Sehr geehrter Herr Doktor.
In Erledigung Ihres frdl.
Schreibensvom 3. d.M.
gestatte ich mir mitzuteilen, dass ich Herrn Dr.Richard Liška
besucht und mit ihm über seine eventuelle Ein
vernahme gesprochen nabe. Es
gibt merkwürdige Zusammenhänge.
Ich habe meiner Frau gegenüber den Namen des Herrn Dr. Liška
erwähnt und dabei hat sich
herausgestellt, dass er im Hause
meines Schwiegervaters verkehrt hat und ein alter Freund der
Familie ist.
Dr. Liška hat mich sehr freundlich em
pfangen und sich
bedingungslos bereiterklärt, alles zu tun,
was Herr K. von ihm verlangt. Er ist ein glühender Anhänger
des Herrn K. und dürfte wohl auch ein guter Kenner seines
Werkes sein. Das erste, was
er tat, war, dass er mich zum Bü
cherregal führte und mir
zeigte, er habe alle Fackeln seit
1899, zwei Photographien des
Herrn K. hängen an der Wand
seines Ordinationszimmers.
In sehr temperamentvoller, ja
überschwenglicher Art schilderte er mir seine Verbundenheit
zum Werk und zu der Person
des Herrn K.
Ich zweifle nicht daran,
dass er be
strebt
sein wird, Herrn K. die besten Dienste zu
leisten,
möchte jedoch nicht
verschweigen, dass ich nicht unbedingt
überzeugt davon bin, ob er
als guter Zeuge in Betracht kommt.
In dem Gespräch habe ich den
Eindruck gewonnen,
dass er
trotz oder vielleicht wegen seiner Vielseitigkeit
/ doctor triplex / sich
nicht zu konzentrieren vermag und aus
dem Hundertsten ins
Tausendste kommt. Sein Gedankengang ist
äusserst sprunghaft, sein
Ausdruck etwas übertrieben. Ich be
fürchte, er könnte als Zeuge
in der besten Absicht und aus
ehrlichster Ueberzeugung dem Gerichte eine Schilderung über
die Heiligkeit der Person
des Herrn K. geben, weiss aber
nicht, ob er imstande ist,
über die zur Diskussion stehenden
Probleme sachlich
auszusagen. Dabei nehme ich wohl an, dass
ihn seine Kenntnis des
Werkes zu einer sachlichen Aussage
fähig machen würde, weiss
aber nicht, ob man sein Temperament
in dem Masse zügeln kann,
welches zur Erzielung einer ent
sprechenden Zeugenaussage
notwendig wäre.
Ich betone ausdrücklich,
dass dies mein per
sönlicher Eindruck ist und dass ich Hn. Dr.
Liška heute zum
erstenmal gesehen und mit ihm zum erstenmal gesprochen habe.
Er bat mich, Herrn K. seine besten Grüsse zu bestellen und
ihm
mitzuteilen, dass er
ganz über ihn verfügen könne, er möge es
ja nicht unterlassen, ihn
bei seinem nächsten Besuche in Prag
aufzusuchen, er würde sich
glücklich schätzen, Herrn K. auch
mit seinem ärztlichen Rate
dienlich sein zu können.
Diese meine Eindrücke gebe
ich deswegen bekannt,
weil
ich mir bewusst bin, dass die Wahl des Zeugen in den Pro
zessen des Herrn K. von grosser Bedeutung ist und ein Missgriff
schwere Folgen haben
könnte. Er war, wie gesagt, so freundlich
zu mir und hat mich so
dringend zu weiteren Besuchen und zur
Anbahnung eines näheren
Verkehres aufgefordert, dass ich ihm
nicht gerne Unrecht täte und
insbesondere ihn nicht verletzen möch
te, aber der erste Eindruck,
der meistens richtig ist, war eben
so, wie ich ihn oben
geschildert habe.
Ich bitte, diese Mitteilung
zur Kenntnis zu neh
men und an Herrn K. weiterzuleiten, dem Sie
auch meine besten
Grüsse
bestellen wollen.
Mit dem Ausdrucke der
vorzüglichsten Hochachtung
und mit besten Grüssen
Ihr ergebener:
Dr. Turnovsky
P.S.
Ich habe seinerzeit Herrn K. den mir von ihm eingesendeten
vorbereitenden Schriftsatz ausgefolgt. Die neunte Seite des
Schriftsatzes habe ich aus
Versehen in den Akten behalten.
Zwecks Vorbereitung der Aussage des Herrn Fischer
bitte ich
um nochmalige
Einsendung des Schriftsatzes, den ich Ihnen
nach der Einvernahme gleich
retournieren kann.