La PéricholeMadame l’archiduc


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Sehr geehrte Herren!


Auf Ihr Schreiben vom 24. März haben wir Ihnen nunmehr die
folgende Antwort zu erteilen, die die letzte sein wird, da wir alles
Weitere unserem Rechtsvertreter überlassen. Diese Mitteilung dient nebst
dem konkreten Verlangen, das wir späterhin aussprechen, lediglich dem
Zweck, Ihnen die Hoffnung, sämtliche Punkte unseres Schreibens „in voll
kommen einwandfreier und eindeutiger Weise erledigt zu haben“, als Illu
sion erscheinen zu lassen, die tatsächlich in eben dieser Weise erledigt
wird. Was die Eindeutigkeit anlangt, so wäre diese freilich insofern ge
geben, als ein Schulbeispiel des Versuchs vorliegt, die Methode der
Dummacherei durch plausible Darlegung des Absurden und durch einen Ton
fall der Korrektheit, für den ein inkorrekter Sachverhalt kein nennens
wertes Hindernis bildet, am denkbar untauglichsten Partner zu betätigen.
Falls Sie beim Schreiben oder wenigstens beim Durchlesen Ihres Briefes
wirklich nicht darauf gekommen sein sollten, welche einander widerstre
benden Gedankengänge Sie da für den Effekt Ihres unschuldigen Gewissens
bemüht haben, so müssen wir Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie nun
mehr (statt einer Entschuldigung für die Nichtaufnahme jener Klausel
und für die Verheimlichung dieser Nichtaufnahme) Ihre Rechtsansicht,
die Bestimmung des Kartellvertrages sei ein ausreichender Schutz, zu der
Überzeugung erweitern, selbst deren Verstärkung durch die Klausel sei
kein ausreichender Schutz, um unvermittelt in den Gedanken überzugehen,
daß die Bestimmung als solche ein ausreichender Schutz sei, wie der Fall
der Krolloper beweise, wo die bloße Drohung mit dem Kartellvertrag ge
nügt habe. Wirklich versichern Sie, daß Sie „nach wie vor der Ansicht
sind“ – man möchte glauben, der Ansicht, daß die Bestimmung ausreiche –
nein, der Ansicht, daß selbst die Klausel nicht ausreiche, welche An
sicht Sie bisher nicht geäußert haben, indem Sie doch immer nur der An
sicht waren, sie sei überflüssig, einer Ansicht, die Sie offenbar zu der still
schweigenden Ignorierung der Klausel und Verletzung unseres Übereinkom
mens bestimmt hat. Sie meinen nun, die Ungeheuerlichkeiten in Prag und
Essen hätten sich sowieso zugetragen, weil sich eben „im Theaterbetrieb“
weder durch Verträge noch durch Klauseln derartiges aus der Welt schaf-
fen lasse. Anstatt nun aus dieser Erkenntnis die einzig logische und
sittliche Konsequenz zu ziehen: von dem Vorschlag auf Lösung unseres
Vertrages Gebrauch zu machen, indem es doch eine unerträgliche Belastung
eines reinen Gewissens wäre, die unausweichliche künstlerische Kompro
mittierung eines Werkes, für das man sich erwärmt, auf den Verdacht hin
gewähren zu lassen, daß kein anderer Grund als der der Gewinnsucht für
solche Beharrlichkeit angenommen würde; anstatt sich rasch zu entschlie
ßen, Herrn Karl Kraus aus dem unabänderlichen Unflat eines „Theaterbe
triebs“ zu befreien, setzen Sie dieselbe Gedankenlinie, die der vollen
Aussichtslosigkeit entgegenführt, zu der Reminiszenz fort: „Wir dürfen
daran erinnern“, nämlich daß es im Fall der Krolloper gelungen sei, das
Attentat durch die bloße Berufung auf das Gesetz, das also vollständig
ausreicht, abzuwehren. Wir hätten erwartet, daß Sie logisch fortsetzend
uns vielleicht erinnern wollten, daß Sie uns immer schon gewarnt hät
ten, weil eben weder Gesetz noch Klausel etwas nütze, und uns immer zu
geredet hätten, die Verbindung mit einem Vertrieb aufzugeben, der solche
Preisgabe eben ermöglicht. Wir möchten Sie fragen, ob Sie im Ernst
glauben, auf solchen Gedankenbahnen, die doch ein wenig rutschig sind,
vor den Augen des Herrn Karl Kraus bestehen zu können; ob solches Argu
mentieren die Schreibmaschinarbeit lohnt und ob es gar die Anerkennung
verdient, als bloß eindeutig bezeichnet zu werden. Wir möchten Sie aber
auch fragen, ob Sie sich, wenn Ihnen der Fall der Krolloper vorbildlich
scheint, erinnern, mit wessen Arbeit, Mühsal, Nervenkraft, Zeit und
Geld das Attentat abgewehrt wurde – gegenüber einer ausdrücklichen
Berufung der Direktion, es gerade auf Grund jener allgemeinen Bestim
mung begehen zu dürfen –; und ob Sie sich wirklich die Entwicklung der
Dinge so vorstellen, daß Herr Karl Kraus zur Abwehr eines Attentats je
desmal an den Tatort reisen und seine Kraft an die Abstellung von Lum
pereien vergeuden wird, die er sich doch einfacher so vom Hals halten
könnte, daß entweder gar keine Theaterverträge oder niet- und nagel
feste gemacht werden und nicht solche, die ein Vertrieb eben noch er
langen kann, um ein Werk anzubringen. Wir sagen Ihnen klipp und klar,
daß Sie die Schuld auf sich nehmen, einen Autor – der nicht dazu ge
eignet und gewillt ist – in diesen Circulus vitiosus von Interessen
einzubeziehen, den fortzuführen Sie keineswegs die Liebe zu einer
Menschheit bestimmt, der Sie lieber einen besudelten Offenbach gewähren
wollen als gar keinen; und daß jenem nichts übrig bliebe, als von Fall
zu Fall seinen Widerwillen gegen eine Verbindung zu fatieren, durch die
er gezwungen ist, seinen Namen zu der Verletzung eines Kunstwertes her
zugeben, den er retten wollte. Sie sind nicht gesonnen, diese Verbin
dung zu lösen. So bleibt uns zivilrechtlich nichts übrig als darauf zu
achten, wie Sie innerhalb ihrer Ihren Verpflichtungen nachkommen. Um
„jedes weitere Mißverständnis auszuschließen“, haben Sie sich bereit er
klärt, in künftige Verträge mit Bühnen die Klausel aufzunehmen, von der
Sie sich so wenig versprechen, und gegen die zwei Bühnen, die der allge
meinen Bestimmung entgegen gehandelt haben, vorzugehen. Auf unserer Sei
te hat es zwar nicht das geringste Mißverständnis gegeben, da es uns
doch in vollkommen eindeutiger Weise festzustellen gelang, daß Sie eine
Vereinbarung bisher nicht eingehalten haben, und da uns doch nunmehr
auch die Feststellung gelingt, daß Sie ohne ein Wort des Bedauerns über
dieses Faktum und dessen bisherige Verheimlichung zur Tagesordnung wei
terer gedeihlicher Zusammenarbeit schreiten wollen, ohne eines jener
Worte des Bedauerns, die, wie Sie privat geäußert haben sollen, sich vollzäh
lig in Ihrem Schreiben an uns vorfinden. Da wir aber gern darauf ver
zichten, eindeutige Klarstellungen dem Zwischenraum zwischen den Zeilen,
wo sie sich finden dürften, zu entnehmen, und uns dagegen sachliche Er
wägungen im künstlerischen Gebiet vielleicht so nahe liegen, wie einem
Bühnenvertrieb im kaufmännischen, so stellen wir Ihnen hiemit eine Frist
von 8 Tagen, innerhalb deren Sie uns beweiskräftig vor Augen führen sol
len, daß Sie gegen die Mißhandlung des Werkes „Madame l’Archiduc“ durch
die Theater in Prag und Essen auf Grund der Klausel, möge sie nach
Ihrer Rechtsansicht nun ein taugliches oder untaugliches Mittel sein, im Sinne unseres
Vertrages eingeschritten sind. (Über die etwaige Frage, ob Sie dann wei
tere Schritte zu unternehmen hätten, bitten wir Sie, sich nicht mit un
serem, sondern mit Ihrem Rechtsvertreter zu verständigen.) Die gleiche
Frist stellen wir Ihnen für die Wiedergutmachung der Schäden, die Sie in
Ihrem eigensten Wirkungskreise, nämlich durch die Art des Verfahrens mit
dem Material des Notentextes bewirkt haben.


Erscheint uns die Frage, ob Sie wie in vollkommen eindeutiger,
so auch in vollkommen einwandfreier Weise vorgegangen sind, schon durch
die Eskamotierung der Klausel beantwortet, so möchten wir das Problem
der Einwandfreiheit ganz besonders auf die Art beziehen, wie Sie mit dem
Autorrecht des Textautors in Ihrem eigensten Wirkungskreise umgegangen
sind und wie es Ihnen gelungen ist, wenigstens für die Madame l’Archiduc, eine geradezu grundlegende Verstümmelung für den Bühnengebrauch
herzustellen, die den Textautor noch weit empfindlicher berührt als die
Verwüstungen, die sich in der Bühnenpraxis Untalent und Beziehungslosig-
keit erlauben. Ganz so plausibel wie Ihnen erscheint uns Ihre Darlegung,
was Sie da alles unternommen haben, keineswegs, da wir wissen, daß Sie
gar nichts unternommen und alles unterlassen haben, was zu unternehmen
Ihnen durch vertragliche Pflicht wie durch ein künstlerisches Gewissen
geboten war, wofern dieses nur einigermaßen dem künstlerischen Interesse
nachkam, mit dem Herr Dr. Heinsheimer beispielsweise der Mitteilung des
Herrn Kraus lauschte, wie es ihm in Prag gelungen war, aus der völligen
Wirkungslosigkeit des Crescendo einer Szene die Textverstümmelung fest
zustellen. Sie beginnen mit den Worten: „Was den zweiten Punkt Ihres
Schreibens, die Fehler im Musikmaterial der Madame l’Archiduc, anlangt,
so haben wir sofort …“ Sofort haben Sie gar nichts getan, sondern
eben erst nach unserem letzten Schreiben sich telephonisch mit RadioWien in Verbindung gesetzt und diesem die Arbeit der Verbesserung, die
von Ihnen längst und schon für Essen vorzunehmen war, überlassen. Sofort
hätten Sie sich selbst an die kaum mehr als einstündige Arbeit machen
sollen, als Herr Kraus von Prag zurückkam und Herrn Dr. H. erzählte,
welche entsetzlichen Verwüstungen im Notentext er ermitteln konnte. Statt
dessen haben Sie, wie Sie mit dem Tonfall vollkommener Arbeitsbereit
schaft erzählen, den Prager Kapellmeister um eine „Liste“ der Fehler er
sucht, die er – nicht Sie – nach Essen senden sollte. Wozu Sie uns er
zählen, daß Ihnen der Kapellmeister (mit Recht) geantwortet hat, eine
solche Liste existiere nicht, ist beim besten Willen nicht zu verstehen.
Die Liste, von der Sie selbst wußten, daß sie nicht existiere, erst an
zulegen, haben Sie dem Kapellmeister gewiß nicht ausdrücklich zugemutet,
aber Sie haben wohl gehofft, daß er es tun werde, anstatt daß Sie selbst
im Wege des Vergleichs von Buch und Notentext die Liste angelegt hätten,
um sie selbst nach Essen zu senden. Der Prager Kapellmeister war so er
finderisch und entgegenkommend, den Leuten in Essen mitzuteilen, sie mö
gen sich in den Abweichungsfällen an das maßgebende Textbuch halten.
Nicht einmal diese für den Gebenden sehr simple, für den Nehmenden
schwierigere Anweisung haen Sie direkt dem Essener Theater gegeben,
das – ein paar Tage vor der Aufführung – auf den Rat des Prager Kapell
meisters gepfiffen haben dürfte. Damit glaubten Sie alles Nötige vorge
kehrt zu haben. Sie waren dem Prager Kapellmeister für eine Korrespon
denzkarte, die er nicht zu schreiben verpflichtet war, dankbar. Mit
Radio Wien, für das Sie wieder nichts vorgekehrt hatten, haben Sie telephonisch
gesprochen und ein paar Tage vor der Sendung eine Arbeit durchführen
lassen, die ohne die persönliche Bemühung des Herrn Kraus schwer durch
zuführen war. Nicht einmal die vom Textautor (mit seinen Strichen)
festgelegte Einrichtung des Dialogtextes hatten Sie dem Wiener Rundfunk
gegeben, so wenig wie vorher den Theatern in Essen und (für „Perichole“)
in Köln. Der Essener Direktor war sehr erstaunt, als er von Herrn Kraus
in Berlin die Striche mitgeteilt bekam, von denen er bis dahin nichts
gewußt hatte. Mit Köln mußten wir im Zusammenhang mit den Strichen des
Autors, die bei der dortigen Erstaufführung der „Perichole“ noch gar
nicht angebracht waren, eine umständliche Korrespondenz führen (das
ganze Problem der Kürzungen wäre dort nicht aufgetaucht, wenn das Theater den eingerichteten Text gehabt hätte); und schließlich mußte ja
auch für die Städtische Oper in Berlin, die Gott sei Dank die Madamel’Archiduc nicht aufführt, das Textbuch von Herrn Kraus in Berlin erst
eingerichtet werden. (Auch für Düsseldorf hat er seines Erinnerns dem
ihn besuchenden Intendanten die Striche in „Madame l’Archiduc“ diktiert.)
Von der Arbeit des Herrn Kraus für Radio Wien – von deren Schwierigkeit
Sie sich natürlich gar keine Vorstellung machen, da, ganz wie in Prag,
die Mitwirkenden sich mit Recht darüber beklagen, daß sie nunmehr einen
andern Text vorgesetzt bekommen als den, den sie schon gelernt haben –,
von dieser Arbeit erhoffen Sie sich, wie immer, ein für künftige Fälle
dienliches Resultat – es handelt sich ja um „eine von Herrn Karl Kraus
geleitete Aufführung“ –, ganz wie Sie nebst auf Gott auf den persönlich
intervenierenden Autor die Hoffnung setzen, daß Verträge schließlich
vielleicht doch gehalten werden. Sind diese vorerst verletzt worden, so
sind Sie maßlos erstaunt und konfrontieren, nicht ohne Tadel, sei es ge
gen das Schicksal sei es gegen Herrn Kraus, die Tatsache seiner persön
lichen Anwesenheit (in Prag) oder seiner Konferenz (mit dem Herrn aus
Essen, die doch „sehr zur Zufriedenheit des Herrn Kraus ausfiel“) mit
dem Mißeffekt. Sie haben ja alles vorgekehrt und an Ihnen kann es also
nicht liegen. Bei der Radiosendung kann doch mit dem Text nichts mehr
passieren, da ohnedies Herr Kraus dabei ist, und nach Essen haben Sie
„überdies“ – nebst der Korrespondenzkarte des Prager Kapellmeisters –
die Zusendung eines in Wien auskorrigierten Auszuges „ avisiert“ (drei
Wochen nach der Erstaufführung), damit „eventuell doch noch vorhandene
Abweichungen korrigiert werden können“. Ihr Auszug dürfte dort nach Ab
setzung der Madame l’Archiduc eintreffen, für deren doch noch vorhande
ne Abweichungen wir Ihnen garantieren können. Was wir nach so vollkommen
einwandfreier und eindeutiger Erledigung Ihrer Pflichten wie unserer
Zweifel nicht in Abrede stellen möchten, ist, daß Sie alles getan, alles
vorgekehrt und nichts unterlassen haben, um Verträge mit Bühnen zu
schließen, was ja gewiß die wichtigste Aufgabe eines Vertriebes bildet.
Leider waren es aber durchwegs solche Verträge, deren Erfüllung – und auf
Grund des von Ihnen hergestellten Materials – Herrn Karl Kraus nicht
nur künstlerischen Schaden als solchen, sondern dieses ganze Chaos
einer Arbeit zugezogen hat, die zu dessen Wiedergutmachung notwendig
war.


Ihre Erklärung, daß Herr Dr. Heinsheimer am 5. März jenen
offiziellen Aufsatz, der die Schändung der Madame l’Archiduc in Essen als eine
dramaturgische Tat verkündet, noch nicht gekannt hat, nehmen wir gern
zur Kenntnis. Ganz ebenso wie das Schweigen über das Faktum, daß ihm
durch anderthalb Jahre die Nichterfüllung unseres Vertrages im Punkte
der Klausel bekannt war.


Wenn wir im Voranstehenden Ihnen wohl zu erkennen gegeben ha
ben, daß wir weder von der Einwandfreiheit der Erledigung sämtlicher
Punkte noch von der Ihres Verhaltens in eben diesen durchdrungen sind,
so möchten wir das Problem zum Schluß noch auf den inzwischen einge
tretenen Punkt der Herausgabe der Gesangstexte beziehen. Selbst wenn
es berechtigt wäre, zu behaupten – was wir bestreiten –: daß es zwi
schen Ihnen und Herrn Kraus zu einer wenngleich nur mündlichen, so doch
bindenden Abmachung wegen Herausgabe des Gesangstextes der Madamel’Archiduc gekommen sei, so wäre doch der exorbitante Fall eingetreten,
daß Sie – wofern Sie nicht auch behaupten wollten, Herr Kraus habe
Ihnen gesagt, daß Sie das Buch wann und wie Sie wollen herausgeben kön
nen, ohne ihm einen Abzug vorzuweisen, und daß Sie ihn mit dem Erschei
nen überraschen mögen –, so wäre also der Fall eingetreten, daß Leser
des Buches um zwei Tage früher als der Autor von der Existenz des Bu
ches gewußt haben. Sie haben zwar in verschiedenartigen Angaben den
Versuch gemacht, diese Zeitdistanz zwischen dem Bewußtwerden des Le
sers und des Autors zuerst auf eine ungefähre Gleichzeitigkeit (mit
Nachsicht des Postweges), dann auf einen Tag herabzusetzen, aber die
Tatsache bleibt bestehen, daß eine Buchhandlung am 23. Mittags 100
Exemplare gehabt und der Autor am 25. abends eines zu Gesicht bekommen hat.
Diese Zeitdistanz hätte sich erweitert, wenn er auf Reisen gewesen wä
re, in welchem Fall er auch die Möglichkeit eingebüßt hätte, eine
nachträgliche Korrektur der Druckfehler vorzunehmen. Als die Ausliefe
rung zunächst wegen eines dieser Fehler aufgehalten war und der Autor
nach Entdeckung weiterer – nachdem er das Buch erst in die Hand bekom
men hatte – eine Liste der Fehler vorbereiten wollte, wurde von Ihnen
erklärt, die Auslieferung sei „nicht mehr aufzuhalten“. Sie war aus dem
Grunde nicht mehr aufzuhalten, weil Ihnen, sei es für Ihre Autorität
gegenüber dem Autor, sei es für die geschäftliche Gelegenheit der Radio
aufführung die Rücksicht auf seine literarischen Interessen unerheblich
schien und nicht einmal den Verlust von ein paar am Karsamstag zu ver
kaufenden Exemplaren aufwog. Eben die Buchhandlung, die hauptsächlich
die Anhänger seines Werkes versorgt, sollte den fehlerhaften und unauto
risierten Druck so schnell als möglich absetzen – an Leser, deren sitt
liches Unterscheidungsvermögen hinreichend geschult ist, um, wenn sie in
formiert wären, solchen Handel zu verschmähen. Daß die photographische
Reproduktion eine Sicherung gegen Druckfehler bedeutet, die Sie offen
bar zu dem vertrauensvollen Entschluß einer Herausgabe hinter dem Rük
ken des Autors bestimmt hat, ist uns bekannt. Sie bedeutet aber auch
eine Sicherung der schon vorhandenen Druckfehler wie auch einer vielfach
falschen Druckanordnung, die der Autor nicht rechtzeitig zu Gesicht be
kommen hatte. Er hatte natürlich den Wunsch, die alten Fehler für einen
neuen Druck zu korrigieren. Er hatte auch den Wunsch, einige der Musik
entsprechende Erweiterungen durchzuführen. Er hatte vielleicht den
Wunsch, auch sonstige Änderungen vorzunehmen. Er hätte weder geduldet,
daß Dialogzeilen als Verse übernommen werden, noch daß Szenenbezeich
nungen, Zwischenräume, Pendants zu übernommenen szenischen Bemerkungen
fehlen. Diese und andere Flüchtigkeiten der Druckanordnung hätte er gewiß nicht übersehen. Keines
wegs hatte er den Wunsch, die Widmung einer Rolle für die Schauspielerin,
die ihm im Entstehungsjahr der Übersetzung für die Rolle prädestiniert
schien, sie aber eben nicht gespielt hat, ihr förmlich aufzudrängen und
also noch in einer bloßen Ausgabe der Gesangstexte zu wiederholen, die
doch gar keine Beziehung mit der Figur erkennen lassen. Und ganz sicher
hätte er niemals gestattet, daß eine Vorbemerkung, die im Buch „Madamel’Archiduc“ überhaupt nicht vorkommt, zu deren Gesangstext gedruckt wer
de, und in einem Zeitpunkt, in dem er der dort angekündigten Freigabe
der Werke an Bühnen mit aller Heftigkeit widerstrebt. Er wehrt sich ge
gen Ihren Versuch, in seinem eigensten schriftstellerischen Gebiet über
seine Rechte zu verfügen und ihn zu einem Zeitpunkt und auf eine Art,
die dem Verleger belieben, zum Autor zu machen. Er wird sich aber auch –
entgegen dem Sinn eines Vorworts, dessen Meinung oder Hoffnung heute
nicht mehr zutrifft – gegen den rechtlich noch zu kontrollierenden Ver
such wehren, sein künstlerisches Gut vogelfrei zu machen. Er wird sich
durch kein gesetzliches Recht, dessen Ausnützung in diesem Falle geisti
ge Gewalttat bedeutet, abhalten lassen, seinen Widerwillen dagegen von
Fall zu Fall mit einer Deutlichkeit auszusprechen, die aller Welt klar
macht, daß sich diese Offenbach-Renaissance zwar unter seinem Namen,
aber nicht in seinem Geiste vollzieht – auf die Gefahr hin, daß diese
Klarstellung immer wieder unsägliche Arbeit und Verlust an sonstiger
Arbeit bewirke, und solange die Vertragstreue eines Partners währt, der
den Vertrieb künstlerischen Gutes als dessen Preisgabe erkannt hat und
betätigt.


Mit vorzüglicher Hochachtung
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