Welttheaterkongress in ParisBerliner Tageblatt, 11.7.1931Geschenke des LebensDie Fackel


Sehr geehrter Herr Kollege!


Ich danke Ihnen, auch im Namen des Herrn Kraus und mit
dessen herzlicher Erwiderung Ihrer Grüsse, für Ihre Zuschrift vom1. August, aus der für uns erfreulicherweise hervorgeht, dass Sie
doch nicht abgeneigt sind, zu Gunsten der gemeinsamen Vertretung
der Sache Wolff das persönliche Moment zunächst zurückzustellen
und eine völlige Klärung zu ermöglichen. Es ist daher wohl am
besten, dass diese Affaire bis zum Eintreffen des Herrn Kraus in
Berlin ruht.


Ich habe in diesem Sinne auch Herrn Dr. Laserstein ge
schrieben und ihm gleichzeitig mitgeteilt, dass ich Ihnen in seiner
Abwesenheit zwei Rechtssachen übertragen habe.


Zur Durchführung der ersten Rechtssache übersende ich
Ihnen das Schreiben an das Berliner Tageblatt vom 15. Juli 1931 und
die diesem beigelegte Berichtigung, aus denen Sie den ganzen Sach
verhalt entnehmen können. Den Artikel „Welttheaterkongress in Paris“,
der in der Abendausgabe des Berliner Tageblattes vom 11. Juli 1931
erschienen ist, besitze ich nicht; wenn Sie ihn benötigen, bitte ich
Sie ihn zu beschaffen. Die Berichtigung, die nach österreichischem
Gesetz unbedingt gebracht hätte werden müssen und die nach meinem
Dafürhalten auch vollständig dem deutschen Gesetz entspricht, wurde
vom Berliner Tageblatt nicht veröffentlicht.


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Ich ersuche Sie, die notwendigen Schritte ein
zuleiten, damit die Zeitung gezwungen wird, diese Berichtigung zu
veröffentlichen, woferne Sie die Sache nicht für aussichtslos halten.
Dass Herr Fred Hildenbrandt die Berichtigung erhalten hat, geht aus
dem beiliegenden Rückschein hervor.


Bei der zweiten Sache handelt es sich um eine
Klage gegen Herrn Emil Ludwig, eventuell auch gegen den ErnstRowohlt-Verlag in Berlin. Ich übersende ihnen eine Abschrift der
Herrn Kraus betreffenden Stellen aus dem Buch Emil Ludwig’s
Geschenke des Lebens“. Das Buch ist in den ersten Jännertagen 1931
erschienen, die bekanntgegebenen Stellen sind Herrn Kraus vor ca.
vier bis sechs Wochen zur Kenntnis gekommen.


Nach meinem Dafürhalten ist die auf Seite 291,
292 abgedruckte Stelle als ganze eine Beleidigung gegen Herrn Kraus,
insbesondere aber die Behauptung, dass Herr Kraus „wenn er Geld für
arme Menschen und Tiere hergibt, es auf jedes Plakat und jede Nummer
seiner Zeitschrift schreibt“. Als genauem Kenner der „Fackel“ dürfte
Ihnen ja eine weitere Aufklärung des Falles nicht zu geben sein, doch
will ich Sie nur darauf aufmerksam machen, dass es selbstverständ
lich unwahr ist, dass je auf einem Plakat Spenden ausgewiesen wurden
und die Ausweise, die in jeder Nummer der Fackel erscheinen, ent
springen nicht dem reklamehaften Bedürfnis, die Tatsache der Spende
als solche mitzuteilen, sondern – und umsomehr, als in seinem Sinne
auch von anderer Seite Spenden gemacht werden, die ausgewiesen werden
müssen, – einer selbstverständlichen Verpflichtung. Es sind statisti
sche Ausweise, die mit grösster Genauigkeit durchgeführt, sicherlich
den ethischen Sinn haben, für andere Menschen richtunggebend zu
wirken, Dokumente eines Wirkens, das sich natürlich nicht nur in
geistigen, sondern auch in materiellen Dingen bekunden soll. Es wäre
bei dieser Gelegenheit höchst wichtig, gerade Herrn Emil Ludwig zu
fragen, welchen Teil von seinen ungleich grösseren Einkünften er
bisher heimlich und ohne publizistische Verlautbarung wohltätigen
Zwecken zugeführt hat. Sicher reicht er nicht an die zirka S 84.000.
heran, die seit dem Zeitpunkt der stablisierten Währung von der
Fackel ausgewiesen wurden und seit Beginn der Vorlesetätigkeit wohl
das Doppelte ausmachen. Der regelmässige Ausweis, der doch lediglich
ein Beweisdokument dafür sein soll, dass dem angekündigten wohl
tätigen Zweck einer Vorlesung auch wirklich entsprochen wurde, als
Ausfluss der Reklamesucht hinzustellen, ist ganz gewiss eine schwere
Beleidigung.


Zu erwägen wäre, ob die allgemeinen Verdächtigungen,
wie „als Charakter verliert er die Partie“, in Anbetracht der Ufer
losigkeit einer Beweisführung gleichfalls inkriminiert werden
sollen, falls Sie der Ansicht sind, dass jener oben besprochene kon
krete Vorwurf eine aussichtsreiche Klage zulässt.


Ich bin mir bewusst, dass diese Ehrenbeleidigungs
klage vielleicht bei den Richtern kein volles Verständnis finden
könnte, und würde, da eine Abweisung dieser Klage von Gegnern in einer
Weise ausgebeutet werden könnte, dass eine Erwiderung notwendig würde,
die viele kostbare Zeit in Anspruch nähme, die Einbringung der Klage
nur dann wünschen, wenn nach Ihrem Dafürhalten sichere Aussicht auf
Erfolg besteht. Sollte dieser dann eintreten, so wäre, wenn dies nach
deutschen Gesetzen (wie nach den österreichischen) möglich ist, mit
der Verfallserklärung der Bücher vorzugehen.


Ich bitte Sie, mir Ihre Rechtsansicht über diese Ange
legenheiten mitzuteilen und zeichne mit


vorzüglicher kollegialer
Hochachtung


rekommandiert


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