Wien, am 21. Februar 1931.


Dr.S/Fa.


G.Z. 14a Bl 173/31


An das
Landesgericht für Strafsachen I Wien.


Privatankläger und Berufungsgegner: Karl Kraus, Schrift
steller in Wien III., Hintere Zollamtsstrasse Nr.3,


durch:
Dr. Samek


Beschuldigter und Berufungswerber: Josef Koller, ver
antwortlicher Redakteur des „WienerTag“ in Wien IX., Canisiusgasse 8–10,


durch: Dr. Robert Ticho, R.A.
Wien I., Rosengasse 2.


wegen § 23, 24 Pr.G.
1 fach


Bitte um Vertagung.


In dieser Strafsache wurde die Berufungs
verhandlung auf den 26. Februar 1931, nachmittags 1/4 1 Uhr
anberaumt. An dem gleichen Tag sind in folgenden Angelegen
heiten, in denen mein Anwalt vertreten ist, bereits seit
längerer Zeit Verhandlungen ausgeschrieben und zwar:


für 1/2 1 Uhr beim Bezirksgericht Fünfhaus in einer Ange
legenheit NeuwirthMichalek wegen Kündigung,
für 1/2 12 Uhr beim Landesgericht für ZRS. in einer Ange
legenheit Dr. Wohl gegen eine Firma Kuhner & Co. wegen
S 20.000.–.


Während für die erste Verhandlung ein
Substitut gefunden werden konnte, ist dies für die zweite
Verhandlung aus dem Grunde nicht möglich, weil es sich um
eine Schadenersatzklage gegen einen Kollegen meines Anwaltes,
die für ihn von lebenswichtiger Bedeutung ist und er sich
eben gerade deswegen an meinen Anwalt gewendet hat, handelt.
In der vorliegenden Angelegenheit kann nun ein Substitut
auch schwer gefunden werden und die bisherigen Bemühungen
waren vergebens, weil es sich hier um eine grosse besonders
heikle Detailfrage des Pressrechtes handelt, mit welcher sich
nur wenige Anwälte beschäftigen. Ich bitte, aus diesen Gründen
um Vertagung der Berufungsverhandlung.


Karl Kraus.