Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich berufe mich auf meinen Bericht vom 23.I. d.J. und auf das diesem Berichte beigeschlossene Verhandlungsprotokoll,
aus dem Sie ersehen haben, dass die Hauptverhandlung auf unbestimmte Zeit
vertagt wurde. Heute teilt mir Herr Heinrich Fischer mit, dass er eine
Vorladung zur Einvernahme in diesem Prozesse für den 6. d.M. erhalten hat.
Ich selbst habe bisher keine Ladung erhalten und kann mich heute auch nicht
mehr darüber unterrichten, ob die Ladung auf einem Irrtum beruht. Dies
werde ich Morgen früh feststellen können.


Ich schreibe Ihnen, sehr geehrter Herr Doktor,
heute express, um für den Fall, dass die Hauptverhandlung wirklich am 6.
d.M. stattfinden sollte, Informationen zu erbitten und Ihnen Folgendes
zur Kenntnis zu bringen:


Herr Fischer verständigt mich soeben, dass
ihm vor einigen Tagen / noch vor seiner Ladung zur Zeugenschaft / DirektorFrankl von der URANIA in einem privaten Gespräch mitgeteilt habe, dass Dr.Strauss vom SOZIALDEMOKRAT den Prozess gegen Herrn K. ausgleichen möchte
und dass seiner / Frankls / Meinung nach der Sozialdemokrat zur Abgabe einer
Ehrenerklärung bereit sei. Direktor Franke von der URANIA stellte in dem
Gespräch ausdrücklich fest, dass er mit dieser Mitteilung und dem Ersuchen,
ob die Angelegenheit nicht zu vergleichen sei, keinerlei moralischen Druck
auf Herrn Fischer ausüben wolle. / Herr Dr. Strauss ist nämlich Vorstands
mitglied der URANIA und deshalb wollte Direktor Franke diesen Anschein
vermeiden. / Herr Fischer erklärte, dass sich Herr Kraus immer nur von
streng-sachlichen und publizistisch-rechtlichen Motiven leiten lasse und
daher eine „persönliche“ Einflussnahme auf Herrn Kraus auch durch einen
Freund unwirksam bleiben müsse. Er, Herr Fischer behalte sich jedoch offen,
dem Anwalt von Herrn K. den Wunsch von Herrn Dr. Strauss evtl. zu über
mitteln, da dieser die Situation und die Intentionen von Herrn Kraus in
dem betreffenden Falle besser übersehe. Damit war das private Gespräch
beendet, dessen Inhalt mir Herr Fischer soeben mitteilte mit der aus
drücklichen Bitte, Ihnen wahrheitsgemäss zu erklären, dass, wie immer sich
Herr K. entscheidet – also für Vergleich oder gegen – ihm / Herrn Fischer /
aus dieser Entscheidung keinerlei beruflichen oder sonstigen Nachteile er
wachsen werden.


Ich bitte Sie nun, sehr geehrter Herr Doktor, mir nach
Rücksprache mit Herrn K. tunlichst express oder noch besser telefonisch be
kannt zugeben, ob grundsätzlich über einen Vergleich verhandelt werden kann,
in welchem Falle ich um die genaue Bekanntgabe der Bedingungen und des
Wortlautes der evtl. zu akzeptierenden Satisfaktionserklärung bitte.


Ich bemerke noch, dass ich, falls die Ladung für
den 6. d.M. auf keinem Irrtum beruht, um Vertagung werde ansuchen müssen,
da ich am gleichen Tage zur gleichen Stunde eine Obergerichtsverhandlung
in einem Prozesse abhalten muss, der seit 1931 anhängig, von niemanden in
der kurzen Zeit übernommen werden könnte. Sollte allerdings der Vertagungs
antrag abgewiesen werden, dann müsste ich den Obergerichtsprozess doch
einem Kollegen übergeben und für diesen Fall möchte ich unbedingt genau
informiert sein.


Ich bin mit besten Grüssen an Sie und Herrn K., denen
sich Herr Fischer anschliesst,


Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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