1 U 32/31
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Im
Namen der Republik!
Vor dem Strafbezirksgericht I in Wien als Presse
gericht ist heute
in Gegenwart des Privatanklagevertre
ters Dr. Oskar Samek,
in Abwesenheit des Angeklagten
Dr. Oskar
Pollak und in Gegenwart des Verteidigers
Dr. Oswald Richter über die
Anklage verhandelt worden,
die der Privatankläger Karl Kraus gegen Dr. OskarPollak, 37 Jahre
alt, verheiratet, verantwortlicher
Schriftleiter der „Arbeiter-Zeitung“ wegen der Ueber
tretung nach § 24 (2) 3 Pr.G. erhoben hatte.
Ueber den vom Ankläger gestellten Antrag auf
Bestrafung des Beschuldigten und Verpflichtung zur
Veröffentlichung der Berichtigung
in der Zeitung
„Arbeiter-Zeitung“ hat das Gericht zu Recht erkannt:
Dr. Oskar Pollak ist schuldig,
er habe im Februar
1931 in
Wien als verantwortlicher Schriftleiter der
Zeitung „Arbeiter-Zeitung“ sich grundlos gewei
gert, die von Karl Kraus
verlangte Berichtigung von
in
der Nummer 16 der genannten Zeitung vom
16. Jänner1931
unter der Ueberschrift „Eine Klage gegen
dieBerliner Volksbühne“ mitgeteilten Tatsachen
zu ver
öffentlichen.
Er hat hiedurch die
Uebertretung nach §§ 23 und
24 (2) 3 Pr.G. begangen und wird gemäss § 24 (2) 3Pr.G. zu
einer Geldstrafe im Betrage von 100 S
Schilling einhundert,
im Nichteinbringungsfalle zu
48 Stunden Arrest und gemäss
§ 389 St.P.O. zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens
verurteilt.
Dr. Oskar Pollak wird ferner
gemäss § 24 (2), 3 (4)
und (6) Pr.G. verpflichtet, diese Berichtigung in der
nächsten oder zweitnächsten
Nummer der Zeitung „Arbeiter-Zeitung“, die nach Zustellung dieses Urteiles
erscheinen wird, in der im
§ 23 Pr.G. vorgeschriebenen
Weise zu veröffentlichen,
widrigenfalls die genannteZeitung nicht mehr
erscheinen dürfte.
Gemäss § 5 (2) Pr.G. haftet die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschösterreichs als Eigen
tümerin und der
Verlag der Arbeiter-Zeitung: Dr.Adler Emmerling als
Herausgeber der genannten Zeitung
für die Geldstrafe und die
Kosten des Strafverfahrens
zur ungeteilten Hand mit dem Verurteilten.
Entscheidungsgründe:
Durch das Impressum
beziehungsweise die Angaben des
Verteidigers ist erwiesen, dass Beschuldigter in der
in Betracht kommenden Zeit der verantwortliche
Schriftleiter der Zeitung
„Arbeiter-Zeitung“ war,
dass er das Berichtigungsschreiben vom 6. Februar 1931
erhalten hat und dass seit
Erhalt des Berichtigungs
schreibens mehr als zwei Nummern der genannten Zeitung
erschienen sind, die
verlangte Berichtigung aber nicht
veröffentlicht wurde.
Das Gericht hatte zu prüfen, ob die Weigerung des
Beschuldigten, die verlangte Berichtigung zu veröffent-
lichen, eine grundlose war.
Der Verteidiger hatte eingewendet, dass die
Berichtigung in mehrfacher Hinsicht dem Pressgesetz
nicht entsprochen habe und
zwar gehe es nicht an,
dass
die Behauptung der These „… das behauptet
worden war, das Werk … aufgenommen
worden.“
im 1.
Punkte mit den Worten der Antithese „…
dass
vom Kläger Karl Kraus
lediglich behauptet wurde, dass …“
berichtigt werde, da im Artikel keineswegs gesagt wurde,
es hätte Karl Kraus eine Behauptung
aufgestellt.
Das Gericht hat jedoch dieser Einwendung keine
Berechtigung zuerkennen
können. Der Artikel berichtet
über einen Prozess des
Privatanklägers Karl Kraus
gegen die Berliner Volksbühne wegen der Aufnahme
eines Stückes des Privatanklägers in den
Spielplan
dieser Bühne. Der Artikel führt ferner das Urteil
dieses Prozesses an und
teilt mit, dass „die Volksbühne gegen das Urteil
Berufung einlegen wird, da sie
nicht …, wie behauptet worden war, aus Rück
sichtnahme
auf die österreichische Gesandtschaft
… das Stück nicht … aufnahm, sondern …
…“. Es ist
wahrscheinlich, dass diese „Be
hauptung“ von einer Prozesspartei und zwar von der
Gegenpartei der
Berufungswerberin im Prozessverlaufe
vorgebracht wurde. Es kann
sohin dem Berichtigungswerber das Recht nicht genommen werden, in der
Berichtigung mitzuteilen, wer „behauptet“ hat und
anzuführen, was von ihm
„behauptet“ wurde.
Weiters wendete der Verteidiger ein, dass die
Worte des 1. Punktes „…
auf Intervention
der österreichischen
Gesandtschaft …“ keinen
Gegensatz, sondern eine
Bestätigung der im Artikel
gebrauch
ten
Worte „…
aus Rücksichtnahme auf die österrei
chische
Gesandtschaft …“ darstellten.
Das Gericht findet jedoch, dass der Berichtigungswerber
das Wort „Rücksichtnahme“ keineswegs mit
„Intervention“ berichtigen
wollte, diese Behaup
tungen daher auch keinen Gegensatz bilden sollen.
Der Berichtigungswerber stellt
vielmehr der Mittei
lung des Artikels, dass „behauptet
worden war, dass
u.s.w.“ entgegen, was der Privatankläger tatsäch
lich behauptet
habe. Es ist der Gegensatz auf „wie
behauptet worden
war“ und „vom Kläger Karl Kraus
lediglich behauptet
worden“, aber nicht auf „Rück
sichtnahme“ und
„Intervention“ zu legen.
Der Verteidiger hatte ferner eingewendet, dass
die Antithese
Tatsachenbehauptungen enthalte, die
nicht überprüfbar seien und
dass der Schluss des
Berichtigungsschreibens keine Berichtigung, sondern
eine Polemik darstelle.
Das Gericht konnte auch dieser Einwendung keine
Berechtigung zuerkennen. Der
Artikel führt an, dass
das Stück deshalb nicht aufgeführt werden konnte,
weil
die Beteiligung eine
zu geringe war. Der Berichtigungswerber stellt demgegenüber die Behauptung auf, dass
251 Karten verkauft waren,
dass an der Kassa gegen
100
Mark eingenommen waren, dass ein Plakat erschien,
das den aussergewöhnlichen
Erfolg ankündigte und
dass
die Absetzung des Stückes vom
Spielplan nicht
auf zu
geringe Beteiligung, sondern auf eine Inter
vention der
österreichischen Gesandtschaft zurück
zuführen sei.
Das Gericht findet, dass diese Behauptungen
der Antithese überprüfbare
Tatsachenbehauptungen sind,
die ein entsprechender Gegensatz zu der Artikel
behauptung und
keine Polemik sind.
Es war sohin nach dem
Vorgesagten die verlangte
Berichtigung in allen Punkten dem Gesetze völlig
entsprechend und die
Weigerung des Beschuldigten,
diese Berichtigung zu
veröffentlichen, eine grund
lose.
Da somit der Tatbestand der
Uebertretung nach
§ 24 (2) 3 Pr.G. gegeben war, war mit einem Schuld
spruch
vorzugehen.
Bei der Strafbemessung waren
die Vorstrafen er
schwerend, als mildernd kam kein Umstand in Betracht.
Die über den Beschuldigten verhängte Strafe er
scheint sohin
seinem Verschulden angemessen.
Die übrigen Aussprüche des
Urteiles gründen sich
auf die
bezogenen Gesetzesstellen.
Wien, am 17. Feber 1931.