Der Scheinwerfer. Programmschrift des Essener Stadttheaters, März 1932Madame l’archiducDer Scheinwerfer


Sehr geehrter Herr Kollege!


Herr Karl Kraus, dessen Wiener Vertreter
ich bin, lässt sie durch mich ersuchen, in der folgenden An
gelegenheit ihn zu vertreten. Die Essener städtische Bühnen,
dessen Generalmusikdirektor Herr Rudolf Schulz-Dornburg ist,
hat die Operette OffesbachsMadame l’Archiduc‘ in der Ueber
setzung und Bearbeitung des Herrn Karl Kraus aufgeführt. Wie
Herr Kraus aus der Nr. 12 der Zeitschrift „Der Scheinwerfer“
vom März 1932 (Beilage 1) entnehmen konnte, hat sich die
Essener städtische Bühne eigenmächtige Veränderungen erlaubt.
Die Art der Veränderungen können Sie aus den angestrichenen
Stellen der Seiten 5, 6 und 7 entnehmen. Als Herr Kraus am
10. März 1932 durch diese Zeitschrift zur Kenntnis des Ein
griffes kam, habe ich in seinem Namen telegraphisch dagegen
Protest erhoben und volle Wiederherstellung begehrt. (Beilage 2).
Mit Telegramm vom 14. März 1932 an die Universal-Edition inWien, der der Vertrieb der Werke anvertraut war, gab Herr
Schulz-Dornburg die Aenderungen schon zu, wenn auch mit gewis
sen Einschränkungen. Den weiteren Sachverhalt entnehmen Sie der
Korrespondenz und zwar aus dem Schreiben der Essener städtischen
Bühnen vom 15. März 1932 an Herrn Karl Kraus (Beilage 3), deren
Schreiben vom 31. März 1932 (Beilage 4) an die Universal-Editionin Wien und dem Schreiben des Verlages ‚Die Fackel‘ vom 6. April
1932 (Beilage 5).


Anstatt nun gemäss dem Urheberrechtsgesetz
den Schaden gutzumachen, wurde das Stück einfach ohne Begründung
abgesetzt. (Beilage 6).


Herr Kraus lässt Sie nun bitten, gemäss den
§§ 9 und 38 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken
der Literatur und Tonkunst strafrechtlich gegen die verantwortli
che Persönlichkeit, in diesem Falle wohl Herr Rudolf Schulz-Dornburg selbst vorzugehen.


Dass Herr Kraus sich erst so spät an Sie ge
wendet hat, hat seine Ursache darin, dass er längere Zeit ver
reist war und überdies geglaubt hat, es werde der Eingriff nach
den brieflichen Vorhalten gutgemacht werden. Da, wie ich glaube,
die Frist zur Erstattung der Anzeige oder Erhebung der Privatan
klage nach drei Monaten abläuft, möchte ich Sie bitten, ehestens
das Notwendige vorzukehren.


Die Korrespondenz selbst vorzulegen, halte ich
wegen des Briefes vom 6. April 1932, den der Verlag ‚Die Fackel‘
an die Essener städtischen Bühnen gerichtet hat, nicht für vorteil
haft, weil dort die Art der Vereinbarung der Essener städtischenBühnen mit einem deutschen Schlachtbericht verglichen wird, was
vielleicht bei den Richtern Stimmung zu Gunsten der Essenerstädtischen Bühnen erzeuge könnte.


Ich zeichne mit vorzüglicher kollegialer
Hochachtung


7 Beilagen.
Rekommandiert Erpress
mit Rückschein.


3