Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich bestätige mit bestem Danke den Em
pfang Ihres frdl. Schreibens vom 25. d.M. und gestatte mir, Ihnen
den Entwurf der noch vor meinem Urlaubsantritte verfassten Klage
zur gefl. Prüfung und Einholung der Genehmigung des Herrn Kraus
einzusenden. Allfällige Aenderungen bitte ich diesmal in den
Text der Klage zu verzeichnen, damit während meiner Abwesen
heit die Besorgung der Uebersetzung, deren Richtigkeit ich
allerdings überprüfen werde, leichter vorgenommen werden kann.
Zu diesem Zwecke sende ich zwei Exemplare des Entwurfes ein.


Was Ihre Anfrage wegen einer evtl. Diszi
plinaranzeige gegen den verantwortlichen Redakteur betrifft,
gestatte ich mir zu bemerken, dass die Ausübung des Amtes eines
verantwortlichen Redakteurs den Standesvorschriften wohl kaum
widersprechen dürfte. Ob die Art der Ausübung als standeswidrig
bezeichnet werden kann, scheint mir sehr zweifelhaft.
Ich habe selbst persönlich keine Bedenken, gegen Dr. Kassowitz
die Disziplinaranzeige zu überreichen, nur möchte ich aus Rück
sicht für Herrn Kraus vermeiden, dass das Erkenntnis des Dis
ziplinarrates dahin lautet, dass kein Grund für ein Einschreiten
gegen Dr. Kassowitz vorliege. Im Uebrigen sind auch Sie, sehr
geehrter Herr Doktor, zur Ueberreichung der Anzeige legitimiert
und ich glaube, dass es, wenn Sie sich zur Anzeige entschlies
sen, sogar wirksamer wäre, dass sie von Ihnen überreicht wird,
da der Disziplinarrat die von einem ausländischen Kollegen
überreichte Anzeige sicherlich einer sorgfältigeren Behandlung
unterziehen wird, als eine Anzeige eines inländischen Anwaltes.


Ich weiss nicht, ob es zweckmässig wäre, auf
die Stupidität der Beleidigung mit besonderem Nachdrucke hinzu
weisen, weil ich glaube, dass gerade diese Stupidität die
Strafwürdigkeit des Vergehens herabsetzen könnte. Ich unter
werfe mich jedoch diesbezüglich vollkommen Ihrer und des HerrnKraus Ansicht und bitte, falls Sie meine Ansicht nicht teilen,
den Entwurf der Klage entsprechend zu ergänzen.


Wollen Sie mir bitte den abgeänderten Entwurf an meine Prager-Adresse retournieren, die Uebersetzung wird mir dann nach
Fertigstellung durch meine Kanzlei zur Korrektur eingesendet
werden, worauf ich die Ueberreichung der Klage veranlassen
werde.


Da bei der Vergleichsverhandlung, die wohl
kaum vor 3 bis 4 Wochen stattfinden wird, die Frage der Satis
faktionserklärung erörtert werden muss, bitte ich mir mitzutei
len, ob überhaupt eine Erklärung akzeptiert werden soll, gegebenen
falls den Wortlaut einer akzeptablen Erklärung einzusenden.


Ich bin mit besten Grüssen an Sie und
Empfehlungen an Herrn Kraus,
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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