Shakespeares Dramen. Bearbeitet von Karl Kraus. Band I


Sehr geehrter Herr Kraus,


ich habe mich bei der Zusammenkunft mit Herrn Prof. Dr. Jaray an eine
unverzeihliche Unterlassung erinnert. Sie haben mir den ersten Band
der Werke Shakespeares in Ihrer Bearbeitung geschickt und mich da
mit in höchstem Mass erfreut. Obwohl ich Ihnen sofort danken wollte,
vergass ich es in den bewegten Tagen, die bei mir nun schon einige
Wochen dauern. Vor kurzem erinnerte ich mich plötzlich in der Nacht
daran und wäre beinahe aufgestanden, um Ihnen sofort zu schreiben.
Leider tat ich es nicht, denn früh hatte ich es wieder vergessen. Ich
kann nichts anderes tun als eingestehen, wie es sich verhält, und bit
te Sie, mir als erleichternden Umstand anzurechnen, dass ich in den
letzten Wochen von einer Arbeit zur andern eile. Für das schöne Buch
und seine Widmung danke ich Ihnen von Herzen. Das Gefühl, Ihre Sym
pathien zu besitzen, ist für mich erhebend und jeder Beweis dieser
Beziehung, welcher Art immer er sei, erfreut mich mehr als vieles,
was die Welt zu bieten hat. Meine Beziehung zu Ihnen ist unwandelbar.
Umso grösser ist meine Freude, wenn ich sehe, dass Ihre Sympatie
dauernd ist.


Herr Prof. Dr. Jaray hat in einem Gespräch über den Verlag einen Um
stand erwähnt, der mir Anlass zu einer Aufklärung
gibt. Herr Prof. Dr. J. wird Ihnen persönlich wohl noch einiges zu die
ser Sache sagen, ich möchte in Kürze nur konstatieren, dass weder
ich noch irgendjemand im prager Verlag auch nur einen Augenblick
lang die Sache so sah, als hätte der prager Verlag eine mäzenati
sche Beziehung zu Ihnen. Sie haben, sehr geehrter Herr Kraus, vor dem
Kriege und während des Krieges, ebenso wie nach dem Kriege, bei
verschiedenen Gelegenheiten öffentlich kundgetan, dass Sie die Sache
unseres Volkes, namentlich während es um seine Freiheit kämpfte, für
eine gerechte Sache halten. Sie haben fast als einziger Schriftstel-
ler deutscher Sprache mit Sympathie und Hochachtung von unserem
Volke gesprochen, als fast alle Ihre Landsleute, die öffentlich wirken,
in Wort und Schrift nur Schmähungen oder Hass für uns übrig hatten.
Dieser Sachverhalt war nicht nur mir, sondern auch den Leitern des
prager Verlages bekannt, als ich den Vorschlag zum Transport der
Bücher machte, und dieser Sachverhalt war auch entscheidend für die
Annahme des Vorschlages. Es kann dabei also nur von Dankbarkeit und
von einer Ehrung eines Mannes die Rede sein, der hier hoch geachtet
und bewundert wird, niemals aber von Mäzenatentum.


Diese Tatsachen spiegeln sich freilich nicht in der geschäftlichen
Korrespondenz, die in dieser Sache stattgefunden hat. Sie müssen je
doch bedenken, dass der prager Verlag ein Geschäftsunternehmen ist,
dessen Korrespondenz nicht mit dem gleichem Mass gemessen werden
darf wie z.B. die Korrespondenz des Verlages Die Fackel. Der prager
Verlag schickt täglich hundert und mehr Briefe in die Welt, für ei
nen Brief bleiben einige Minuten Zeit, da ist es durchaus begreif
lich, wenn die Briefe in kurzer Fassung und gewissermassen beiläufig
stylisiert sind, wobei natürlich mehr auf das Geschäftliche als auf
alles übrige geachtet wird.


Damit ist, wie ich hoffe, ein Sachverhalt aufgeklärt, der, wie ich ver
mute, nur dadurch entstanden ist, dass Sie diese technischen Umstände
nicht genügend in Rechnung gezogen haben und dass Sie andererseits
bei dem Verlag eine Auffassung der ganzen Sache voraussetzten,
die durchaus nicht den Tatsachen entspricht.


Ich hoffe, Sie bald wieder einmal in Prag sehen zu können. Von meiner
Frau habe ich die herzlichsten Grüsse auszurichten. Ich selber ver
bleibe verbleibe mit dem Ausdruck meiner unwandelbaren aller
grössten Hochachtung und herzlichen Grüssen


Ihr Jan Münzer