Aus dem geistigen Leben. Nachruf für Karl Kraus.Der KampfDer Kampf, Juli 1936


Sehr geehrter Herr Kollege.


Da ich noch immer nicht das für Sie bestellte
Exemplar des Kampf von der Buchhandlung, bei der ich die Bestel
lung aufgegeben hatte, bekommen konnte, habe ich mir von pri
vater Seite den Artikel besorgt und übermittle ihn anbei.


Nach der Lektüre des Machwerks Pollaks fällt
einem das Urteil nur in der Richtung schwer, ob das Pamphlet
sich vor allem durch seine unerhörte Niedrigkeit oder Nieder
trächtigkeit oder Feigheit auszeichnet oder aber ob alle drei
Eigenschaften in ungefähr gleicher Höhe vorhanden sind. Am her
vorstechendsten scheint mir aber doch die Feigheit, die es Pollak
geboten erscheinen liess, den Tod des Gegners abzuwarten, um
dann vielleicht der Strafe zu entgehen.


Auf der andern Seite weiss ich nicht, ob es dafür
steht, sich mit einem Menschen, der solcher Niederträchtigkeiten
fähig ist, überhaupt auseinanderzusetzen. Ich muss die Entschei
dung hierüber Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege, überlassen.


Ich begrüsse Sie herzlichst


als Ihr ganz ergebener
Dr. Gallia


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