Von unserem Rechtsanwalt erhielten wir die Abschrift eines
Briefes, den Sie am 19. Dezember in der Angelegenheit
der die Auf
führung der „Letzten Nacht“
betreffenden Berichtigung an ihn gesandt
haben. Da Sie sich in diesem
Schreiben darauf berufen, dass Sie diese
auf Grund Ihrer
ausserordentlichen Wertschätzung des Herrn Karl
Kraus
unverändert
zum Abdruck gebracht haben (und nicht, wie wir gewähnt
hatten, auf Grund des § 23), und da wir an der Abfassung dieser Be
richtigung, die Sie „für alles andere nur keine Berichtigung“ halten,
nicht unbeteiligt sind, so
möchten wir Ihnen unsere Ansicht über die
Gesetzmässigkeit dieser
Berichtigung nicht verhehlen. Gleichfalls zur
Darnachrichtung, die ja
einer Zeitung, welche gewiss noch öfter in
die Lage kommt, die
Gesetzmässigkeit von Berichtigungen zu erwägen
als ein Advokat, auch besser anstehen mag. Der Vorhalt, dass er
nicht
einmal schreibe,
wer sein Mandant ist, und dass er es unterlasse,
eine
Vollmacht
beizulegen, geht uns allerdings nur mittelbar an, doch möch
ten wir die Gelegenheit
unserer Äusserung über die Gesetzmässigkeit
der Berichtigung als solcher
nicht vorübergehen lassen, ohne Sie auch
über diese rein formalen
Punkte zu beruhigen. Es genügt also, dass aus
dem Inhalt des berichtigenden Schreibens klar hervorgeht, in wessen
Auftrag es verfasst ist, und
das Beilegen einer Vollmacht ist wohl für
die Intervention des Anwalts
bei Gericht, aber keineswegs für die bei
der Zeitung erforderlich.
Dies beehren wir uns auf Wunsch des Anwalts
Ihnen mitzuteilen. Das
Weitere ist unsere eigene Ange
legenheit.
Sie schreiben, der ganze zweite
Teil sei „eine Berichtigung,
zu der nur Herr Forest ermächtigt wäre, nicht aber Herr Karl Kraus“.
Sie sind im Irrtum und
wir möchten beinahe bedauern, dass Ihre ausser
ordentliche Wertschätzung des
Herrn Karl Kraus Sie daran gehindert hat,
Ihren Standpunkt vom Gericht
überprüfen zu lassen. Wozu wir nur nebst
bei erwähnen wollen, dass ein veränderter Abdruck der Be
richtigung, den Sie gleichfalls
für eine der Möglichkeiten dieses
Falles zu halten scheinen, von vornherein die Entscheidung nach § 23
zu Ihren Ungunsten beeinflusst
hätte. Wenn Sie sich aber korrekter ent
schlossen hätten, die ganze
Berichtigung ungedruckt zu lassen, weil
Sie den zweiten Teil für
gesetzwidrig hielten, so können wir Ihnen
nachträglich sagen, mit welcher
Auffassung die Klage durchgedrungen
wäre.
Sie hatten behauptet, dass
„sich Herr Forest ebenfalls auf
eine Abmachung mit Karl Kraus beruft und auch
noch ein
diesbezüglicher Vertrag mit den Kammerspielen
geschlossen
wurde“. Nun ist es allerdings richtig, dass die erste dieser bei
den Behauptungen
scheinbar nur die Behauptung der Tatsache ist, dass
sich Herr Forest auf etwas beruft und ganz gewiss wäre Herr Karl Kraus
nicht ermächtigt, diese Tatsache nach § 23 zu berichtigen. Er
kann ferner auch nicht berichtigen, es sei unwahr, dass er einen dies
bezüglichen Vertrag geschlossen
habe, denn eine solche Behauptung
haben wieder sie formell nicht
aufgestellt. Er kann aber wohl berich
tigen, und das hat er getan, dass
die indem zitierten Text enthalte
nen Tatsachen unwahr sind, so
weit sie ihn betreffen. Dies erschiene
uns nicht einmal dann strittig,
wenn Sie sich damit begnügt hätten, von
der angeblichen Berufung des Herrn Forest auf seine angebliche Abmach
ung mit Karl Kraus zu sprechen und die weitere, ihn unmittel
bar betreffende Tatsache: „und auch noch etc. geschlossen
wurde“
nicht beigefügt
hätten. Dass durch diese Beifügung eine Herrn Karl
Kraus
betreffende Tatsache ganz
ausdrücklich gesetzt ist, also von ihm be
richtigt werden kann, darüber
besteht wohl nicht der geringste Zweifel.
Durch diese Fortsetzung ist ja
unverkennbar die Absicht dargetan, gera
de von Herrn Karl Kraus etwas zu behaupten, und sie verstärkt ganz ge
wiss auch das ihn
berührende tatsächliche Moment der einleitenden Worte.
Aber selbst, wenn Sie sich wie
gesagt begnügt hätten, eine Berufung des
Herrn Forest auf eine Abmachung mit Karl
Kraus zu erwähnen, so hielte
er sich dennoch für berechtigt,
festzustellen, dass er eine solche Ab
machung nicht getroffen hat.
Gewiss, die Behauptung, dass sich HerrForest auf dergleichen
berufen habe, kann nur dieser berichtigen. Aber
ganz wie er berechtigt wäre,
nicht nur die angebliche Berufung auf eine
Abmachung, sondern auch diese
selbst zu bestreiten, ganz ebenso hat
jener, der etwas mit ihm
abgemacht haben soll, ein Recht, dieser
Unwahrheit die Wahrheit
entgegenzustellen. Liesse der § 23 eine solche
Möglichkeit nicht zu, so könnte ja die Presse jede Tatsache, die sie
vorbringen will, in der Form
vorbringen, dass irgend jemand sich darauf
berufe. An der angeblichen
Abmachung mit Herrn Forest ist Herr Karl Kraus
doch beteiligt; infolgedessen
auch an der Tatsache, dass Herr Forest
angeblich behauptet, er habe
jene mit ihm getroffen, also ganz und gar
an der Tatsache im Sinne des § 23. Eine Zeitung kann wohl im Ernst
nicht glauben, dass wenn sie
melden wollte: Ein Gewährsmann behauptet,
dass X gestohlen habe, die
Tatsache dann bloss die Behauptung des Ge
währsmanns und nicht die des
Diebstahls des X und darum bloss jener zur
Berichtigung ermächtigt sei. Sie
würde dann nie eine Berichtigung erhal
ten, da von den Gewährsmännern
keine zu befürchten ist. Was Sie be
hauptet haben (und woran Sie Ihre
ausserordentliche Wertschätzung nicht
gehindert hat), war aber gar
nichts anderes, als dass Herr Karl Kraus
mit zwei Parteien über eine und
dieselbe Sache zwei verschiedene Ver
träge geschlossen habe. Ob Sie
sich dabei auf jemand, der sich darauf
angeblich beruft, oder jemand
dritten, der es Ihnen erzählt hat, beru
fen, ist für den
Berichtigungsanspruch dessen, dem es imputiert wird,
völlig belanglos. Wir wollen
Ihnen ja nicht zu bedenken geben, ob jene
Wertschätzung, die Sie einzig
bewogen hat, die Berichtigung zu drucken,
Sie nicht lieber hätte davon
abhalten sollen, die Behauptung zu drucken
und auch sonstiges Gerede zu
kolportieren, von dem auch nicht ein ein
ziges Wort wahr gewesen ist. Aber
ganz entschieden lehnt Herr KarlKraus die Vorstellung ab,
dass er Ihrer ausserordentlichen Wertschät
zung und nicht seinem rechtlichen
Anspruch eben dessen Erfüllung zu
verdanken habe.
Hochachtungsvoll