Der Aufruf, 1.9.1934Prager MittagDer SozialdemokratPrager TagblattDie Fackel schweltDie Fackel


Sehr geehrter Herr Doktor.


Ich teile höflichst mit, dass ich den
Prozess gegen Ing. Butschowitz und Dr. Bill bei der heutigen
Hauptverhandlung in folgender Weise ausgeglichen habe:


Die Beklagten sind verpflichtet, binnen
14 Tagen auf eigene Kosten und ohne Anmerkungen in der Zeitschrift
PRAGER MITTAG und zwar im redaktionellen Teil auf die im § 8 derergänzten Pressgesetznovelle angeführte Weise folgende Erklärung
zu veröffentlichen:


Erklärung.


In Nr. 22 und 23 der Zeitschrift „AUFRUF“ haben wir unter dem
Titel „Die Fackel schwelt“ einen Artikel veröffentlicht, welcher
als Antwort auf den Inhalt des Heftes Nr. 890 bis 905 der Zeitschrift „Die Fackel“ anzusehen ist. Da sich der nunmehr ver
storbene Herr Karl Kraus durch einzelne Behauptungen des erwähnten
Artikels verletzt gefühlt hat, erklären wir, dass wir keine Absicht
hatten, ihn durch die Ausführungen des Artikels persönlich zu be
leidigen. Wenn er sich beleidigt gefühlt hat, bedauern wir es aufs
Lebhafteste.


Lucien Verneau / Ing. Egon Butschowitz /
Dr. Friedrich Bill.


Ferner sind die Beklagten solidarisch verpflichtet, dem
Privatkläger zu Händen seines Anwaltes den Betrag von 1800 Kč
an Kosten der Rechtsvertretung binnen 14 Tagen unter Exekutions
folgen zu bezahlen.


Dieser Vergleich wird rechtskräftig, wenn er
nicht vom Vertreter des Privatanklägers mittels einer beim Ge
richte spätestens am 9.III.1937 überreichten Eingabe widerrufen
wird. Das Recht zu widerrufen, steht dem Privatankläger für den
Fall zu, dass die Satisfaktionserklärung nicht frist- und verein
barungsgemäss veröffentlicht werden sollte. Für den Fall, dass
dieser Vergleich Rechtskraft erlangt, wird das Strafverfahren
gegen Ing. Butschowitz und Dr. Friedrich Bill über Antrag des
Privatanklägers eingestellt werden.


Ich habe den Wortlaut der Satisfaktionserklä
rung gegenüber der in Ihrem Briefe vom 23.II.1935 angeführten
Fassung einigermaßen abgeändert, weil ich wollte, dass nicht
nur Butschowitz, sondern auch Dr. Bill Abbitte leisten. Die Aus
lassung des Satzes „In diesem Artikel haben wir … durch
den Herausgeber der FACKEL polemisiert“, geschah über Ansuchen
des diesmaligen Verteidigers Dr. Desensy, der mich bat, auf eine
möglich kurze Satisfaktionserklärung einzugehen. Ich glaube,
dass die durch die Erklärung gegebene Satisfaktion durch die
Auslassung dieses Satzes nicht entwertet wird und so habe ich
dem Ersuchen stattgegeben. Das Widerrufsrecht habe ich mir des
wegen vorbehalten, weil es immerhin geschehen kann, dass auch der
PRAGER MITTAG die Veröffentlichung ablehnt und dann die Veröffent-
lichung nicht erzwungen werden könnte. Die Wahl des PRAGER MITTAG
als Blatt, in welchem die Erklärung veröffentlicht werden soll,
ist dadurch begründet, weil dieses Blatt von denselben, resp. den
gleichen Lesern gelesen wird, wie der eingegangene AUFRUF und die
Veröffentlichung im PRAGER TAGBLATT oder im SOZIALDEMOKRAT nicht
durchzusetzen wäre. Dr. Bill ist Mitarbeiter des Prager Tagblatt
und dass der Sozialdemokrat eine solche Erklärung nicht abdrucken
würde, ist ja ziemlich klar. Der Betrag von Kč 1800.– stellt zwar
keinen angemessenen Ersatz der Kosten dar, bedeutet aber immerhin
eine empfindliche Strafe für Butschowitz und Bill, die sich beide
in schlechten finanziellen Verhältnissen befinden. Wenigstens wird
durch diesen Betrag ein grosser Teil der Stempel und Dolmetschge
bühren der Krausprozesse hereingebracht.


Ich zeichne mit dem Ausdrucke der vorzüglichsten
Hochachtung und mit besten Grüssen


Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky


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