Arbeiter-ZeitungWiener Allgemeine Zeitung, 27.3.1931


Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus
verlange ich die Aufnahme der Berichtigung der in Ihrer
Zeitung mitgeteilten, meinen Mandanten betreffeden unrichtigen
Tatsachen gemäss § 23 Pr.G.


Sie veröffentlichen in Ihrer Nummer vom27. März 1931 einen Artikel unter dem Titel
Ehrenbeleidigungsprozess eines Kritikers gegen Karl Kraus Extempore in einem Vortrag kostet 500 Schilling.


Es ist unwahr, dass der Vortrag von KarlKraus ein Extempore enthalten hat. Wahr ist, dass jedes Wort
des Vortrages vorbereitet war und aus dem Manuskript vorge
lesen wurde.


Sie schreiben: „… und rief in lautem
Ton ins Publikum:


‚Aber in einigen Tagen wird ein anderer Wind aus dem
Zentralorgan (Untertitel der ‚Arbeiter-Zeitung‘) wehen, denn
ein Vertreter des Zentralorgans, ein Schlieferl, hat sich in
den Saal verirrt und wird die Leser dahin aufklären, dass ich
nicht musikalisch bin und nicht singen kann.‘“


Es ist unwahr, dass Karl Kraus diese Worte gebraucht hat.
Wahr ist, dass der Wortlaut ein anderer war.


Sie schreiben: „Karl Kraus besprach aus
mit ironischen Bemerkungen den Artikel, wobei er am Beginn
jedes Absatzes erklärte: ‚Das Schlieferl schreibt …
das Schlieferl schreibt weiter …‘ Kraus sprach von
Schlieferl- und Tinterlpraktiken‘, bezeichnete den Kläger,
allerdings ohne seinen Namen zu nennen, als ‚kümmerlichen
Schönberg-Schüler‘ und meinte:


‚In einer solchen Fachkritik kann ich nur eine Petite,
ja noch mehr, eine Correpetite erblicken (das bezieht sich
auf die bekannte Tätigkeit Dr. Pisks als Correpetitor), diese
armen Teufel nennen sich Fachmänner, mit ihrem armseligen
Fachwissen!‘“


Es ist unwahr, dass Karl Kraus in dem Vor
trag gesagt hat: „Das Schlieferl schreibt …, das Schlieferl
schreibt weiter …“ Wahr ist, dass er diese Worte nicht
gebraucht hat. Es ist unwahr, dass Karl Kraus den Ausdruck
„kümmerlicher Schönberg-Schüler“ gebraucht hat. Es ist unwahr,
dass die im Fettdruck zitierte Stelle den angegebenen Wort
laut hatte; wahr ist, dass der Wortlaut ein anderer war. Es
ist unwahr, dass sich die Wendung „Correpetite“ auf die be
kannte Tätigkeit Dr. Pisks als Correpetitor bezog. Wahr ist,
dass sie die Ablehnung einer Correpetition durch das fach
männische Urteil ausgedrückt hat.


Sie schreiben: „In der Verhandlung beim
Strafbezirksgericht I erklärte Kraus, er habe nur das
Manuskript eines später in der ‚Fackel‘ erschienenen Auf-
satzes verlesen, in dem nur vom Schlieferl
tum‘ im allgemeinen die Rede war.“ Es ist
unwahr, dass Karl Kraus in der Verhandlung irgend etwas er
klärt hat. Wahr ist, dass er bei der Verhandlung nicht an
wesend war und seine Erklärungen durch seinen Verteidiger
vorbringen liess. Wahr ist, dass die durch den Verteidiger
vorgebrachte Erklärung anders gelautet hat.


Sie schreiben über den Ausgang der Be
rufungsverhandlung: „Interessant ist die Begründung des
Urteils.


Der Vorsitzende teilte nämlich mit. – – – Der Bezirksrichter habe daher mit Unrecht die Umwandlung der an sich
verwirkten Arreststrafe in eine Geldstrafe verfügt, weil
in solchen Fällen, wenn ein Wahrheitsbeweis angeboten wird,
jedoch misslingt, unbedingt eine Arrest
strafe Platz zu greifen hätte. Lediglich weil Dr. Pisk
keine Berufung wegen zu geringer Strafe eingebracht hatte,
sei das Gericht genötigt gewesen, von einer Neufestsetzung
der Strafe Abstand zu nehmen.“


Es ist unwahr, dass der Vorsitzende
in der Urteilsbegründung gesagt hat, dass eine Arreststrafe
unbedingt Platz zu greifen hätte; es ist unwahr, dass er
gesagt hat, dass lediglich, weil Dr. Pisk keine Berufung
wegen zu geringer Strafe eingebracht hatte, das Gericht
genötigt gewesen sei, von einer Neufestsetzung der Strafe
Abstand zu nehmen.


Wahr ist vielmehr, dass der Vorsitzende
zu der Berufung des Verteidigers gegen das Ausmass der Geld-
strafe zwar das Wort „Arreststrafe“ gebraucht hat, aber im
Gegenteil gesagt hat, dass bei der im Gesetz vorgesehenen
Umwandlung der Arreststrafe die Höhe der verhängten Geldstrafe
im vorliegenden Falle angemessen sei.


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