Sehr geehrter Herr Kollege.


Ich komme zurück auf die Schreiben meines
Sozius vom 17. v.M. und 1. d.M. und teile höflich mit, dass mei
ner Meinung nach der Prozess gegen Herrn Sonnenschein auch
in Brünn anhängig zu machen ist.


Nach den hiesigen Pressvorschriften soll die
Hauptverhandlung gegen alle an einem Pressdelikt Beteiligten
womöglich gemeinsam durchgeführt werden. Es wird sich also
vermutlich durch die Einleitung des Strafverfahrens gegen
Herrn Sonnenschein das Verfahren gegen den Redakteur Schramek etwas verzögern. Ein Vorverfahren ist wohl zumindest
insoweit notwendig, als auf Grund des Strafantrags gegen Sonnenschein, den ich in den allernächsten Tagen überreichen wer
de, eine neue Vergleichsverhandlung angeordnet werden wird,
denn es wäre ja theoretisch der Fall denkbar, dass Sonnenschein einen anderen Weg geht als der Redakteur Schramek
und sich zu einer Herrn Kraus genehmen vergleichsweisen Erle
digung der Sache bereit findet, was ich allerdings für voll
kommen unwahrscheinlich halte.


Ich möchte beim Strafgericht dahin wirken, dass
die Vergleichsverhandlung auf einen möglichst kurzen Termin
hinaus angesetzt und nach ihrem wahrscheinlichen Schei
tern die Einvernahme Herrn Sonnenscheins sofort durch
geführt wird. Ich glaube mit Bestimmtheit annehmen zu kön
nen, dass Herr Sonnenschein sich in der gleichen Weise zu
verteidigen versuchen wird wie der Redakteur Schramek.
Sobald sein Konstitut vorliegt, möchte ich dann, wenn meine
Vermutung zutrifft, sofort die formelle Anklageschrift über
reichen.


Da ja im Strafverfahren praktisch doch auch die Ge
richtsferien gelten, wird es vermutlich nicht schwer sein,
beim Vorsitzenden des Pressenats zu veranlassen, dass die
Hauptverhandlung gegen Schramek erst dann angeordnet wird,
bis ich auch die Anklage gegen Herrn Sonnenschein erhoben
habe.


Zu der Frage der Auswirkung des Prager Prozesses
auf den Brünner möchte ich meine Meinung dahin abgeben, dass
ich wohl das Ergebnis des Prager Verfahrens für den hiesigen
Prozess nicht für präjudiziell halte, trotzdem jedoch glaube,
dass ein Freispruch des Prager Angeklagten das hiesige Gericht ungünstig beeinflussen würde. Dabei halte ich es nun
doch nicht für gut denkbar, dass es zu einem Freispruch im
Prager Prozess kommen könnte, der aus wirklich meritalen
Gründen erfolgen sollte.


Ich behalte mir weitere Mitteilungen vor und zeichne
mit kollegialer Hochachtung
ergebener
Dr. Gallia


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