Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich teile höflichst mit,
dass ich den
Prozess gegen
Ing.
Butschowitz und Dr. Bill bei der heutigen
Hauptverhandlung in
folgender Weise ausgeglichen habe:
Die Beklagten sind
verpflichtet, binnen
14 Tagen
auf eigene Kosten und ohne Anmerkungen in der Zeitschrift
PRAGER MITTAG und zwar im redaktionellen Teil auf die im § 8 derergänzten Pressgesetznovelle angeführte Weise folgende Erklärung
zu veröffentlichen:
Erklärung.
In Nr. 22 und 23 der Zeitschrift „AUFRUF“ haben wir unter dem
Titel „Die Fackel schwelt“ einen Artikel veröffentlicht,
welcher
als Antwort auf
den Inhalt des Heftes Nr. 890 bis 905 der Zeitschrift „Die
Fackel“ anzusehen ist. Da sich der nunmehr ver
storbene Herr Karl Kraus
durch einzelne Behauptungen des erwähnten
Artikels verletzt gefühlt hat, erklären wir, dass wir keine
Absicht
hatten, ihn durch
die Ausführungen des Artikels
persönlich zu be
leidigen. Wenn er sich beleidigt gefühlt hat, bedauern wir es aufs
Lebhafteste.
Lucien Verneau / Ing. Egon
Butschowitz /
Dr.
Friedrich
Bill.
Ferner sind die Beklagten
solidarisch verpflichtet, dem
Privatkläger zu Händen seines Anwaltes
den Betrag von 1800 Kč
an
Kosten der Rechtsvertretung binnen 14 Tagen unter Exekutions
folgen zu bezahlen.
Dieser Vergleich wird
rechtskräftig, wenn er
nicht
vom Vertreter des Privatanklägers mittels einer beim Ge
richte spätestens am
9.III.1937 überreichten Eingabe widerrufen
wird. Das Recht zu
widerrufen, steht dem Privatankläger für den
Fall zu, dass die
Satisfaktionserklärung nicht frist- und verein
barungsgemäss veröffentlicht
werden sollte. Für den Fall, dass
dieser Vergleich Rechtskraft
erlangt, wird das Strafverfahren
gegen Ing.
Butschowitz und Dr. Friedrich Bill über Antrag des
Privatanklägers eingestellt werden.
Ich habe den Wortlaut der
Satisfaktionserklä
rung gegenüber der in Ihrem Briefe vom 23.II.1935 angeführten
Fassung einigermaßen abgeändert,
weil ich wollte, dass nicht
nur
Butschowitz,
sondern auch Dr.
Bill Abbitte leisten. Die Aus
lassung des Satzes „In diesem Artikel haben
wir … durch
den Herausgeber der FACKEL polemisiert“,
geschah über Ansuchen
des
diesmaligen Verteidigers Dr. Desensy, der mich bat,
auf eine
möglich kurze
Satisfaktionserklärung einzugehen. Ich glaube,
dass die durch die Erklärung
gegebene Satisfaktion durch die
Auslassung dieses Satzes nicht entwertet wird und so habe ich
dem Ersuchen stattgegeben. Das
Widerrufsrecht habe ich mir des
wegen vorbehalten, weil es
immerhin geschehen kann, dass auch der
PRAGER MITTAG die Veröffentlichung ablehnt und dann die
Veröffent-
lichung nicht erzwungen werden
könnte. Die Wahl des PRAGER MITTAG
als Blatt, in welchem die
Erklärung veröffentlicht werden soll,
ist dadurch begründet, weil
dieses Blatt von denselben, resp. den
gleichen Lesern gelesen wird, wie
der eingegangene AUFRUF und die
Veröffentlichung im PRAGER TAGBLATT oder im SOZIALDEMOKRAT nicht
durchzusetzen wäre. Dr. Bill ist
Mitarbeiter des Prager Tagblatt
und dass der Sozialdemokrat eine solche Erklärung nicht abdrucken
würde, ist ja ziemlich klar. Der
Betrag von Kč 1800.– stellt zwar
keinen angemessenen Ersatz der Kosten dar, bedeutet aber immerhin
eine empfindliche Strafe für Butschowitz und Bill, die sich
beide
in schlechten
finanziellen Verhältnissen befinden. Wenigstens wird
durch diesen Betrag ein grosser
Teil der Stempel und Dolmetschge
bühren der Krausprozesse
hereingebracht.
Ich zeichne mit dem
Ausdrucke der vorzüglichsten
Hochachtung und mit besten Grüssen
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky