In den Schachteln, in denen Sie
Ihre Zigarettenhülsen
vertreiben,
sind „Lesezeichen“ mit Porträts
bekannter Autoren ein
gelegt, durch die unter dem Vorwande einer Gabe für Bücherleser
Reklame für Ihr Erzeugnis gemacht
wird. Unter diesen Lesezeichen
befindet sich als Nr. 311 eines, das die Abbildung meines Klien
ten Karl Kraus aufweist. Die Aufschrift dieses Lesezeichens
ist so gehalten, dass die
Empfehlung Ihrer Ware als Ausspruch
des Porträtierten wirken muss und
vielleicht soll:
KARL KRAUS
Olleschau
Das Beste von Allen!
Es fehlt nichts als der
Doppelpunkt nach dem Autorennamen, um
diesen Anschein zu einer Tatsache
zu machen, und es könnte der
Fall
sein, dass die Weglassung des Doppelpunktes der juristischen
Absicht entspringt, einer
Widerrufsklage zu entgehen. Auf der
Rückseite ist, um den Dienst für
den Bücherleser zu vervollstän
digen eine sowohl unvollständige
wie fehlerhafte biographische
Notiz angebracht. Immerhin genügen die angeführten Werke des
Autors, um eingeweihten Lesern
die Erinnerung beizubringen, dass
gerade dieser Porträtierte mit Abscheu die parasitäre Verwendung
kultureller Werte für die
Interessen des Kommerzes literarisch
behandelt und die „Kultur im Dienste des
Kaufmanns“ an zahlrei
chen Beispielen zur moralischen
Abschreckung dargestellt hat.
Da
sich viele der heute wirkenden künstlerischen und literari
schen Persönlichkeiten, die
sogenannten „Prominenten“ – offenbar
für Geld oder Ware – dazu
hergeben, dieses Unwesen zu tolerieren,
ja zu fördern, so wird der
Anschein erweckt, als ob auch Herr
Karl Kraus
sich der von ihm angeprangerten Serie angeschlossen
hätte, was nachweislich etliche
Gebraucher des Lesezeichens in
nicht geringem Masse verblüfft hat. Gegen die schwere Belästigung,
die meinem Klienten durch das Faktum und dessen Deutung entstan-
den ist, gibt es leider
vorläufig keine gesetzliche Abhilfe.
Zweifellos aber ist durch die
Verwendung seines Photographie
porträts ein Eingriff in seine
Rechte und zwar in doppelter
Hinsicht begangen worden: in die Urheberrechte des Bestellers
wie des Porträtierten. Wohl ist hier ein Zwischenfaktor zwischen
Porträt und Abdruck eingeschaltet
worden, aber eben diese Handlung,
zur Verschleierung des Tatbestandes ersonnen, ist geeignet, ihn
darzutun. Das Gesetz hat auch für
diesen ohne Zweifel seltenen
Fall
ausdrücklich vorgebaut, was vielleicht nicht allen Benützern
von Photographieporträts, die
litographisch auszuweichen suchen,
bekannt ist.
Ich fordere Sie demnach auf,
das Lesezeichen Nr. 311
aus
dem Verkehr zu ziehen, den ganzen Vorrat mir auszufolgen und
eine Erklärung in der „Neuen Freien Presse“ (eventuell im „Wiener Tag“)
des folgenden Wortlautes
einzuschalten:
„Wir haben widerrechtlich
unter den ‚Lesezeichen‘,
die
wir unseren Fabrikaten beilegen, als
Nr. 311 ein Porträt von Karl Kraus
verwendet,
wobei der Text
den Anschein erweckt, als ob
der Porträtierte unsere Ware empfohlen hätte.
Wir bedauern dieses Vorgehen
und haben das
Lesezeichen Nr.
311 aus dem Verkehr gezogen.“
Ausserdem fordere ich Sie auf,
einen Sühnebetrag von
S 300.– zu
meinen Händen für wohltätige Zwecke und die in meiner
Kanzlei aufgelaufenen Kosten von S 50.64 zu erlegen,
widrigenfalls
ich die
gerichtlichen Schritte gegen Sie einleiten würde.
Hochachtungsvoll
Dr. OskarSamek
Rekommandiert