1 U 8/31
An das
Josef Koller,
Schriftleiter des „Morgen“
Wien, IX.Canisiusgasse 8/10
durch:
Gegenstand: Berufungsausführung.
In obiger Sache wird die
rechtzeitig
erhobene
Berufung puncto Nichtigkeit, Schuld und
Strafe wie folgt ausgeführt:
I.) Durch den ergangenen
Ausspruch
über die Frage,
ob die mir zur Last fallende
Tat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehöri
ge strafbare Handlung
begründe, ist das Gesetz
verletzt und unrichtig angewendet worden und
damit der Berufungs- bezw.
Nichtigkeitsgrund der
§§ 464, Z.1 und 468, Z.3(§ 281, Z.9a) St.P.O.
gegeben.
Die Anschauung des
Erstgerichtes,daß die Verpflichtung be
standen habe, die
gegenständliche Berichtigung zu veröffentlichen,
ist rechtsirrig. Die Berichtigung
entsprach in keinem ihrer Punkte
dem Gesetze und die
Weigerung, sie zu veröffentlichen, war darum
gerechtfertigt.
Zum 1.
Berichtigungspunkte:
Die Berichtigung hat sich hier nicht etwa gegen die Richtig
keit der Tatsache gewendet,
daß die Ehrenbeleidigungsklage des
Dr. Paul Amadäus Pisk den ihr im Artikel zugeschriebenen Inhalt ge
habt hat, sondern gegen die
Richtigkeit von Tatsachen, die diese
Klage geltendgemacht hat.
Das Erstgericht hält dies für zulässig,
indem es meint, die
beteiligte Person könne „alles berichtigen,
was sie betrifft, und
zwar ohne Unterschied, ob eine Tatsache vom
Artikelverfasser oder
von jemand anderem behauptet worden ist.“
Das Erstgericht geht mit
dieser Argumentation fehl. Der gegenständ
lich rechtsentscheidende
Gesichtspunkt ist hiebei übersehen.
Der Gegenstandsfall hat
nicht das geringste mit den dem
Erstgerichte offenbar vorschwebenden Fällen zu tun, in denen
die
Sache etwa so
gelagert ist: ein Blatt A hat über einen Vorfall
berichtet, das Blatt B
übernimmt den Bericht als solchen und leitet
ihn mit einem kurzen Hinweis
auf Entnahme aus dem Blatt A ein.
Hier läßt sich der
Standpunkt der Rechtslehre und der Judikatur,
daß die Berichtigung auch
gegenüber dem Blatte B bezüglich des Be
richtinhaltes möglich ist,
aus dem Gesetze immerhin rechtfertigen.
Denn § 23 P.G. gestattet die Berichtigung in der Zeitung „mitge
teilter Tatsachen“.
Die Tatsache, die in derartigen Fällen den
Lesern mitgeteilt werden
soll und mitgeteilt wird, ist nämlich nicht
etwa der nebensächliche
Umstand, daß das Blatt A den in Betracht
kommenden Bericht gebracht
hat, sondern der Vorfall, der im Bericht
behandelt wird. In solchen
Fällen wird zwar die Quelle genannt,
aus der das Blatt B die
Berichttatsachen übernommen hat, aber der
Gegenstand der eigentlichen
Mitteilung, also „mitgeteilte Tatsachen“
sind die den Inhalt des
Berichtes selbst bildenden Vorfall-Tatsachen; darum
ist auch dieser gegenüber
eine Berichtigung durch eine beteiligte
Person ohneweiteres
zulässig.
Durchaus wesensverschieden hievon liegt jedoch der Fall, der
zur Entscheidung
steht. Nur die Verkennung dieser Wesensverschie
denheit konnte zu dem
angefochtenen Fehlurteile führen.
Der vorliegende Artikel ist nach Form und Inhalt ein Ver
handlungsbericht.
Er beginnt mit der Erwähnung der am Vortage statt
gefundenen Verhandlung über
die Ehrenbeleidigungsklage des Dr.
Paul Amadäus Pisk, gibt sodann den Inhalt der Klage wieder, sogar
zu wiederholten Malen
ausdrücklich durch die Worte „nach Inhalt
der Klage“ und Verwendung des Wortes „soll“
die bloße Wiedergabe
des
Klageinhaltes besonders betonend, geht sodann – nach der Bemer
kung, daß „über diese Klage“ wiederholt Verhandlungen
angeordnet
waren – dazu
über, den Standpunkt des Beschuldigten im
Ehrenbelei
digungsprozeß darzustellen und schildert nach dieser Darlegung den
weiteren Verlauf der
Verhandlung und ihr Ergebnis.
Um nun richtig rechtlich
beurteilen zu können, in welcher
Richtung eine Berichtigung
gegenüber einem solchen Berichte vorge
nommen werden kann, ist es
notwendig, die Frage zu stellen, was in
ihm „mitgeteilte Tatsache“ im Sinne des § 23 P.G. ist. Es kann wohl
keinem Zweifel unterliegen,
daß ein nach Form und Inhalt als Ver
handlungsbericht gehaltener
und als solcher erkennbarer Zeitungs
bericht nicht etwa die
Tatsachen mitzuteilen bestimmt ist und mit
teilt, die den Gegenstand
des Parteienvorbringens gebildet haben,
vielmehr die Tatsache mitteilt, daß die Parteien dies oder
jenes
vorgebracht haben.
„Mitgeteilte Tatsache“ im
Sinne des § 23 P.G.
ist also die Tatsache
des Parteienvorbringens, nicht aber sind es
die Tatsachen, die den
Inhalt des Parteienvorbringens gebildet haben.
Die von mir vertretene
Auffassung findet in der Literatur
des österreichischen sowie
des deutschen Preßrechtes wertvolle
Stütze. So hat Franz v. Liszt in
seinem „Lehrbuch
des österreichischenPreßrechts“ (S. 179) erklärt: „Was im Schoß der deutschen
Reichs
tagskommission bezüglich der Kammerberichte ausgesprochen wurde,
‚der § könnte nicht
Anwendung finden auf wahrheitsgetreue Mitteil-
lungen von Kammerreden
bezüglich der von den Rednern vorge
tragenen Tatsachen, denn
hier seien nicht diese Tatsachen selbst,
sondern nur die
Kammerreden als solche Gegenstand der in der Druck
schrift gemachten
Mitteilung.‘ – eine Ansicht, die von allen Seiten
gebilligt wurde – muß
auf alle analogen Fälle Anwendung finden“.
Und in dem gleichen Sinne
nimmt die Literatur zum Begriffe der
„mitgeteilten Tatsache“ für
den Bereich des deutschen Preßrechtes
Stellung. So äußert sieh Berner „Lehrbuch des deutschen Preßrechtes“ (S. 230)
über die Entstehungsgeschichte unter Hinweis
auf den Bericht der 7.
Kommission des deutschen Reichstages 1874:
„Sie (die Reichstagskommission
von 1874) war einstimmig der An
sicht, daß die
wortgetreue Wiedergabe von Kammerverhandlungen, Ge
richtsverhandlungen usw.
eine Berichtigungspflicht wegen darin ent
haltener angeblich
unrichtiger Angaben nicht begründe.“ Auch Liszt
„Das deutsche Preßrecht“ (S. 97) führt aus: „Wenn daher in
einem
Parlamentsberichte die Behauptungen einzelner Abgeordneter als
solche wiedergegeben
sind, so kann sich die Entgegnung nicht ge
gen die Behauptungen der
Abgeordneten wenden, sie kann vielmehr
lediglich bestreiten,
daß der betreffende Abgeordnete die ihm in
den Mund gelegten
Behauptungen wirklich aufgestellt hat. Die
Immunität der
Parlamentsberichte hat mit diesem aus dem Begriffe
der Entgegnung folgenden
Satze nichts zu tun. Eben darum gilt
er auch in allen
analogen Fällen „überall dort, wo die Presse Be
hauptungen anderer als
deren Behauptungen, nicht als eigene wie
dergibt
…“
Das Erstgericht hat in seinem Urteile
übersehen, daß die
Prüfung
der Frage, worin die
„mitgeteilte Tatsache“ gelegen war,
allein zu einer
richtigen Entscheidung zu führen vermag. Bei einer
solchen Prüfung hätte es
aber zu der Feststellung gelangen müs
sen, daß Gegenstand der
Mitteilung nicht die Tatsachen gebildet
haben, die von der Klage
behauptet wurden, sondern nur die Tatsache,
daß die Klage diese
Behauptungen aufgestellt hat. Eine Berichtigung
wäre also nur etwa in der
Richtung möglich gewesen, daß die Klage
nicht den angeführten,
sondern einen anderen Inhalt gehabt hat,
nicht aber dahin, daß die
Behauptungen der Klage unwahr gewesen
sind.
Zu welchen vom Gesetze gewiß
niemals gewollten Weiterungen
es führen müßte, wenn der vom Erstgerichte vertretene Rechtsstand
punkt zum Durchbruche käme,
läßt folgende Erwägung erkennen: Wäre
es wirklich zulässig,
gegenüber einem Verhandlungsberichte Berich
tigungen in der Richtung
vorzunehmen, wie dies gegenständlich
erstinstanzlich für zulässig
erachtet wurde, dann würde jede Zei
tung, die der berechtigten
Interessenahme der Öffentlichkeit an den
Erscheinungen des
Rechtslebens durch Veröffentlichung von Prozeß
berichten Rechnung trägt,
Gefahr laufen müssen, zum Tummelplatze
absonderlicher
Berichtigungen zu werden. Da in jedem Zivilprozesse
Parteienbehauptungen gegen
Parteienbehauptungen stehen, würde ge
genüber dem ihm geltenden
Verhandlungsbericht jeder der beiden
(oder mehr) Parteien die
Möglichkeit eröffnet sein, die Wiedergabe
der Behauptungen der
jeweiligen Gegenpartei nicht etwa bloß
dahin zu berichtigen, daß
diese Wiedergabe unrichtig erfolgt ist,
sondern dahin, daß diese
Behauptungen unwahr seien. Ja noch mehr:
wenn in dem Berichte der
Inhalt einer Urteilsbegründung wiederge
geben war, könnte die
Partei, der die als urteilsmäßig festgestellt
berichteten Tatsachen nicht
genehm sind, eine Berichtigung dahin
entgegensetzen, daß die vom
Gerichte, allenfalls sogar schon in
rechtskräftigem Urteile,
zugrundegelegten Tatsachen nicht wahr
sind. Noch eindringlicher
treten die Konsequenzen, die sich aus einer
dem Erstgerichte folgenden
Rechtspraxis ergeben müßten, zutage,
wenn Berichte über
strafgerichtliche Fälle in Erwägung gezogen
werden. Die vom Erstgerichte vertretene Auffassung würde zu
dem
Ergebnisse führen
müssen, daß es jedem Angeklagten freigestellt wä
re, der Zeitung, die in
einem Gerichtssaalberichte z.B. den Inhalt
der staatsanwaltlichen
Anklageschrift wiedergegeben hat, eine Be
richtigung aufzuzwingen, die
nicht etwa behauptet, daß der Inhalt
der Anklageschrift unrichtig
gebracht sei, sondern – daß die Tat-
sachen, die die Anklage
anführt, unwahr wären. Oder: jeder – auch der
bereits rechtskräftig
verurteilte – Angeklagte könnte einer Zeitung,
die den Inhalt des gegen ihn
gerichteten Urteiles mitteilt, eine
Berichtigung zumuten, die
nicht etwa die Richtigkeit der Wiedergabe
betrifft, sondern die
Unwahrheit der als Urteilsinhalt angeführten
Tatsachen geltend macht. Die
Eröffnung derartiger Möglichkeiten
konnte gewiß nicht in der
Absicht des Gesetzgebers gelegen sein.
Sind aber die Folgerungen,
zu denen die vom Erstgerichte
dem § 23 P.G. gegebene Sinndeutung zwangsläufig führen muß, als
vom
Gesetzgeber nicht
gewollt abzulehnen, dann muß diese Auslegung Ab
lehnung finden, zumal wenn
das unmöglich erscheinende Ergebnis durch
eine andere Auslegung
vermieden werden kann. Der Weg zu dieser an
deren allein rechtsrichtigen
Auslegung ist freigelegt, wenn den Wor
ten „mitgeteilte Tatsache“
die rechtsentscheidende Bedeutung bei
gelegt und stets die Frage
gestellt wird: was ist in dem zu berich
tigenden Artikel als
Tatsache mitgeteilt worden.
Zu diesem rechtlichen
Gesichtspunkte kommt überdies noch
der folgende hinzu:
Der Gedanke, der dem
Berichtigungszwange zugrundeliegt, ist
bekanntlich der Grundsatz
„Audiatur et altera pars“. Nun ist diesem
Grundsatze schon nach der
Natur eines Verbandlungsberichtes in
einem solchen selbst
Rechnung getragen. Es werden ja darin nicht bloß
die einseitigen Ausführungen
der einen Partei, sondern auch die der
anderen Partei dargestellt.
Dies ist auch gegenständlich geschehen.
Der Verhandlungsbericht
führt ausdrücklich insbesondere an: „Er
(der Verteidiger des Herrn Karl
Kraus) erklärte, daß Karl Kraus die
Äußerungen, wie sie
inkriminiert, nicht gemacht habe, daß Kraus
in
dem Vertrage am 7.
Juni zwar den Ausdruck ‚Schlieferl‘ gebracht
habe, jedoch sei es,
zumal auch kein Name genannt wurde, nicht erkenn
bar gewesen, daß dieser
Ausdruck sich auf den Privatkläger
beziehen
müsse
…“
Der dem Gesetze
zugrundeliegende Gedanke, daß auch der an
dere Teil zu Worte kommen
soll, kommt gegenüber einem Verhandlungs-
bericht, soweit es sich um
die von den Parteien behaupteten Tat
sachen handelt, überhaupt
nicht in Betracht, da eben ein solcher
Bericht schon seinem Wesen
nach diesem Grundgedanken Genüge tut.
Eine Berichtigung käme da
nur in Frage, wenn die Unrichtigkeit der
Darstellung, die das
Parteienvorbringen in der Zeitung gefunden hat,
geltend gemacht würde.
Auch dem Privatankläger wäre also nur die Möglichkeit
offen gestanden, allenfalls
die Darstellung seines (bezw. seines
Verteidigers) Vorbringens
als unwahr zu berichtigen. Dann aber
wäre von ihm nicht die im 1. Berichtigungspunkt berichtigte, son
dern die letztzitierte dieses Vorbringen betreffende Stelle
(„Er
erklärte, daß Karl Kraus
die Äußerungen …“ zu berichtigen
gewesen.
Auch damit sind jedoch die
Gründe, welche die Weigerung,
die Berichtigung zu veröffentlichen, als
gerechtfertigt erscheinen
lassen, noch nicht erschöpft.
In einer Berichtigung muß
die Behauptung, die der Berich
tigende unwahr findet,
bestimmt bezeichnet sein. An dieser Bestimmt
heit läßt es die
Berichtigung in ihrem ersten Punkte fehlen.
Zum 2.
Berichtigungspunkte:
Wenn auch nicht von so
weitgehender prinzipieller Be
deutung wie die im 1.
Berichtigungspunkte zur Erörterung gestellte
Frage über den Gegenstand
des Berichtigungszwanges gegenüber
Verhandlungsberichten, so
doch gleichfalls von einiger Wichtigkeit
ist die durch den zweiten
Berichtigungspunkt aufgeworfene Frage.
Ein Verhandlungsbericht
unterrichtet den Leser in Umrissen über
den Verlauf des Prozesses.
Er bringt naturgemäß kein stenographisches,
jedes im Gerichtssaal
gesprochene Wort festhaltendes Protokoll. Ein sol
ches ist ja in der Regel
nicht einmal das gerichtsordnungsmäßig
aufgenommene Protokoll.
Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne der
Reproduzierung jeder im
Prozeßverlaufe gemachten Äußerung kann an
einen Verhandlungsbericht
nicht gestellt werden.
Diese Erwägungen lassen den
Umfang des Berichtigungs
zwanges gegenüber einem
solchen Berichte richtig abstecken. Wenn
etwa eine Tatsachenentstellung insoferne vorliegt, als ein Par
teienvorbringen
geradezu entstellt wiedergegeben wurde, wird die
beteiligte Person
berichtigend einschreiten können, nicht aber,
wenn dieses Vorbringen zwar
nicht vollständig, jedoch ohne Ent
stellung seines Sinnes
wiedergegeben wurde. (Vgl.Swoboda, Komm.z. Preßgesetz S.
64)
Von einer solchen
Entstellung kann gegenständlich
nicht gesprochen werden.
Wenn abkürzend berichtet wird, es sei der
Beweis gestellt worden
„daß
der Privatankläger als Mitarbeiter
einer sozialdemokratischen Zeitung auch für die Berliner Börsezeitung,
eine bürgerliche, mehr rechtsstehende Zeitung schreibe“,
so ist dies eine durchaus
zulässige, nicht sinnentstellende und
darum nicht
berichtigungsfähige Abbreviatur für die in der Anti
these behauptete Äußerung,
daß der Privatankläger „als Mitarbeiter
einer
sozialdemokratischen Zeitung auch Mitarbeiter der ‚BerlinerBörsenzeitung‘
ist, die auf der äußersten Rechten steht und gegen
die Sozialdemokraten
auftritt“.
Hiezu tritt in concreto noch
folgendes: Der Privatankläger berichtigt,
daß „laut vorliegendem Protokoll“ der Beweis
antrag wie in der
Antithese angeführt, gelautet habe. Das Erstgericht hält die Aufnahme der zitierten Worte für unerheblich, indem
es „auf die geringe
Zahl und den geringen Umfang dieser wenigen
Worte“ verweist.
Aber dieser Gesichtspunkt ist unzutreffend. Nach
dem geltenden Preßgesetz ist
der Umfang der Berichtigung voll
ständig bedeutungslos. Nur ihr Inhalt ist entscheidend.
Die Antithese mit der
Anführung „laut
beiliegendem
Protokoll“ läßt zweierlei Auffassung zu. Sie könnte sagen wollen,
der Protokollinhalt sei ein
anderer als der in der These behaup
tete, oder aber sich bloß
auf das Protokoll als beweisende Tatsa
che berufen wollen. In
beiden Fällen wäre die Berichtigung jedoch
verfehlt. In dem Artikel war ja überhaupt nicht
irgend ein Proto
kollinhalt behauptet. Der Privatankläger kann
also auch nicht
einen anderen
Inhalt berichtigend entgegensetzen. Ist aber etwa in der
Berichtigung auf den
Protokollinhalt als beweisende Tatsache
verwiesen worden, dann
durfte sie gleichfalls in ihr nicht Platz finden.
(Vgl. Mager in Altmann-Jacob, Kommentar z. österr. Strafrecht S. 1318)
Zum 3.
Berichtigungspunkte:
Auch in diesem Punkte
erscheint die Berichtigung
aus
mehrfachen Gründen
unzulässig. Der Artikel ist am 5.
Dezember 1930
erschienen.
Wenn an der gegenständlichen Stelle des Artikels da
von gesprochen wird, daß
sich Karl
Kraus
derzeit in Berlin be
findet, so ist
dies auf den Erscheinungstag, den 5. Dezember, und
nicht auf den 4. Dezember zu
beziehen; zumal da ja die in diesem
Zusammenhang erwähnte
Urteilszustellung am Verhandlungstage,
am 4. Dezember gewiß nicht
in Betracht kommen konnte. Es wird
also, da die Behauptung des
Artikels gar nicht auf den 4.
Dezember
abgestellt ist,
eine Tatsache berichtigt, die gar nicht behauptet
wurde.
Des ferneren stellt der Privatankläger der Behauptung, daß
sich Karl Kraus in
Berlin befinde, die Behauptung entgegen, daß
er einen Offenbach-Vortrag in Breslau
gehalten habe. Auch hier ist
es vollständig bedeutungslos, ob es sich nur um einige wenige Wor
te handelt oder nicht,
vielmehr ist der Inhalt allein als maßge
bend zu erachten.
Nun ist es vor allem klar, daß die Behauptung,
Karl Kraus
habe an einem bestimmten Tag in Breslau einen
Vortrag
gehalten, keine
Antithese der Behauptung, er habe sich an diesem
Tage in Berlin befunden, bedeuten kann. Dies ergibt die Erwägung,
daß er sich sehr wohl noch
am Morgen des betreffenden Tages in Berlin befunden und am
Abend desselben Tages in Breslau einen Vor
trag gehalten
haben kann. These und Antithese stehen also zu
einander weder in logischem
noch tatsächlichen Gegensatze.
Dazu tritt aber auch hier
folgender weitere für die
Unzulässigkeit der eingesandten Berichtigung sprechende Grund:
Eine Berichtigung soll und
darf nicht dazu dienen, eine Zeitung
zu zwingen, über den
Entgegnungszweck hinausgehende Tatsachen
zu bringen, auf deren
Veröffentlichung der Beteiligte aus anderen,
nicht durch diesen
Entgegnungszweck selbst bestimmten Gründen
Wert legt. Der Privatankläger konnte die Berichtigung nicht dazu
benützen, die Zeitung zu
einem Bericht darüber zu veranlassen,
daß er einen Vortrag in Breslau gehalten hat.
Selbst wenn aber die
Tatsache der Vortragsabhaltung als
sogenannte „beweisende
Tatsache“ angeführt wäre, hätte sie aus
dem zum 2.
Berichtigungspunkt angeführten Grunde in die Berichtigung
nicht aufgenommen werden dürfen. (Vgl. die dort zitierte Stel
le aus Mager.)
So stellt sich die
Berichtigung in allen drei Punkten als
verfehlt dar, weshalb ihre
Nichtveröffentlichung berechtigterweise
unterbleiben konnte. Hiezu
würde es hinreichen, wenn die Berichtigung
auch nur in einem ihrer Punkte oder einem Teile dieser Punkte
nicht gesetzgemäß gehalten
wäre.
II. Auch der Berufungsgrund
wegen des Ausspruches über die
Schuld im Sinne des § 464, Z.2 St.P.O. ist gegeben.Die Stichhäl
tigkeit dieses
Berufungsgrundes ergibt sich schon aus den Aus
führungen zu I, aus denen
erhellt, daß schon objektiv keine Schuld
vorliegt. Ich kann mich
darum darauf beschränken, mich auf meine
sämtlichen Ausführungen zu I
zu beziehen.
III. Nur der juristisch
formalen Vollständigkeit halber sei
schließlich noch zum
Berufungsgrund pto. Strafe ausgeführt, daß
wenn in irgend einem Falle
so doch gegenständlich, selbst wenn
überhaupt objektiv eine
Verpflichtung zur Aufnahme der Berichtigung
hätte angenommen werden dürfen, bei der Vielfalt der bei mir
bestandenen gegen ihre
Zulässigkeit sprechenden Bedenken im Sinne
des § 24 Z 4 P.G. ein entschuldbarer Irrtum meinerseits hätte
als gegeben betrachtet und
von einer Strafe hätte abgesehen werden
müssen.
Ich bin jedoch der festen
Überzeugung, daß auch mit einer
derartigen Abänderung in der
Berufungsinstanz der Sache nicht die
ihr gebührende Lösung
gegeben wäre, diese vielmehr einzig und allein
darin liegen kann, daß ich
freigesprochen werde und mir das Recht
zuerkannt wird, die auch die
Verpflichtung zur Veröffentlichung
aufhebende Entscheidung auf
Kosten des Privatanklägers in der im
§ 23 P.G. festgesetzten Weise zu veröffentlichen.