Karl Kraus (×)Die Stunde, 20.3.1925


U XII 1902/25
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Strafbezirksgericht I.
am 12. III. 1926 Beginn 1/2 12
Ende 12h


Dr Hans Böhm
36 J.
Wien
evang. AB
verh.
Redakteur
IX. Lackierer 1


Nach Vorhalt des § 153 StPO.
Mir ist das fragliche Bild gegenwärtig. Ich war
damals Bildredakteur der Stunde und erhielt
eines Tages von Frl Greiss, der Sekretärin
des Herausgebers Bekessy eine offenbar aus
einem Buche herausgenommene Druck
seite, die das Bild eines Knaben und Mädchens
enthielt.


Zugleich überbrachte mir Frl. Greiss einen
maschingeschriebenen Zettel, der den Auftrag
enthielt, das beiliegende Bild Karl Kraus
möglichst „mieß“ zu karikieren (Mund –
Ohren und Stiefel zu vergrößern) und das
so karikierte Bild am zweitnächsten Tage auf
der ersten Seite der „Stunde“ zu publizieren. Es
wurde mir ausdrücklich gesagt (von wem weiß ich
nicht mehr) daß den Text zum Bilde Herr Tschuppik
beistellen werde, was auch in meiner Anwesen
heit später geschah. Der maschingeschriebene Zettel
enthielt die von der Hand der Frl. Greis beigesetzte
Unterschrift „Bekessy“. Da Frl. Greiss die Privat
sekretärin Bekessys ist und es nicht der erste
derartige Auftrag des Herausgebers war,
hatte ich nicht das geringste Bedenken dagegen,
daß es sich um einen Auftrag Bekessys selbst
handelte. Ich übermittelte die Buchillustration
dem Photogr. Atelier Weitzmann II. Praterstr. 9,
in welchen Atelier eine photographische Repro
duktion nach dem Bilde hergestellt wurde.
Und zwar zu dem Zwecke, um bei einer allfälligen
Werbung sich auf eine Mangelhaftigkeit
des Druckes ausreden zu können.
Von wem dieser Plan, als Zwischenglied
diese Photographie einzuschieben, ausging,
oder wer mir diesbezüglichen Auftrag oder
die Anregung gab, weiß ich nicht mehr.


Auskunft darüber könnte vermutlich
Alfred Ungar geben, dessen Gattin Inhaberin
des Ateliers Weitzmann ist und der damals
beim Bilderdienst der Stunde angestellt war.
Die von Weitzmann erhaltene Photographie
übergab ich samt dem mir übermittelten Auftrage
an den Zeichner Adalbert Sipos, welcher
die gewünschte Karikierung durch Übernahme
durchführte und sie dann mir wieder gab.
Vorher fällt meines Erinnerns noch eine Vorweisung
des retouschierten Bildes an Bekessy, die aber nicht
durch mich erfolgte (es durfte entweder durch Ungar
oder Sipos selbst erfolgt sein.) Einer dieser beiden
hat mir auch mitgeteilt, daß im Auftrage Bekessys
noch eine Vergröberung der Karrikatur erfolgte. Ich
habe dann die Karikatur der Klischeeanstalt
zur Herstellung des Klischees übergeben und das
so dann erhaltene Klischee der Druckerei zum
Drucke. Ich hatte den generellen Auftrag, den
Bürstenabzug der fertig zusammengestellten
Bilderreihen vor dem Stereotypieren stetes dem
Chefredakteur Tschuppik und falls Bekessy
anwesend, auch diesem vorzulegen. Es steht
für mich außer Frage, daß ich dieser Verpflichtung
in diesem besonderen Falle, dessen heikler
Karakter mir bekannt war, ganz bestimmt
nachgekommen bin. Ich habe den Bürstenabzug
bestimmt Tschuppik gezeigt, ob auch
Bekessy, kann ich nicht bestimmt sagen.