Berliner Börsen-ZeitungKommentar zum österreichischen StrafrechtKarl Kraus zu fünfhundert Schilling verurteilt. Wegen Beleidigung des Musikkritikers Dr. Pisk.Das deutsche Reichs-Preßrecht. Unter Berücksichtigung der Literatur und der Rechtsprechung insbesondern des Berliner Obertribunals und des Reichsgerichtes systematisch dargestellt.Lehrbuch des österreichischen PreßrechtsKommentar zum Preßgesetz und zur Strafgesetznovelle 1929.Lehrbuch des deutschen Preßrechtes


1 U 8/31


An das


Strafbezirksgericht I.,
Wien.


Josef Koller,
Schriftleiter des „Morgen
Wien, IX.Canisiusgasse 8/10


durch:


Gegenstand: Berufungsausführung.


In obiger Sache wird die rechtzeitig
erhobene Berufung puncto Nichtigkeit, Schuld und
Strafe wie folgt ausgeführt:


I.) Durch den ergangenen Ausspruch
über die Frage, ob die mir zur Last fallende
Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehöri
ge strafbare Handlung begründe, ist das Gesetz
verletzt und unrichtig angewendet worden und
damit der Berufungs- bezw. Nichtigkeitsgrund der
§§ 464, Z.1 und 468, Z.3(§ 281, Z.9a) St.P.O.


gegeben.


Die Anschauung des Erstgerichtes,daß die Verpflichtung be
standen habe, die gegenständliche Berichtigung zu veröffentlichen,
ist rechtsirrig. Die Berichtigung entsprach in keinem ihrer Punkte
dem Gesetze und die Weigerung, sie zu veröffentlichen, war darum
gerechtfertigt.


Zum 1. Berichtigungspunkte:


Die Berichtigung hat sich hier nicht etwa gegen die Richtig
keit der Tatsache gewendet, daß die Ehrenbeleidigungsklage des
Dr. Paul Amadäus Pisk den ihr im Artikel zugeschriebenen Inhalt ge
habt hat, sondern gegen die Richtigkeit von Tatsachen, die diese
Klage geltendgemacht hat. Das Erstgericht hält dies für zulässig,
indem es meint, die beteiligte Person könne „alles berichtigen,
was sie betrifft, und zwar ohne Unterschied, ob eine Tatsache vom
Artikelverfasser oder von jemand anderem behauptet worden ist.“
Das Erstgericht geht mit dieser Argumentation fehl. Der gegenständ
lich rechtsentscheidende Gesichtspunkt ist hiebei übersehen.


Der Gegenstandsfall hat nicht das geringste mit den dem
Erstgerichte offenbar vorschwebenden Fällen zu tun, in denen die
Sache etwa so gelagert ist: ein Blatt A hat über einen Vorfall
berichtet, das Blatt B übernimmt den Bericht als solchen und leitet
ihn mit einem kurzen Hinweis auf Entnahme aus dem Blatt A ein.
Hier läßt sich der Standpunkt der Rechtslehre und der Judikatur,
daß die Berichtigung auch gegenüber dem Blatte B bezüglich des Be
richtinhaltes möglich ist, aus dem Gesetze immerhin rechtfertigen.
Denn § 23 P.G. gestattet die Berichtigung in der Zeitung „mitge
teilter Tatsachen“. Die Tatsache, die in derartigen Fällen den
Lesern mitgeteilt werden soll und mitgeteilt wird, ist nämlich nicht
etwa der nebensächliche Umstand, daß das Blatt A den in Betracht
kommenden Bericht gebracht hat, sondern der Vorfall, der im Bericht
behandelt wird. In solchen Fällen wird zwar die Quelle genannt,
aus der das Blatt B die Berichttatsachen übernommen hat, aber der
Gegenstand der eigentlichen Mitteilung, also „mitgeteilte Tatsachen“
sind die den Inhalt des Berichtes selbst bildenden Vorfall-Tatsachen; darum
ist auch dieser gegenüber eine Berichtigung durch eine beteiligte


Person ohneweiteres zulässig.


Durchaus wesensverschieden hievon liegt jedoch der Fall, der
zur Entscheidung steht. Nur die Verkennung dieser Wesensverschie
denheit konnte zu dem angefochtenen Fehlurteile führen.


Der vorliegende Artikel ist nach Form und Inhalt ein Ver
handlungsbericht. Er beginnt mit der Erwähnung der am Vortage statt
gefundenen Verhandlung über die Ehrenbeleidigungsklage des Dr.
Paul Amadäus Pisk, gibt sodann den Inhalt der Klage wieder, sogar
zu wiederholten Malen ausdrücklich durch die Worte „nach Inhalt
der Klage“ und Verwendung des Wortes „soll“ die bloße Wiedergabe
des Klageinhaltes besonders betonend, geht sodann – nach der Bemer
kung, daß „über diese Klage“ wiederholt Verhandlungen angeordnet
waren – dazu über, den Standpunkt des Beschuldigten im Ehrenbelei
digungsprozeß darzustellen und schildert nach dieser Darlegung den
weiteren Verlauf der Verhandlung und ihr Ergebnis.


Um nun richtig rechtlich beurteilen zu können, in welcher
Richtung eine Berichtigung gegenüber einem solchen Berichte vorge
nommen werden kann, ist es notwendig, die Frage zu stellen, was in
ihm „mitgeteilte Tatsache“ im Sinne des § 23 P.G. ist. Es kann wohl
keinem Zweifel unterliegen, daß ein nach Form und Inhalt als Ver
handlungsbericht gehaltener und als solcher erkennbarer Zeitungs
bericht nicht etwa die Tatsachen mitzuteilen bestimmt ist und mit
teilt, die den Gegenstand des Parteienvorbringens gebildet haben,
vielmehr die Tatsache mitteilt, daß die Parteien dies oder jenes
vorgebracht haben. „Mitgeteilte Tatsache“ im Sinne des § 23 P.G.
ist also die Tatsache des Parteienvorbringens, nicht aber sind es
die Tatsachen, die den Inhalt des Parteienvorbringens gebildet haben.


Die von mir vertretene Auffassung findet in der Literatur
des österreichischen sowie des deutschen Preßrechtes wertvolle
Stütze. So hat Franz v. Liszt in seinem „Lehrbuch des österreichischenPreßrechts“ (S. 179) erklärt: „Was im Schoß der deutschen Reichs
tagskommission bezüglich der Kammerberichte ausgesprochen wurde,
‚der § könnte nicht Anwendung finden auf wahrheitsgetreue Mitteil-


lungen von Kammerreden bezüglich der von den Rednern vorge
tragenen Tatsachen, denn hier seien nicht diese Tatsachen selbst,
sondern nur die Kammerreden als solche Gegenstand der in der Druck
schrift gemachten Mitteilung.‘ – eine Ansicht, die von allen Seiten
gebilligt wurde – muß auf alle analogen Fälle Anwendung finden“.
Und in dem gleichen Sinne nimmt die Literatur zum Begriffe der
„mitgeteilten Tatsache“ für den Bereich des deutschen Preßrechtes
Stellung. So äußert sieh BernerLehrbuch des deutschen Preßrechtes“ (S. 230) über die Entstehungsgeschichte unter Hinweis
auf den Bericht der 7. Kommission des deutschen Reichstages 1874:
„Sie (die Reichstagskommission von 1874) war einstimmig der An
sicht, daß die wortgetreue Wiedergabe von Kammerverhandlungen, Ge
richtsverhandlungen usw. eine Berichtigungspflicht wegen darin ent
haltener angeblich unrichtiger Angaben nicht begründe.“ Auch Liszt
„Das deutsche Preßrecht“ (S. 97) führt aus: „Wenn daher in einem
Parlamentsberichte die Behauptungen einzelner Abgeordneter als
solche wiedergegeben sind, so kann sich die Entgegnung nicht ge
gen die Behauptungen der Abgeordneten wenden, sie kann vielmehr
lediglich bestreiten, daß der betreffende Abgeordnete die ihm in
den Mund gelegten Behauptungen wirklich aufgestellt hat. Die
Immunität der Parlamentsberichte hat mit diesem aus dem Begriffe
der Entgegnung folgenden Satze nichts zu tun. Eben darum gilt
er auch in allen analogen Fällen „überall dort, wo die Presse Be
hauptungen anderer als deren Behauptungen, nicht als eigene wie
dergibt …“


Das Erstgericht hat in seinem Urteile übersehen, daß die
Prüfung der Frage, worin die „mitgeteilte Tatsache“ gelegen war,
allein zu einer richtigen Entscheidung zu führen vermag. Bei einer
solchen Prüfung hätte es aber zu der Feststellung gelangen müs
sen, daß Gegenstand der Mitteilung nicht die Tatsachen gebildet
haben, die von der Klage behauptet wurden, sondern nur die Tatsache,
daß die Klage diese Behauptungen aufgestellt hat. Eine Berichtigung
wäre also nur etwa in der Richtung möglich gewesen, daß die Klage


nicht den angeführten, sondern einen anderen Inhalt gehabt hat,
nicht aber dahin, daß die Behauptungen der Klage unwahr gewesen
sind.


Zu welchen vom Gesetze gewiß niemals gewollten Weiterungen
es führen müßte, wenn der vom Erstgerichte vertretene Rechtsstand
punkt zum Durchbruche käme, läßt folgende Erwägung erkennen: Wäre
es wirklich zulässig, gegenüber einem Verhandlungsberichte Berich
tigungen in der Richtung vorzunehmen, wie dies gegenständlich
erstinstanzlich für zulässig erachtet wurde, dann würde jede Zei
tung, die der berechtigten Interessenahme der Öffentlichkeit an den
Erscheinungen des Rechtslebens durch Veröffentlichung von Prozeß
berichten Rechnung trägt, Gefahr laufen müssen, zum Tummelplatze
absonderlicher Berichtigungen zu werden. Da in jedem Zivilprozesse
Parteienbehauptungen gegen Parteienbehauptungen stehen, würde ge
genüber dem ihm geltenden Verhandlungsbericht jeder der beiden
(oder mehr) Parteien die Möglichkeit eröffnet sein, die Wiedergabe
der Behauptungen der jeweiligen Gegenpartei nicht etwa bloß
dahin zu berichtigen, daß diese Wiedergabe unrichtig erfolgt ist,
sondern dahin, daß diese Behauptungen unwahr seien. Ja noch mehr:
wenn in dem Berichte der Inhalt einer Urteilsbegründung wiederge
geben war, könnte die Partei, der die als urteilsmäßig festgestellt
berichteten Tatsachen nicht genehm sind, eine Berichtigung dahin
entgegensetzen, daß die vom Gerichte, allenfalls sogar schon in
rechtskräftigem Urteile, zugrundegelegten Tatsachen nicht wahr
sind. Noch eindringlicher treten die Konsequenzen, die sich aus einer
dem Erstgerichte folgenden Rechtspraxis ergeben müßten, zutage,
wenn Berichte über strafgerichtliche Fälle in Erwägung gezogen
werden. Die vom Erstgerichte vertretene Auffassung würde zu dem
Ergebnisse führen müssen, daß es jedem Angeklagten freigestellt wä
re, der Zeitung, die in einem Gerichtssaalberichte z.B. den Inhalt
der staatsanwaltlichen Anklageschrift wiedergegeben hat, eine Be
richtigung aufzuzwingen, die nicht etwa behauptet, daß der Inhalt
der Anklageschrift unrichtig gebracht sei, sondern – daß die Tat-


sachen, die die Anklage anführt, unwahr wären. Oder: jeder – auch der
bereits rechtskräftig verurteilte – Angeklagte könnte einer Zeitung,
die den Inhalt des gegen ihn gerichteten Urteiles mitteilt, eine
Berichtigung zumuten, die nicht etwa die Richtigkeit der Wiedergabe
betrifft, sondern die Unwahrheit der als Urteilsinhalt angeführten
Tatsachen geltend macht. Die Eröffnung derartiger Möglichkeiten
konnte gewiß nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen sein.


Sind aber die Folgerungen, zu denen die vom Erstgerichte
dem § 23 P.G. gegebene Sinndeutung zwangsläufig führen muß, als vom
Gesetzgeber nicht gewollt abzulehnen, dann muß diese Auslegung Ab
lehnung finden, zumal wenn das unmöglich erscheinende Ergebnis durch
eine andere Auslegung vermieden werden kann. Der Weg zu dieser an
deren allein rechtsrichtigen Auslegung ist freigelegt, wenn den Wor
ten „mitgeteilte Tatsache“ die rechtsentscheidende Bedeutung bei
gelegt und stets die Frage gestellt wird: was ist in dem zu berich
tigenden Artikel als Tatsache mitgeteilt worden.


Zu diesem rechtlichen Gesichtspunkte kommt überdies noch
der folgende hinzu:


Der Gedanke, der dem Berichtigungszwange zugrundeliegt, ist
bekanntlich der Grundsatz „Audiatur et altera pars“. Nun ist diesem
Grundsatze schon nach der Natur eines Verbandlungsberichtes in
einem solchen selbst Rechnung getragen. Es werden ja darin nicht bloß
die einseitigen Ausführungen der einen Partei, sondern auch die der
anderen Partei dargestellt. Dies ist auch gegenständlich geschehen.
Der Verhandlungsbericht führt ausdrücklich insbesondere an: „Er
(der Verteidiger des Herrn Karl Kraus) erklärte, daß Karl Kraus die
Äußerungen, wie sie inkriminiert, nicht gemacht habe, daß Kraus in
dem Vertrage am 7. Juni zwar den Ausdruck ‚Schlieferl‘ gebracht
habe, jedoch sei es, zumal auch kein Name genannt wurde, nicht erkenn
bar gewesen, daß dieser Ausdruck sich auf den Privatkläger beziehen
müsse …“


Der dem Gesetze zugrundeliegende Gedanke, daß auch der an
dere Teil zu Worte kommen soll, kommt gegenüber einem Verhandlungs-


bericht, soweit es sich um die von den Parteien behaupteten Tat
sachen handelt, überhaupt nicht in Betracht, da eben ein solcher
Bericht schon seinem Wesen nach diesem Grundgedanken Genüge tut.
Eine Berichtigung käme da nur in Frage, wenn die Unrichtigkeit der
Darstellung, die das Parteienvorbringen in der Zeitung gefunden hat,
geltend gemacht würde.


Auch dem Privatankläger wäre also nur die Möglichkeit
offen gestanden, allenfalls die Darstellung seines (bezw. seines
Verteidigers) Vorbringens als unwahr zu berichtigen. Dann aber
wäre von ihm nicht die im 1. Berichtigungspunkt berichtigte, son
dern die letztzitierte dieses Vorbringen betreffende Stelle („Er
erklärte, daß Karl Kraus die Äußerungen …“ zu berichtigen
gewesen.


Auch damit sind jedoch die Gründe, welche die Weigerung,
die Berichtigung zu veröffentlichen, als gerechtfertigt erscheinen
lassen, noch nicht erschöpft.


In einer Berichtigung muß die Behauptung, die der Berich
tigende unwahr findet, bestimmt bezeichnet sein. An dieser Bestimmt
heit läßt es die Berichtigung in ihrem ersten Punkte fehlen.


Zum 2. Berichtigungspunkte:


Wenn auch nicht von so weitgehender prinzipieller Be
deutung wie die im 1. Berichtigungspunkte zur Erörterung gestellte
Frage über den Gegenstand des Berichtigungszwanges gegenüber
Verhandlungsberichten, so doch gleichfalls von einiger Wichtigkeit
ist die durch den zweiten Berichtigungspunkt aufgeworfene Frage.
Ein Verhandlungsbericht unterrichtet den Leser in Umrissen über
den Verlauf des Prozesses. Er bringt naturgemäß kein stenographisches,
jedes im Gerichtssaal gesprochene Wort festhaltendes Protokoll. Ein sol
ches ist ja in der Regel nicht einmal das gerichtsordnungsmäßig
aufgenommene Protokoll. Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne der
Reproduzierung jeder im Prozeßverlaufe gemachten Äußerung kann an
einen Verhandlungsbericht nicht gestellt werden.


Diese Erwägungen lassen den Umfang des Berichtigungs
zwanges gegenüber einem solchen Berichte richtig abstecken. Wenn


etwa eine Tatsachenentstellung insoferne vorliegt, als ein Par
teienvorbringen geradezu entstellt wiedergegeben wurde, wird die
beteiligte Person berichtigend einschreiten können, nicht aber,
wenn dieses Vorbringen zwar nicht vollständig, jedoch ohne Ent
stellung seines Sinnes wiedergegeben wurde. (Vgl.Swoboda, Komm.z. Preßgesetz S. 64)


Von einer solchen Entstellung kann gegenständlich
nicht gesprochen werden. Wenn abkürzend berichtet wird, es sei der
Beweis gestellt worden „daß der Privatankläger als Mitarbeiter
einer sozialdemokratischen Zeitung auch für die Berliner Börsezeitung, eine bürgerliche, mehr rechtsstehende Zeitung schreibe“,
so ist dies eine durchaus zulässige, nicht sinnentstellende und
darum nicht berichtigungsfähige Abbreviatur für die in der Anti
these behauptete Äußerung, daß der Privatankläger „als Mitarbeiter
einer sozialdemokratischen Zeitung auch Mitarbeiter der ‚BerlinerBörsenzeitung‘ ist, die auf der äußersten Rechten steht und gegen
die Sozialdemokraten auftritt“.


Hiezu tritt in concreto noch folgendes: Der Privatankläger berichtigt, daß „laut vorliegendem Protokoll“ der Beweis
antrag wie in der Antithese angeführt, gelautet habe. Das Erstgericht hält die Aufnahme der zitierten Worte für unerheblich, indem
es „auf die geringe Zahl und den geringen Umfang dieser wenigen
Worte“ verweist. Aber dieser Gesichtspunkt ist unzutreffend. Nach
dem geltenden Preßgesetz ist der Umfang der Berichtigung voll
ständig bedeutungslos. Nur ihr Inhalt ist entscheidend.


Die Antithese mit der Anführung „laut beiliegendem
Protokoll“ läßt zweierlei Auffassung zu. Sie könnte sagen wollen,
der Protokollinhalt sei ein anderer als der in der These behaup
tete, oder aber sich bloß auf das Protokoll als beweisende Tatsa
che berufen wollen. In beiden Fällen wäre die Berichtigung jedoch
verfehlt. In dem Artikel war ja überhaupt nicht irgend ein Proto
kollinhalt behauptet. Der Privatankläger kann also auch nicht
einen anderen Inhalt berichtigend entgegensetzen. Ist aber etwa in der
Berichtigung auf den Protokollinhalt als beweisende Tatsache


verwiesen worden, dann durfte sie gleichfalls in ihr nicht Platz finden.
(Vgl. Mager in Altmann-Jacob, Kommentar z. österr. Strafrecht S. 1318)


Zum 3. Berichtigungspunkte:


Auch in diesem Punkte erscheint die Berichtigung aus
mehrfachen Gründen unzulässig. Der Artikel ist am 5. Dezember 1930
erschienen. Wenn an der gegenständlichen Stelle des Artikels da
von gesprochen wird, daß sich Karl Kraus derzeit in Berlin be
findet, so ist dies auf den Erscheinungstag, den 5. Dezember, und
nicht auf den 4. Dezember zu beziehen; zumal da ja die in diesem
Zusammenhang erwähnte Urteilszustellung am Verhandlungstage,
am 4. Dezember gewiß nicht in Betracht kommen konnte. Es wird
also, da die Behauptung des Artikels gar nicht auf den 4. Dezember
abgestellt ist, eine Tatsache berichtigt, die gar nicht behauptet
wurde.


Des ferneren stellt der Privatankläger der Behauptung, daß
sich Karl Kraus in Berlin befinde, die Behauptung entgegen, daß
er einen Offenbach-Vortrag in Breslau gehalten habe. Auch hier ist
es vollständig bedeutungslos, ob es sich nur um einige wenige Wor
te handelt oder nicht, vielmehr ist der Inhalt allein als maßge
bend zu erachten. Nun ist es vor allem klar, daß die Behauptung,
Karl Kraus habe an einem bestimmten Tag in Breslau einen Vortrag
gehalten, keine Antithese der Behauptung, er habe sich an diesem
Tage in Berlin befunden, bedeuten kann. Dies ergibt die Erwägung,
daß er sich sehr wohl noch am Morgen des betreffenden Tages in Berlin befunden und am Abend desselben Tages in Breslau einen Vor
trag gehalten haben kann. These und Antithese stehen also zu
einander weder in logischem noch tatsächlichen Gegensatze.


Dazu tritt aber auch hier folgender weitere für die
Unzulässigkeit der eingesandten Berichtigung sprechende Grund:
Eine Berichtigung soll und darf nicht dazu dienen, eine Zeitung
zu zwingen, über den Entgegnungszweck hinausgehende Tatsachen
zu bringen, auf deren Veröffentlichung der Beteiligte aus anderen,
nicht durch diesen Entgegnungszweck selbst bestimmten Gründen
Wert legt. Der Privatankläger konnte die Berichtigung nicht dazu


benützen, die Zeitung zu einem Bericht darüber zu veranlassen,
daß er einen Vortrag in Breslau gehalten hat.


Selbst wenn aber die Tatsache der Vortragsabhaltung als
sogenannte „beweisende Tatsache“ angeführt wäre, hätte sie aus
dem zum 2. Berichtigungspunkt angeführten Grunde in die Berichtigung nicht aufgenommen werden dürfen. (Vgl. die dort zitierte Stel
le aus Mager.)


So stellt sich die Berichtigung in allen drei Punkten als
verfehlt dar, weshalb ihre Nichtveröffentlichung berechtigterweise
unterbleiben konnte. Hiezu würde es hinreichen, wenn die Berichtigung auch nur in einem ihrer Punkte oder einem Teile dieser Punkte
nicht gesetzgemäß gehalten wäre.


II. Auch der Berufungsgrund wegen des Ausspruches über die
Schuld im Sinne des § 464, Z.2 St.P.O. ist gegeben.Die Stichhäl
tigkeit dieses Berufungsgrundes ergibt sich schon aus den Aus
führungen zu I, aus denen erhellt, daß schon objektiv keine Schuld
vorliegt. Ich kann mich darum darauf beschränken, mich auf meine
sämtlichen Ausführungen zu I zu beziehen.


III. Nur der juristisch formalen Vollständigkeit halber sei
schließlich noch zum Berufungsgrund pto. Strafe ausgeführt, daß
wenn in irgend einem Falle so doch gegenständlich, selbst wenn
überhaupt objektiv eine Verpflichtung zur Aufnahme der Berichtigung hätte angenommen werden dürfen, bei der Vielfalt der bei mir
bestandenen gegen ihre Zulässigkeit sprechenden Bedenken im Sinne
des § 24 Z 4 P.G. ein entschuldbarer Irrtum meinerseits hätte
als gegeben betrachtet und von einer Strafe hätte abgesehen werden
müssen.


Ich bin jedoch der festen Überzeugung, daß auch mit einer
derartigen Abänderung in der Berufungsinstanz der Sache nicht die
ihr gebührende Lösung gegeben wäre, diese vielmehr einzig und allein
darin liegen kann, daß ich freigesprochen werde und mir das Recht
zuerkannt wird, die auch die Verpflichtung zur Veröffentlichung
aufhebende Entscheidung auf Kosten des Privatanklägers in der im


§ 23 P.G. festgesetzten Weise zu veröffentlichen.


Josef Koller.