicht notwendig, dass
in der
Antithese angeführt werde, dass der Berichtigungswerber
in Breslau
einen Vortrag gehalten habe. Das Gericht
ist jedoch
der Ansicht, dass es dem Sinne des Pressgesetz
nicht entsprechen würde,
wenn der verantwortliche Schriftleiter
wegen der Aufnahme von einigen wenigen, wenn
auch überflüssigen Worten in
eine sonst dem Gesetz ent
sprechende Berichtigung die Veröffentlichung dieser Berichtigung mit Grund verweigern dürfte.
Da nach dem Vorgesagten die
ver
langte Berichtigung
dem Gesetz entsprach, war die Weigerung
des Beschuldigten, diese Berichtigung
zu veröffentlichen,
eine
grundlose.
Da sohin der Tatbestand der
Ueber
tretung
nach § 24(2) 3 Pr.G. gegeben war, war mit einem
Schuldspruch vorzugehen.
Bei der Strafbemessung kam
kein
Umstand als
erschwerend oder als mildernd in Betracht.
Die über den Beschuldigten
verhängte Strafe erscheint
seinem Verschulden angemessen.
Die übrigen Aussprüche des
Urteiles
gründen sich auf
die bezogenen Gesetzesstellen.