Karl Kraus (×)Die Stunde, 20.3.1925


U I 110/25
3


Öffentliche Hauptverhandlung.


StrafBezirksgericht I. in Wien, am 27. Mai 25 B: 11h
Gegenwärtig:
Richter: Hofrat Dr Höflmayr Schriftführer: G.Ri. Dr Jung
Privatankläger 1.) Marie Turnowsky
2.) Karl Kraus deren Vertr. Dr. Oskar Samek
O.V. v. 19.4.1925
v. 21.4.1925
Verteidiger: Dr. Valentin Rosenfeld
O.V. bei hg. U I 125/25
Angeklagter:
Dr Marc Siegelberg nicht erschienen, Zustlg. d. Ladg ausg.
Vertreter d. Stunde: Dr. Fritz Kaufmann


B.
Auf Durchführung der Verhandlung gemäß § 459 St.P.O.
der Verteidiger des Angeklagten gibt an:
Dr. Marc Siegelberg , am 24.6.1895 in Luzk
geb., Wien zust, mos., verh., verantwortlicher Schriftleiter
der „Stunde“, VII. Kirchengasse 24 wh., Eltern: Boris
u. Michalina, einige Male weg. Preßdel. vorbestr.


Der Besch. hat das inkrim. Bild samt
Text vor der Drucklegung weder gesehen
noch zu Drucke befördert.


Objektiv liegt keine Übertretung des
Urheberrechts.Ges. vor, denn:


1.) ist das Urheberrecht des P.A. längst verloschen, da
es nur 10 Jahre besteht u. das Bild offensichtlich
vor mehr als 10 Jahren aufgenommen wurde.


2.) Da die P.A. insbes. der damals ca.
11 jähr. Karl Kraus zweifellos nicht die Be
steller der damaligen Photographie waren,
steht ihnen auch das urheberrechtl. Klagrecht
nicht zu.


3.) Der P.A. Kraus hat, wie aus dem hg.
Akte U I 109/25 hervorgeht, selbst berichtigt,
daß das inkrim. Bild nicht seine Photographie
sei.


4.) Das inkrim. Bild ist überhaupt nicht
die Wiedergabe einer Photographie, sondern
die einer karikaturistischen Zeichnung,
die von unserem Zeichner unter Benutzung
einer Photographie der P.A. hergestellt wurde.


Diese Zeichnung wurde aus technischen
Gründen, nämlich zum Zwecke der Re
produktion photographiert.


Der Name des Zeichners wird nicht
genannt.


Die Zeichnung kann nicht mehr vor
gelegt werden.


Beantragt wird Beischaffung des hg. Aktes
U I 109/25 als Beweis für P. 3.


P.A.-Vertreter : Es handelt sich gegebenen
falls nicht um eine selbstständige Karikatur,
sonders das inkrim. Bild ist nach wie vor
die Wiedergabe einer Photographie, als
welche das Bild auch von der „Stunde“ selbst
in dem den inkrim. Bild beigegebenen
Text bezeichnet wird.


P.A.Vertreter beantragt : Verlesung d. Aussage
des Zg. Straniak aus dem hg. Akt U IV 3305/25
und Vernehmung der Zg. Alois Straniak u.
Ferdinand Hofbauer über die Art, wie das
inkrim. Bild zustande gekommen ist.


Beide Parteien beantragen ferner die
Verrechnung eines Sachverständigen über
die Möglichkeit der Verantwortung der
Besch. zu Pkt. 4, die Wahl des Sachverst. wird dem
Gerichte überlassen.


Verlesen wird: die Aussage des Zg.
Anton Straniak aus O. No 3 des hg. Aktes
U IV 3305/25


Der Richter verkündet den
B.
auf Vertagung der Verhandlung, um
die graphische Lehr- und VersuchsanstaltWien VII um Bekanntgabe eines geeig
neten Sachverständigen zu ersuchen. Ferner
zur Ladung des Zg. Anton Straniak
und Ferdinand Hofbauer über die
beantragten Umstände und zur Beischaffung
des hg. Aktes U I 109/25.


Der Richter: Höflmayr Ende 1/2 12h Der Schriftführer
Dauer 1/2 St. Dr Jung
Verhandlg. Geb. 1 S (v. P.A)


Auszufertigen
An die
Graphische Lehr- und Versuchsanstalt
Wien VIIWestbahnstraße


In der Strafsache U I 110/25 geg. Dr. Marc Siegelberg
wegen Übertretung des Urheberrechts-Gesetzes
handelt es sich darum, festzustellen, ob
ein in der Zeitung „Die Stunde“ veröffentlichtes
Bild die Wiedergabe einer Original Photo
graphie oder einer nach dieser Photographie
gezeichneten Karikatur ist, die zwecks Reproduktion
in der Zeitung fotographiert wurde.


Es wird ersucht einen geeigneten
Sachverständigen, der weder zur Zeitung
Die Stunde“ noch zu Anton Straniak Chemigraf
III. Hauptstr 9 und Ferdinand Hofbauer Chemigraf XVI. Koflerg. 12
in Beziehungen steht, baldmöglichst anher be
kanntzugeben.


W. am 27.V.1925